Den Beruf des Heilpraktikers abschaffen - das fordert jüngst eine Gruppe Ärzte und Wissenschaftler. "Erschreckend", findet dagegen Christian Wilms, Präsident des Verbands Deutscher Heilpraktiker, deren Nachlässigkeit.
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Dieser Tage sorgt ein sogenanntes Münsteraner Memorandum für Schlagzeilen, das im Deutschen Ärzteblatt veröffentlicht wurde. Darin plädiert eine Gruppe von Ärzten und Wissenschaftlern, 17 an der Zahl, für die Abschaffung des Berufs des Heilpraktikers - oder alternativ: für eine grundlegende Reformation.
Der Grund: Die Expertengruppe sieht das Wohl von Patienten durch schlecht qualifizierte Heilpraktiker gefährdet. Die Politik dürfe nicht länger hinnehmen, dass sich Alternativmediziner nach einer kurzen, weitgehend unregulierten Ausbildung als staatlich anerkannte Heilpraktiker bezeichnen dürfen. Das erwecke bei Patienten den Eindruck, Heilpraktiker seien eine gleichwertige Alternative zu Ärzten, die ein langjähriges Studium absolvieren müssen.
DW: Herr Wilms, dem Statement auf Ihrer Webseite nach sind Sie nicht gerade erfreut über das Dokument des Münsteraner Kreises. Was ärgert Sie am meisten an dem Memorandum?
Christian Wilms: Am meisten ärgert mich, dass die Autorengruppe keinen einzigen Berufsstand-Vertreter befragt hat. In der Gruppe ist niemand, und in dem Dokument ist ebenfalls niemand zu Wort gekommen. Man hat über einen Berufsstand geurteilt und hat niemanden aus dem Berufsstand befragt. Das ist nicht nur ärgerlich, sondern das diskreditiert für mich dieses ganze Memorandum.
Haben Sie das dem Münsteraner Kreis schon so gesagt?
Ich habe versucht, Frau Schöne-Seifert (Hauptautorin des Memorandums, Anm. d. Red.) zu erreichen, um die Dinge zu diskutieren. Es scheint mir einfach ganz viel Unwissen vorzuherrschen. Ich frage mich, welche Intention dahinter steckt. Es sieht fast so aus als ob man einfach dem Berufsstand schaden möchte, und darum kann es ja nicht gehen.
Natürlich gibt es die Möglichkeit, dass man auch über die Dinge diskutiert. Da bin ich offen für alles. Das ist ja nichts Schlimmes, nur man muss sachlich und fachgerecht diskutieren können. Und das ist hier im Moment nicht der Fall.
Gibt es also auch Argumente, die Sie ein stückweit nachvollziehen können?
Wenige. Aber worüber man sicherlich sprechen kann, sind die Ansätze für Ausbildungsstandards, und was man da künftig noch tun könnte. Aber viel weiter darüber hinaus geht dieses Memorandum eben auch nicht.
Leider muss man sagen, dass es in diesem Dokument vor sachlichen Fehlern wimmelt. Das finde ich auch sehr bedenklich. Wären die Fehler aufgeklärt worden, hätte dies zu einer ganz anderen Beurteilung geführt.
Das Fazit, den Heilpraktiker entweder so stark zu beschränken, dass er nicht mehr selbstständig arbeiten darf oder ihn am besten ganz abzuschaffen - das erschreckt mich zunächst mal total. Die ganze Vorgehensweise erschreckt mich, was am Ende dabei rauskommt erschreckt mich.
Welche Fehler sind Ihnen denn aufgefallen?
Die Expertengruppe schreibt, dass Heilpraktiker nicht kontrolliert werden. Das ist falsch. Heilpraktiker wird man nur, wenn man eine Zulassung bekommt. Und wenn man als Heilpraktiker arbeitet, unterliegt man der Aufsichtsbehörde, also den Gesundheitsämtern oder Landratsämtern der Kreise, die diese Aufgabe auch wahrnehmen. Das heißt: Heilpraktiker werden überwacht. Und Heilpraktiker müssen sich natürlich auch an sämtliche Gesetze halten, die auch im ärztlichen Bereich wichtig sind. Die Hygieneverordnung zum Beispiel.
Ein weiteres Beispiel: Unter Alternativmedizin, schreiben die Autoren, verstehen sie die Gesamtheit der Verfahren, die in Konkurrenz zu Behandlungsverfahren der wissenschaftsorientierten Mediziner geboten werden - das ist natürlich genau andersrum. Das ist keine Konkurrenz, sondern es ist eine Alternative oder ein Zusatz, den man machen kann - keine Konkurrenz.
Sie haben eben selbst die Ausbildung angesprochen. Da heißt es seitens der Experten, "es dürfe nicht sein, dass es in Deutschland weiterhin einfacher ist, Heilpraktiker zu werden als Krankenpfleger". Ist das so?
Nein, dem kann ich so nicht zustimmen. Ich bin beides: Krankenpfleger und Heilpraktiker. Heilpraktiker zu werden ist sicherlich nicht einfach.
Darum geht es aber eigentlich gar nicht, sondern das Memorandum baut darauf auf, dass Heilpraktiker laut Aussage der Autoren gefährlich sind. Und gerade darum geht es bei den Heilpraktikerprüfungen: dass eine Gefährdung für die Patienten ausgeschlossen wird.
Seit Anfang des Jahres gibt es hier auch ein neues Gesetz. Man hat in das Heilpraktikergesetz mit reingebracht, dass Leitlinien für die Überprüfung der Heilpraktiker deutschlandweit erlassen werden müssen, bis Ende diesen Jahres. Das heißt, die Überprüfungen sind dann genormt - und auf einem Niveau, das meiner Meinung nach sehr hoch ist.
Sie sind auch praktizierender Heilpraktiker. Kommen mittlerweile weniger Patienten zu Ihnen?
Ich bin seit 31 Jahren im Beruf tätig. Durch mein Amt hier im Verband habe ich meine Praxis jetzt seit sieben Jahren deutlich reduzieren müssen, weil ich viele Tage nicht da bin. Deshalb kann ich es für meine Praxis schwer sagen.
Insgesamt hat die Zahl der Heilpraktiker/-innen in den letzten Jahren jedoch deutlich zugenommen. Und wie ich das sehe, ist die Zahl in der Bevölkerung gleich bleibend bis steigend.
Also ziehen noch immer viele Patienten Heilpraktiker den Ärzten vor?
Also, die Patienten, die zu uns kommen, sind nahezu 100 Prozent auch in ärztlicher Behandlung. Der Erstkontakt mit dem Heilpraktiker kommt meist erst dann zustande, wenn man eine Erkrankung hat, die man nicht zufriedenstellend behandelt bekommt.
In der Regel kommen Patienten nicht zum Heilpraktiker, weil sie sagen "Ich will nicht zum Arzt gehen", sondern weil sie da nicht befriedigend behandelt worden sind. Es gibt aber kaum Patienten, die nicht auch in ärztlicher Behandlung sind.
Christian Wilms ist Präsident des Fachverbands Deutscher Heilpraktiker e.V. und praktizierender Heilpraktiker.
Das Interview führte Hannah Fuchs.
Beliebte deutsche Heilmittel für alle Fälle
Ob Grippe oder Erkältung - im Winter bleibt kaum jemand von einem Infekt verschont. Viele Deutsche greifen dann zu bewährten Hausmittelchen. Heiß und scharf sollen sie sein.
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Bloß keine kalten Füße kriegen
Kalte Füße sind oft das erste Anzeichen für eine Erkältung. Socken und Pantoffeln sind deshalb unverzichtbare Bestandteile jedes deutschen Kleiderschranks. "Die Deutschen mögen keine nackten Füße", schreibt die australische Schriftstellerin Liv Hambrett in ihrem Buch "What I know about Germans". Ob Wollsocken nur flauschige Placebos sind, ist jedoch unklar.
Ausschwitzen statt aussitzen
Die Deutschen lösen viele Probleme des Lebens mit einem Gang in die Sauna. Sowohl das feuchte Dampfbad als auch die heiße Sauna stärken angeblich das Immunsystem - wenn man sich an die Regeln hält. Bei Fieber ist ein Saunabesuch nicht zu empfehlen, bei Schnupfen und Erkältung kann er Wunder wirken - das Abwechseln von Hitze und Kälte sorgt für eine verbesserte Durchblutung der Schleimhäute.
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Die Wärmflasche als ständige Begleiterin
Der Körper sollte niemals auskühlen. Kündigt sich ein Infekt durch Frieren an, schwören viele Deutsche auf einen Ruhetag zu Hause mit einer heißen Wärmflasche als Bettgefährtin. Die Hitze regt auch die Durchblutung an und soll auch bei Magen-Darm-Infekten, Blähungen und Verdauungsstörungen helfen.
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Scharfe Wurzel als Tee
Ingwer spielt eine große Rolle in der ayurvedischen Heilkunst und der traditionellen Chinesischen Medizin. Die scharfe Wurzel ist bekannt als wirksames Mittel gegen Reisekrankheit und Übelkeit. In Deutschland ist Ingwertee zur Linderung von Halsschmerzen beliebt. Für den Tee wird die gewürfelte Wurzel einfach mit kochendem Wasser übergossen.
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Sauerkraut gegen Keime
Die Koreaner glauben an die gesundheitsfördernde Wirkung von Kimchi, einem vergorenen Kohl. In Deutschland hingegen hält man Sauerkraut für eine gute natürliche Krankheitsabwehr. Reich an Vitamin C und wertvollen Flavonoiden soll das Traditionsgericht in seiner verdauungsfördernden Wirkung unübertroffen sein - und nebenbei auch noch im Kampf gegen Viren und Keime helfen.
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Heilende Kräuter in der Tasse
Ingwer ist nicht das einzige Gewürz, das Deutsche gerne zu Tee verarbeiten. Je nach Erkrankung landen Kamille, Fenchel, Salbei, Pfefferminz oder andere Kräuter in kochendem Wasser. Das schmeckt zwar ein bisschen so, als trinke man einen ganzen Arzneischrank, aber die Stimmung hellt sich sofort auf, wenn man mit einer Tasse Tee auf dem Sofa sitzt. Was der Genesung auch gut tut.
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Viele Menschen verteufeln noch heute Tiefkühlgemüse. Es ging das Gerücht um, dass es weniger Vitamine enthalte als frisches Grünzeug. Stattdessen ist es genau umgekehrt: Die gefrorene Variante ist nährstoffreicher, weil sie sofort nach der Ernte schockgefroren wird und nicht noch tagelang an der Luft herumliegt. Doch einmal aufgekommen, hält sich so ein Gerücht hartnäckig.
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Die allmächtigen Wunderstoffe im Fisch
Noch vor kurzem hieß es, Omega-3-Fettsäuren schützen vor so ziemlich jeder Krankheit: Krebs, Herz-, Kreislaufkrankheiten, sogar Aufmerksamkeitsdefizitstörungen und Depressionen. Gesundheitsexperten rieten uns, täglich Omega-3-Fettsäure-Kapseln zu schlucken. Jetzt wissen wir: Ja, diese Fettsäuren sind für einige Stoffwechselfunktionen wichtig. Aber Wunder bewirken können sie nicht.
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Vitamine sind lebensnotwendig. Was also sollte gesünder sein, als jeden Tag Vitaminkapseln zu schlucken? Vor allem Vitamin C sollte uns vor allen Krankheiten bis hin zum gewöhnlichen Schnupfen schützen. Studien konnten das aber nicht bestätigen - im Gegenteil: Inzwischen besteht der Verdacht, dass Vitaminkapseln dem Körper sogar schaden. So heißt es zumindest heute...
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Trinken, bevor der Durst kommt - und warum?
Mutter Natur hat etwas Tolles erfunden: Wenn unser Körper Flüssigkeit braucht, werden wir durstig. Aber dann brachte jemand die Theorie auf, dass man schon vorher trinken muss. Mindestens drei Liter Flüssigkeit am Tag. Das hat vielleicht seinen Ursprung darin, dass viele Menschen im Alter ihr Durstgefühl verlieren. Bei den meisten von uns funktioniert es aber gut genug.
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Ist Milch schädlich?
Milch enthält Kalzium, ist gut für die Knochen und stärkt das Immunsystem - so sagt man. Ein wahres Wunder der Natur. Eine schwedische Langzeitstudie fand aber: Menschen, die viel Milch trinken, sterben früher. Ist der Zucker Galactose schuld? Niemand weiß es. Es heißt also: abwarten und Tee (oder Milch) trinken.
Teufelsweizen
Hier ist noch ein Bösewicht: Weizen. Viele Internetseiten warnen vor seinen Gefahren: "Er sorgt dafür, dass sich unser Körper entzündet, dass unsere Gedärme undicht werden und wir autoimmunkrank werden." Laut einigen Ärzten (und gleichzeitig Buchautoren) kann Weizen auch Glatzen verursachen, Halluzinationen und Selbstmordgedanken. Das ist zwar reine Theorie - aber viele Menschen glauben dran.
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Ausgewogen durchs Leben
Trotz allem ist ein gesunder Lebensstil wichtig. Statistiken zeigen klar, dass Rauchen, Alkohol, Dicksein und keine Bewegung die größten Killer sind. Und jeden Tag nur Pommes Frites zu essen, kommt sicher nicht gut. Berichte aber, die ein einzelnes Lebensmittel preisen oder es verdammen, sollte jeder kritisch betrachten. Am Ende zählt nur eines: Nicht übertreiben - egal womit.