Kirche im NS-Staat
28. August 2014DW: Herr Heim, wie haben die Katholischen Bischöfe in Deutschland auf den Beginn des Zweiten Weltkrieges reagiert?
Bernd Heim: Die Bischöfe haben den Krieg nicht begrüßt, man hat aber auch nicht massiv gegen ihn Stellung bezogen. Einen deutlichen Widerstand etwa in Form einer Kanzelverkündigung an die deutschen Katholiken oder einen Aufruf an die deutschen Soldaten: "legt das Gewehr beiseite und kämpft nicht mit", gab es nicht. Die deutschen Bischöfe haben sich offiziell zurückgehalten. Das war anders als beim Beginn der nationalsozialistischen Herrschaft im Januar 1933. Da hat die Kirche Hitler insgesamt doch ein größeres Wohlwollen entgegengebracht, als zu Kriegsbeginn 1939.
Welche Position vertrat der damalige Papst Pius XII.?
Pius XII. hat versucht, das Unmögliche zu erreichen und den Krieg auf diplomatischem Weg zu verhindern. Dazu hat er sich an die in Rom akkreditierten Vatikanbotschafter gewandt und über die Nuntiaturen (diplomatische Vertretungen des Heiligen Stuhls, Anm.d.R.) in den europäischen Hauptstädten versucht, Einfluss zu nehmen. Leider ohne Erfolg, denn zu viele Regierungen, unter anderem die deutsche und die polnische, wollten lieber den Krieg riskieren als eine Verhandlungslösung mit beiderseitigem Entgegenkommen akzeptieren.
Gab es in Deutschland Bischöfe mit explizit brauner Gesinnung?
Es gab keine braunen Bischöfe mit Parteibuch. Nicht einmal der umstrittene Feldbischof der Wehrmacht, Franz Justus Rarkowski, war überzeugter Nationalsozialist. Die überwiegende Mehrzahl der Bischöfe war nationalkonservativ eingestellt. In einem starken Deutschland sahen sie kein Problem. Die Weimarer Republik war für diese Konservativen durch die Regierungsbeteiligung der SPD ein rotes Tuch und damit nicht unbedingt wert, um jeden Preis verteidigt zu werden.
Das heißt, es gab von bischöflicher Seite zu Kriegsbeginn keine Stimmen, die Hitler gebremst hätten?
Nein, die gab es zu diesem Zeitpunkt noch nicht. Erst während des Krieges haben einzelne Bischöfe das Wort ergriffen.
Gab es denn während der Nazi-Herrschaft eine offizielle Linie der Katholischen Kirche in Deutschland?
Die Bischöfe haben zwölf Jahre lang um eine einheitliche Linie gerungen und sie nie wirklich gefunden. Es gab verschiedene Strömungen und Konzepte. Kardinal Bertram, der Erzbischof von Breslau, bevorzugte die Eingabepolitik. Er war bestimmend, weil er damals den Vorsitz der Deutschen Bischofskonferenz inne hatte. Seine Taktik bestand darin, Verfehlungen der Regierung mit juristischen Eingabeschreiben zu beantworten und nicht an die Öffentlichkeit zu gehen. Für die Nationalsozialisten zählte jedoch nur erwiesene Macht. Wir finden deshalb in den Akten viele Zeugnisse eines kirchlichen Widerstands. Doch nur wenig von diesem Widerstand drang über die Kanzeln oder die Medien in die breite Öffentlichkeit vor. Es hat lange gedauert, bis die deutschen Bischöfe erkannt haben, dass die von ihnen gewählte Strategie wirkungslos war.
Gab es nach dem Zweiten Weltkrieg eine selbstkritische Rückschau?
Zunächst nicht. Da ist die Kirche mit dem Mainstream der Adenauer-Zeit gegangen. Es gab in den 1950er Jahren eher die Tendenz zu sagen, lasst uns nicht zu sehr zurückschauen, sondern uns auf die Gegenwart und Zukunft konzentrieren, also auf den Aufbau. In den Bistümern war neben dem Wiederaufbau der zerstörten Städte die Eingliederung der Vertriebenen aus den an Polen verlorenen deutschen Ostgebieten die größte Herausforderung. Mit ihrer eigenen Geschichte während der NS-Zeit hat sich die Kirche nur sehr einseitig beschäftigt und dabei Wert auf die Feststellung gelegt, dass man die einzige moralische Institution sei, die den Nationalsozialismus schadlos überstanden hätte. Das war, wie wir heute wissen, eine viel zu einseitige Sichtweise.
In diesen Tagen finden viele Gedenkveranstaltungen statt, die an den Beginn des Zweiten Weltkrieges und den Angriff auf Polen vor 75 Jahren erinnern. Auch die Deutsche und die Polnische Bischofskonferenz betonen mit einer gemeinsamen Feier in Gleiwitz die Versöhnung von Deutschen und Polen nach einer Geschichte der Gewalt. Was bewirkt eine solche Initiative?
Es ist ein Zeichen und sicher auch wichtig und schön, aber ich würde es nicht überbewerten. Das ist für die jüngeren Menschen in Polen und Deutschland wahrscheinlich viel zu weit weg, als dass es lange nachwirken könnte. Da ist die Frage, "Wie fair oder unfair spielen deutsche und polnische Fußballspieler bei einem Freundschaftsspiel?" wahrscheinlich wesentlich wichtiger als die Frage: "Wie gehen die deutschen und die polnischen Bischöfe mit dem Kriegsbeginn um?". Gelungene Versöhnung würde sich zum Beispiel zeigen, wenn deutsche und polnische Fans aufeinander treffen, 90 Minuten lang ein spannendes Spiel erleben und anschließend gemeinsam feiern.
Dr. Bernd Heim ist Historiker und Autor des Buches "Braune Bischöfe für das Reich?“