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Politik

Heimat: Wie ein Begriff reanimiert wird

13. März 2018

Zuerst in Bayern, dann in Nordrhein-Westfalen und jetzt auch auf Bundesebene: ein Heimatministerium. Dahinter steckt eine Mischung aus Selbstbewusstsein, Sorgen und Hoffnungen.

Rothirsch (Cervus elaphus)
Bild: picture-alliance/dpa/C. Naumann

Wie definiert man Heimat? Die Frage hat gerade Hochkonjunktur, weil sich der künftige Bundesinnenminister Horst Seehofer auch mit der Amtsbezeichnung "Heimatminister" schmücken darf. Dass diese Kompetenzerweiterung ein gefundenes Fressen für Satiriker und Kabarettisten sein würde, war absehbar. Aber auch so heimatverbundene Politiker wie Baden-Württembergs Regierungschef Winfried Kretschmann machen sich lustig: "Das ist doch Polit-Kitsch", ätzt der Grüne. Und er fragt: "Ist Heimat nur dort, wo die Lerchen zwitschern und die Traktoren Gülle verspritzen?"

Natürlich nicht, das weiß auch Kretschmann. Und wenn er es genauer wissen will, kann er ja mal bei seinen Kollegen in Bayern und Nordrhein-Westfalen (NRW) nachfragen. Die haben in ihren Kabinetten nämlich schon längst Ressorts, in denen das Wörtchen "Heimat" vorkommt. Und es ist weit mehr als Wortgeklingel. In Bayern war es der jetzt von München nach Berlin wechselnde Seehofer persönlich, der das Finanzministerium mit den Bereichen "Digitalisierung" und eben "Heimat" aufwertete.

Gefühl der Heimatlosigkeit in globalisierten Zeiten

Spötter werden einwenden, dass seien nur andere Vokabeln für die Selbstvermarktung des Freistaats unter dem Motto "Laptop und Lederhose". Das wird die selbstbewussten Bayern indes völlig unbeeindruckt lassen, weil die Verknüpfung von Moderne und Tradition für sie kein Widerspruch ist. In der praktischen Politik ist es der Versuch, durch gezielte Investitionen in strukturschwache Regionen die Kluft zwischen großstädtischen und ländlichen Milieus zu verkleinern.

Modisch? Modern? Heimatverbunden? Alles auf einmal? Laptop, Lederhose und Dirndl sind jedenfalls kein Widerspruch Bild: picture-alliance/dpa/S. Puchner

Konkret geht es um Themen wie Breitband-Ausbau, Bahn-Strecken oder medizinische Versorgung - kurzum: alltägliche Dinge, an denen es landauf, landab mangelt. Im Zeitalter der Globalisierung mit seinen rasanten technischen Umbrüchen und weltweiten Migrationsbewegungen stellt sich anscheinend bei vielen Menschen ein Gefühl der Heimatlosigkeit ein.

Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier sprach unmittelbar nach seiner Wahl im Februar 2017 von "stürmischen Zeiten". In Deutschland seien viele verunsichert, die Welt scheine aus den Fugen. Und viele fragten: "Was ist eigentlich der Kitt - der Kitt, der unsere Gesellschaft im Kern zusammenhält?"

NRW-Heimatministerin: "Heimat grenzt nicht aus"

In Steinmeiers Herkunftsland Nordrhein-Westfalen versucht Heimatministerin Ina Scharrenbach (CDU) seit Sommer 2017 diese knifflige Frage zu beantworten. Für sie persönlich ist der Heimat-Begriff eine Konstante: Es sei die Stadt Unna im östlichen Ruhrgebiet, wo sie, ihre Familie und ihre Freunde herkämen. "Das war immer Heimat und ist immer Heimat", sagt die Christdemokratin im Gespräch mit der Deutschen Welle.

Nordrhein-Westfalens Heimatministerin Ina Scharrenbach (CDU): "Heimat schließt alles ein"Bild: StadtBauKultur NRW/Sebastian Becker

Politisch gäbe es bei einigen das Ansinnen, den Begriff in ausgrenzender Weise zu missbrauchen: "Aber Heimat grenzt nicht aus, Heimat schließt alles ein." Deshalb sage die Landesregierung in NRW sehr deutlich, Heimat sei für alle da. Jeder Mensch bringe sie mit sich, "egal, wohin er geht oder woher er kommt". Und das sei entscheidend, wenn man Heimat gestalten wolle. Um diesem Anspruch gerecht werden zu können, ist die 41-Jährige permanent zwischen Rhein und Ruhr unterwegs, um mit den Menschen ins Gespräch zu kommen.

Bayerischer Heimatpreis für "Breakdance in Lederhosen"

Ina Scharrenbach will sich ein möglichst breites Bild von den Sorgen und Nöten und damit von den Hoffnungen und Wünschen der rund 18 Millionen Einwohner ihres Bundeslandes machen. Und weil Heimat nach ihrer Überzeugung von unten wachsen müsse und nicht von oben angeordnet werden könne, lädt sie am 17. März zum ersten Heimat-Kongress in die Stadt des Westfälischen Friedens, der einst den 30-jährigen Krieg in Europa beendete, nach Münster. Mehr als 400 Teilnehmer, darunter viele ehrenamtlich Engagierte werden sich dann über ihre Erfahrungen austauschen.

Schöne Kulisse für den ersten Heimat-Kongress in Münster: das historische Rathaus am PrinzipalmarktBild: picture-alliance/dpa/F. Gentsch

In Bayern verleiht das zuständige Ministerium sogar einen - nach Regionen gegliederten - Heimatpreis. Anfang März wurden damit in Unterfranken der Fanfaren- und Spielmannszug Hofheim und das Krippenmuseum Glattbach ausgezeichnet. Unter den Prämierten war aber auch die ganz und gar nicht urbayrisch klingende "Dancefloor Destruction Crew" aus Schweinfurt. Den Heimatpreis erhielten die Breakdancer, weil sie "Botschafter unserer weltoffenen, traditionell modernen Heimat Bayern in der Welt" seien. Dabei würden sie auch mit bayerischer Tradition spielen. So werde mit "Breakdance in Lederhosen" der Schuhplattler auf eine etwas andere Art interpretiert…

Heimatbotschafter - eine bunte Gruppe

Das Beispiel aus Bayern zeigt, wie zeitgemäß und modern das Wort "Heimat" sein kann, wenn man dabei nicht nur an Heimat-Filme aus den 1950er Jahren denkt. Vielleicht kommt der künftige Bundesheimatminister Seehofer ja auf die Idee, einen deutschlandweiten Heimatpreis zu stiften. Er hätte alle Hände voll zu tun angesichts von 16 Bundesländern. Als Motto könnte er das der Islam-Wissenschaftlerin Lamya Kaddor übernehmen: "Heimat - ein Ort ohne Grenzen".

Die in Ahlen geborene Deutsch-Syrierin gehört zum Team der sogenannten Heimatbotschafter in Ina Scharrenbachs Ministerium - neben anderen Persönlichkeiten wie Sänger Heino, Fußballer Gerald Asamoah, Kabarettist Dieter Nuhr oder Kölns Oberbürgermeisterin Henriette Reker. Eine bunte Gruppe, die ganz unterschiedliche Antworten auf die Frage gibt, was Heimat bedeutet.

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