Helfer in Haiti stehen vor vielen Problemen
19. März 2010Ein Erdbeben der Stärke sieben. Mehr als 222.000 Tote. Über 311.000 Verletzte. Schäden in Höhe von 7,9 Milliarden Dollar (5,8 Milliarden Euro). Das ist die aktuelle, traurige Bilanz zur Katastrophe in Haiti. Die Zahlenkette ist jetzt um einen Nenner erweitert worden: 11,5 Milliarden Dollar (8,4 Milliarden Euro) - so viel wird der Wiederaufbau des Inselstaates vorläufig kosten. Das gab die haitianische Regierung am 17. März in Santo Domingo bekannt. Doch der Karibikstaat ist bitterarm und deshalb auf internationale Unterstützung angewiesen.
Hilfe aus Deutschland
In Deutschland haben die Helfer für Haiti sich unter anderem in dem Bündnis Entwicklung Hilft (BEH) formiert. Zur gleichen Zeit, als die Schätzungen zum Wiederaufbau bekannt wurden, diskutierten in Berlin BEH-Vertreter mit Experten Maßnahmen für einen nachhaltigen Wiederaufbau des Landes. 40 Millionen Euro Spendengelder für Haiti haben die Bündnismitglieder Brot für die Welt, medico international, Misereor, terre des hommes und die Welthungerhilfe bereits eingeworben.
Derweil läuft zwei Monate nach der Katastrophe in dem Karibikstaat weiterhin die Nothilfe. Dabei stoßen Helfer immer noch auf Probleme, wie Peter Mucke, der Geschäftsführer des Bündnisses, berichtet: "Es werden für die Regenzeit dringend weitere Notunterkünfte, also stabile Zelte gebraucht. Benötigt wird auch mehr Saatgut. Viele Flüchtlinge sind aus den Städten aufs Land gekommen. Sie alle müssen ernährt werden. Und zahlreiche Brunnen müssen neu ausgerichtet werden, weil sie beim Beben verschoben wurden."
Von der Katastrophen- zur Entwicklungshilfe
Vor Ort hilft auch die Christoffel-Blindenmission (CBM). Sie ist ein Partner vom BEH und engagiert sich vor allem in der Behindertenhilfe. Denn nach dem Beben müssen viele Opfer mit Prothesen leben. Das Leben der behinderten Haitianer möglichst barrierefrei zu gestalten, das ist Teil der langfristigen Planungen des BEH genauso wie Bildung gegen Armut und die Förderung der Geschlechtergerechtigkeit. Bis dahin ist es jedoch noch ein weiter Weg. Das weiß auch Svenja Koch. "In einem Land, in dem es nichts gibt, kann kaum etwas voran gehen", erläutert die Pressesprecherin des Deutschen Roten Kreuzes.
Das DRK engagiert sich gemeinsam mit anderen Organisationen im Aktionsbündnis Katastrophenhilfe vor allem in der akuten Notfallversorgung. Dem Bündnis gehören auch die Diakonie Katastrophenhilfe, Caritas international und das Kinderhilfswerk UNICEF an. Neben der Nothilfe hat das DRK einen langfristigen Plan aufgestellt. "Bis Mitte Februar hatten wir 18 Millionen Euro eingenommen. An diesem Punkt haben wir gesagt, damit werden wir jetzt planen." Bis Mitte März sind die Einnahmen des DRK noch einmal auf 24 Millionen Euro angewachsen. Zwei Drittel des Geldes sollen in den nächsten fünf Jahren in medizinische Projekte fließen, so sieht es der DRK-Langfristplan vor. Denn die Opferzahlen zeigen, dass die medizinische Versorgung in dem Karibikstaat schon vor der Katastrophe unzureichend war.
Krankenversorgung im Fußballstadion
In der Region Carrefour dient ein mobiles Rotkreuz-Hospital in einem Fußballstadion als Feldhospital. Es ist zu einer wichtigen Anlaufstelle für Kranke und Verletzte geworden. 70 DRK-Helfer versorgen dort noch immer Wunden, aber auch Krankheitsbilder wie Tuberkulose und Malaria. Vor der Regenzeit müssen die rund 20 Zelte des Lagers wetterfest gemacht werden. Es droht zudem Seuchengefahr. Spätestens bis August sollte das provisorische Krankenhaus in eine nahegelegene Sporthalle umziehen. Denn dann haben tropische Wirbelstürme Saison. Aber: "Bis jetzt sieht es nicht so aus, als würde die Krankenstation umgesiedelt werden. In der Turnhalle sind hunderte Flüchtlinge untergekommen, die keine Unterkunft haben", sagt Koch.
1,3 Millionen Obdachlose gibt es Schätzungen zufolge auf Haiti. "Die Regierung muss Land bereitstellen", fordert die DRK-Sprecherin. Erst dann können die Organisationen mit dem Bau erdbebensicherer Häuser beginnen. Doch es gibt kein Grundbuchsystem. Auf Haiti scheitert der Fortschritt nicht an der Bürokratie, sondern an ihrem Nichtvorhandensein. "Zu Bauen, ohne die Eigentumsfrage zu klären, das wäre ein echter Anfängerfehler", meint auch Peter Mucke. Die Helfer können keine vollendeten Tatsachen schaffen. Im schlimmsten Fall würden die Häuser abgerissen und damit ein Großteil der Spendengelder verschwendet werden.
Die Helfer wagen keine Prognose, wie viel der Wiederaufbau wirklich kosten wird und ob die Schätzungen der Regierung über elf Milliarden Dollar realistisch sind. Sie wissen nur, dass die Haiti-Hilfe derzeit höchstens ein Trostpflaster auf einer klaffenden Wunde ist.
Autor: Stefanie Zießnitz (dpa, epd)
Redaktion: Martin Schrader