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Politik

Zwischen den Fronten

Dennis Stute30. August 2012

Die humanitäre Situation in Syrien ist katastrophal. Dennoch wird die Arbeit von Hilfsorganisationen durch die Konfliktparteien behindert; Helfer riskieren ihr Leben. Nun widmet sich der UN-Sicherheitsrat dem Thema.

Mitarbeiter des Roten Halbmondes laden im Juli in Damaksus Lebensmittel-Säcke ab (Foto: dpa)
Mitarbeiter des Roten Halbmondes laden im Juli in Damaksus Lebensmittel-Säcke abBild: AFP/Getty Images

Der deutlich sichtbare Halbmond an seiner roten Uniform konnte ihn nicht schützen. Bei einem Einsatz in der umkämpften syrischen Provinz Deir Ezzor wurde der 23-jährige Rettungshelfer Bashar al-Youssef erschossen. Seit Beginn der Kämpfe hat der Rote Halbmond fünf Mitarbeiter verloren - von wem sie getötet wurden, kam in keinem Fall ans Licht.

Krankenwagen des Roten Halbmonds im Februar in HomsBild: picture-alliance/dpa

Trotz der Gefahren ist der syrische Ableger des Roten Kreuzes auch in Kampfgebieten wie der Wirtschaftsmetropole Aleppo aktiv. Dort versorgen die Mitarbeiter beispielsweise tausende Flüchtlinge, die in Schulen untergebracht sind. Doch bestimmte Einsätze sind inzwischen unmöglich. "Der Rote Halbmond konnte in den vergangenen Wochen keine Erste Hilfe in Aleppo leisten, obwohl das extrem wichtig wäre", sagt Hicham Hassan, Sprecher des Internationalen Komitees vom Roten Kreuz (IKRK) in Genf. Es sei schlicht zu gefährlich, ohne Vorplanung mit dem Krankenwagen durch die Stadt zu fahren.

Anschwellender Flüchtlingsstrom

Wie schwierig die Arbeit der Helfer ist, zeigen Zahlen des Welternährungsprogramms (WFP) der Vereinten Nationen. Im Juli hätten 850.000 Menschen Essensrationen erhalten sollen, doch durch die anhaltenden Kämpfe konnten nur 541.000 erreicht werden. "Die Situation ändert sich von Tag zu Tag", sagt die WFP-Sprecherin Abeer Etefa. "Gegenwärtig haben wir leider Schwierigkeiten - auch deshalb, weil es sehr schwer ist, Lastwagenfahrer davon zu überzeugen, in bestimmte Gegenden zu fahren."

Syrische Kinder in einem jordanischen FlüchtlingslagerBild: picture-alliance/dpa

Dabei wird die Hilfe dringend gebraucht. Der Flüchtlingsstrom in die Nachbarstaaten, wo schon jetzt mehr als 200.000 Menschen Schutz gesucht haben, nimmt derzeit massiv zu. Meist führt die Flucht die Familien zunächst nur in einen anderen Stadtteil, später in einen anderen Ort, berichten Helfer; der Gang über die Grenze ist dann der letzte verzweifelte Schritt. Nach UN-Schätzungen sind in Syrien 1,5 Millionen Menschen auf der Flucht. Die Lage verschärft sich seit Monaten. Musste das WFP im Oktober vergangenen Jahres noch 50.000 Essensrationen in Syrien verteilen lassen, sollen es jetzt im September 1,5 Millionen werden. Zu den direkten Kriegsfolgen kommen die indirekten: So liegt die Pharma-Industrie, die vor dem Krieg 90 Prozent der Medikamente für den syrischen Markt produzierte, in großen Teilen brach. Auch in anderen Bereichen, etwa der Landwirtschaft, erschweren Produktionsrückgänge die Versorgung der Bevölkerung.

"Zugang für humanitäre Hilfe"

Interview: Assad gibt sich entschlossen

01:29

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"Syrien braucht alle internationale Hilfe, die es bekommen kann", meint Omar Hallaj, Geschäftsführer des "Syria Trust for Development". Die Organisation kümmert sich unter anderem im kleinen Maßstab um die Unterbringung und Vorsorgung von Flüchtlingen, Vorsitzende ist Asma al-Assad, die Ehefrau des syrischen Präsidenten. "Den meisten Organisationen fällt es aber wegen unzureichender Informationen zur Sicherheitslage vor Ort und mangelnder Koordination schwer, effektiv in Syrien zu arbeiten", so Hallaj. Hinzu komme ein gegenseitiges Misstrauen zwischen internationalen Organisationen und der Regierung.

Kämpfer der Rebellenarmee Mitte August in AleppoBild: Reuters

Wie das IKRK vermeidet auch Asma al-Assads Hilfsorganisation Schuldzuweisungen. "In einigen Fällen nehmen die Kommandeure Rücksicht auf die humanitäre Situation, in einigen anderen Fällen tun sie dies nicht. In wieder anderen Fällen haben Interessengruppen die Zivilbevölkerung als Propaganda-Instrument benutzt", so der Geschäftsführer Hallaj. "Es gibt in allen Lagern Leute, die die humanitäre Lage missbrauchen."

Am Donnerstag (30.08.2012) will sich der UN-Sicherheitsrat mit der Situation befassen. Auf der Sitzung wird auch Deutschland als nichtständiges Mitglied vertreten sein. "Schon seit Beginn der Kämpfe fordern wir vom Assad-Regime und von der Opposition einen umfassenden Zugang für humanitäre Hilfe", sagt ein Sprecher des deutschen Außenministeriums. "Das könnte so aussehen, dass die Konfliktparteien für bestimmte Zeiträume eine tägliche Waffenruhe einhalten." Die Bundesregierung hofft, dass vom Sicherheitsrat ein klares Signal zum Schutz der Zivilbevölkerung ausgehen wird.

Hoffen auf Einsicht

Dass sich der Sicherheitsrat auf eine entsprechende Resolution einigen wird, gilt jedoch als ausgeschlossen. China und Russland haben bislang alle bindenden Beschlüsse verhindert, die den Druck auf die Assad-Regierung verstärken könnten. Denkbar erscheint derzeit allenfalls eine gemeinsame Presseerklärung oder eine Erklärung des französischen Vorsitzes - die von den Konfliktparteien folgenlos ignoriert werden könnte.

Ein Kampfhubschrauber der syrischen Armee über AleppoBild: Reuters

An die Einsicht von Regierungs- und Rebellenarmee appellieren die Hilfsorganisationen schon jetzt - mit mäßigem Erfolg. "Wir haben mehrfach grünes Licht bekommen, in verschiedene Gegenden zu gehen und dort zu helfen, aber die Kämpfe gingen dann trotzdem weiter", sagt Hicham Hassan vom IKRK. Immerhin gelang es in einem Fall, an zwei Tagen eine zeitweilige Waffenruhe in der ostsyrischen Stadt Duma zu vereinbaren, um den Mitarbeitern des Roten Halbmondes die Arbeit zu ermöglichen. Das blieb jedoch die Ausnahme, sagt Hassan: "Wir haben das in zwei weiteren Fällen versucht. Beide Male hat es nicht funktioniert."

Dennis Stute

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