Helle Empörung über Steuerflüchtlinge
5. April 2013Parteien und Gewerkschaften haben harte Strafen für enttarnte Steuerflüchtlinge verlangt, die ihr Geld vor dem Fiskus auf Finanzplätzen wie den Cayman-Inseln (Artikelbild) anlegen. DGB-Vorstandsmitglied Claus Matecki verlangte, die bekannt gewordenen Daten müssten umgehend den Steuerbehörden übergeben werden - und rannte damit offene Türen bei der Bundesregierung ein.
Finanzminister Wolfgang Schäuble sagte im Deutschlandfunk, er "freue sich" über die Veröffentlichungen und hoffe, dass die neuen Veröffentlichungen dazu beitragen würden, den Druck auf die Steueroasen zu erhöhen. Das Bekanntwerden von Details über die Verschiebung von Geld in Steueroasen könnte auch in Ländern, die bisher beim Informationsaustausch in Steuerdingen zögerlich sind, die Bereitschaft zur Kooperation stärken, sagte er. Finanzstaatssekretär Steffen Kampeter forderte in dem Zusammenhang mehr Kompetenzen für den Bund. Deutschland benötige eine einheitliche Strafverfolgung von Steuersündern, eine Art "FBI gegen internationale Steuerhinterziehung", sagte Kampeter im deutschen Fernsehen. Dazu müssten allerdings die Bundesländer auf einenTeil ihrer Kompetenzen verzichten.
Die Affäre um Finanzgeschäfte vermögender Privatkunden in Steueroasen alarmierte auch die deutsche Finanzaufsicht BaFin. Wenn die Behörde Anhaltspunkte habe, "dass ein Institut systematisch gegen Steuerrecht verstößt oder dabei hilft, werden wir dies bankaufsichtlich untersuchen", sagte BaFin-Chefin Elke König dem Online-Portal "Spiegel Online". "Die Banken tragen da eine besondere Verantwortung."
Die Debatte über Steuerhinterziehung wurde ausgelöst durch umfangreiches Material über geheime Geschäfte in Steueroasen, das an mehrere internationale Medien gelangt ist. Eine anonyme Quelle habe einen Datensatz mit 2,5 Millionen Dokumenten zugänglich gemacht, berichteten in Deutschland die "Süddeutsche Zeitung" SZ und der Norddeutsche Rundfunk NDR. In 46 Staaten sind zahlreiche Medien damit beschäftigt, die riesige Datenmenge auszuwerten, die inzwischen als "OffshoreLeaks" bekannt geworden ist. In den Unterlagen sollen 130.000 Steuerflüchtlinge aus mehr als 170 Ländern aufgelistet sein, darunter auch hunderte deutsche Fälle. Als einziger deutscher Name war am Donnerstag der 2011 verstorbene Industriellenerbe Gunter Sachs genannt worden. Die Daten zeigen, wie Briefkastenfirmen in Steueroasen genutzt werden, um große Privatvermögen vor den Finanzbehörden zu verstecken.
Daten an den Staatsanwalt?
Das Bundesfinanzministerium erklärte, man gehe davon aus, dass die "relevanten Unterlagen an die zuständigen Steuerbehörden der Länder übermittelt werden, damit diese zügig ihre Ermittlungen aufnehmen können". Auch der stellvertretende Vorsitzende der Unionsfraktion, Michael Meister forderte, die belastenden Unterlagen schnell an die Strafverfolgungsbehörden zu übergeben.
SPD-Kanzlerkandidat Peer Steinbrück forderte nach den Berichten eine härtere Gangart gegen die Täter. Steueroasen "untergraben das Vertrauen in den Rechtsstaat und gefährden den Zusammenhalt unserer Gesellschaft", sagte er. Auch Banken, die dabei mitwirkten, müssten härter bestraft werden - bis hin zum Lizenzentzug.
Das größte Geldhaus der Bundesrepublik, die Deutsche Bank, wies Anschuldigungen zurück, in die schwarzen Geschäfte verwickelt zu sein. "Die Deutsche Bank bietet Dienstleistungen für vermögende Kunden auf der Grundlage an, dass die Kunden ihre Steuerangelegenheiten vollumfänglich regeln und dabei alle Steuergesetze und Meldeverpflichtungen befolgen", hieß es in einer Erklärung. Die SZ und der NDR hatten unter Berufung auf die Daten geschrieben, dass die Bank über ihre Filiale in Singapur mehr als 300 Trusts und Briefkastenfirmen in Steueroasen gegründet habe, größtenteils auf den Jungferninseln.
Bankenpräsident weist Mitverantwortung zurück
Die Staatsanwaltschaften in Bochum und Düsseldorf, die schon länger Steuersünder jagen, sehen bisher keinen Anlass für neue Ermittlungen. Und der Präsident des Bundesverbandes deutscher Banken, Andreas Schmitz, wies eine Mitverantwortung der Geldinstitute zurück. "In erster Linie sind es Privatpersonen und Organisationen, die ihr Geld in den Steueroasen anlegen", sagte er in mehreren Zeitungsinterviews. Die Banken könnten die Steuerehrlichkeit der Kunden bei solchen Transaktionen nicht überprüfen, weil ihnen die Befugnisse dazu fehlten.
Der Chef der Steuergewerkschaft, Thomas Eigenthaler, verlangte angesichts der Enthüllungen mehr Betriebsprüfer. Eigenthaler sagte, die Flucht in Steueroasen könne nur mit Betriebsprüfungen verhindert werden, und dafür sei mehr Personal notwendig. Das Gesamtvolumen deutscher Steuerhinterziehung schätzte er auf 400 Milliarden Euro. Auch die Europäische Kommission in Brüssel meldete sich zu Wort. Sie forderte die Mitgliedsstaaten auf, das gemeinsame Vorgehen gegen Steuerhinterziehung zu verbessern. Nach Berechnungen der EU geht den Mitgliedsländern durch Steuerhinterziehung jährlich eine Billion Euro verloren.
mm/sti (dpa, afp)