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Helmpflicht gilt auch für Sikh auf Motorrad

4. Juli 2019

Die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts beendet einen Prozessweg, den ein Sikh in Konstanz beschritten hatte. Er wollte wegen des - für Anhänger seiner Religion typischen - Turbans keinen Motorradhelm tragen.

Eine Sikh-Familie in Indien beim Motorradfahren (Foto: picture alliance/Yvan Travert/akg-images)
Eine Sikh-Familie in Indien beim Motorradfahren Bild: picture alliance/Yvan Travert/akg-images

Motorradfahrer können aus religiösen Gründen nicht grundsätzlich von der Helmpflicht befreit werden. Das hat das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig entschieden. Die Helmpflicht solle nämlich nicht nur den Fahrer, sondern auch andere schützen. Geklagt hatte ein Turban tragender Anhänger der Sikh-Religion, der Motorrad fährt. Begründung: Über seinen Turban passe kein Motorradhelm.

Glaubensfreiheit contra Recht auf Unversehrtheit

Die Vorsitzende Richterin in Leipzig, Renate Philipp, verwies auf eine vorgehende Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg: Fahrer mit Helm seien eher in der Lage, nach einem Unfall Erste Hilfe zu leisten oder Rettungskräfte zu rufen. "Eine Helmpflicht macht man, weil wir diese schweren Unfälle nicht wollen", sagte Philipp. Außerdem könnten Ärzte und Pfleger an einer Unfallstelle durch die schweren oder gar tödlichen Verletzungen, die ohne einen Schutzhelm wahrscheinlicher sind, traumatisiert werden.

Renate Philipp, die Vorsitzende Richterin am Bundesverwaltungsgericht in Leipzig Bild: picture-alliance/dpa/S. Willnow

Die Stadt Konstanz hatte dem Sikh - er betreibt laut Internetseite ein Yoga-Studio - 2013 eine Ausnahmeregelung verweigert. Daraufhin klagte der Mann. In den Vorinstanzen unterlag er. Die Glaubensfreiheit kollidiere mit dem Grundrecht Dritter auf psychische und physische Unversehrtheit, befand der Verwaltungsgerichtshof. Außerdem sei der Sikh-Anhänger nicht unbedingt auf sein Motorrad angewiesen, weil er auch einen Autoführerschein besitze und einen Lieferwagen fahre. Allerdings sei die Ermessenspraxis der Stadt Konstanz fehlerhaft gewesen. Der Verwaltungsgerichtshof hatte die Stadt daher verpflichtet, erneut über den Antrag zu entscheiden. Dem Sikh-Anhänger genügte das allerdings nicht: Er legte Revision ein, um die Stadt zu einer Ausnahmegenehmigung zu verpflichten.

In Großbritannien von Helmpflicht ausgenommen

In Großbritannien leben deutlich mehr Anhänger der Sikh-Religion als in Deutschland. Dort sind sie schon seit 1988 von der Helmpflicht ausgenommen, wenn sie beim Motorradfahren einen Turban tragen. Das gilt auch für Baustellen und andere Arbeitsplätze. Einen Helm müssen sie nur tragen, wenn eine erhöhte Gefahr herrscht, zum Beispiel für Feuerwehrleute in einem brennenden Gebäude. Laut Statistikbehörde lebten im Vorjahr knapp 405.000 Sikh-Anhänger in Großbritannien.

In Deutschland gibt es nach Einschätzung des Religionswissenschaftlers und Sikh-Experten Robert Stephanus zwischen 18.000 und 20.000 Anhänger der Religion, von denen aber nicht alle getauft seien. Etwa 40 Sikh-Tempel gebe es im Bundesgebiet. Die Sikhs sind eine vorwiegend in Indien verbreitete Religionsgemeinschaft, die sich im 15. Jahrhundert vom Hinduismus abspaltete. Die Männer tragen oft einen Turban und dürfen sich zeitlebens ihre Haare nicht schneiden. In Indien leben etwa 21 Millionen Sikhs.

Keine Probleme mit Kippa und Kopftuch

Auswirkungen auf Träger anderer religiöser Kennzeichen hat das Urteil wahrscheinlich nicht, wie eine Sprecherin des Bundesverwaltungsgerichts betonte. Ein Kopftuch oder eine Kippa schlössen einen Motorradhelm anders als der Turban nicht aus, so die Sprecherin.

sti/uh (afp, dpa, epd, kna)