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Helmut Kohl: Berliner Straße für den Kanzler der Einheit

2. Oktober 2025

Der Christdemokrat Helmut Kohl gilt als Architekt der deutschen Vereinigung, aber sein Name fehlt im Straßenbild der Hauptstadt. Das soll sich ändern. Ehrenbürger von Berlin ist Kohl schon lange.

"Helmut-Kohl-Allee" steht in schwarzer Schrift auf einem weißen, rechteckigen Straßenschild in Bonn. Darunter sind auf einem gleichartigen Schild Informationen zur Person angegeben: "Dr. Helmut Kohl (1930-2017). Bundeskanzler der Bundesrepublik Deutschland von 1982 bis 1998 und Ehrenbürger Europas"
In Bonn gibt es schon seit 2019 eine Helmut-Kohl-Allee; in der deutschen Hauptstadt Berlin wird es bald so weit seinBild: Thomas Banneyer/dpa/picture alliance

"Wir nehmen Gespräche mit den Bezirken auf mit dem Ziel, eine repräsentative Straße bzw. einen Platz nach Helmut Kohl zu benennen." Dieser schmucklose Satz steht im Koalitionsvertrag der seit April 2023 regierenden Christdemokraten (CDU) und Sozialdemokraten (SPD) im Stadtstaat Berlin. Eine Begründung für ihre Absichtserklärung fehlt in dem Dokument.

"Es ist eine große Ehre für einen großen Mann"

Rund zweieinhalb Jahre später hat Berlins Regierender Bürgermeister Kai Wegner (CDU) offiziell verkündet, wo genau in der deutschen Hauptstadt der von 1982 bis 1998 amtierende Bundeskanzler Helmut Kohl (CDU) geehrt werden soll: an der zentral gelegenen Hofjägerallee. "Es ist eine große Straße für einen großen Mann, dem wir viel zu verdanken haben", begründete Wegner nachträglich die nun auf den Weg gebrachte Umbenennung.

Helmut Kohl - Deutscher Patriot und Europäer

07:38

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Der 2017 im Alter von 87 Jahren verstorbene Kohl gilt als entscheidender Architekt der Deutschen Einheit vom 3. Oktober 1990. Keine drei Wochen nach dem Fall der Berliner Mauer am 9. November 1989 präsentierte er im Deutschen Bundestag seinen Zehn-Punkte-Plan, mit dem das seit 1949 in Ost und West geteilte Land wiedervereinigt werden sollte.

Diesen Wunsch teilte die Mehrheit der deutschen Bevölkerung. Aber um ihn zu erfüllen, mussten auch die Siegermächte des Zweiten Weltkriegs überzeugt werden: USA, Großbritannien, Frankreich, Sowjetunion

Kohl mit gutem Draht zum Reformkommunisten Gorbatschow

Dem Historiker Kohl gelang es in kurzer Zeit, weit verbreitete Vorbehalte gegen die Wiedervereinigung auszuräumen. Sein Meisterstück bestand darin, in persönlichen Gesprächen mit dem Reformkommunisten Michail Gorbatschow die Zustimmung aus dem Kreml zu bekommen. Sie war Voraussetzung für die erfolgreichen Verhandlungen zwischen den beiden deutschen Staaten und den Alliierten, die Nazi-Deutschland im Mai 1945 nach sechs Jahren Weltkrieg zur bedingungslosen Kapitulation gezwungen hatten.

Beste Beziehungen im Juli 1990: Der deutsche Bundeskanzler Helmut Kohl (li.) zu Besuch beim sowjetischen Staatspräsidenten Michail Gorbatschow - der überreicht ihm Blumen, die seine Frau Raissa gepflückt hatBild: dpa/picture-alliance

Der sogenannte Zwei-plus-Vier-Vertrag wurde am 12. September 1990 in Moskau unterschrieben, 21 Tage danach feierte Deutschland seine Wiedervereinigung. Berlin, seit 1961 durch eine Mauer getrennt, wurde wieder Hauptstadt aller Deutschen. Und Helmut Kohl erhielt für seine Verdienste am dritten Jahrestag des Mauerfalls die Ehrenbürgerwürde.

Tiefer Fall: die CDU-Spendenaffäre

Eine öffentlich sichtbare Würdigung des Politikers fehlt aber noch immer. Ein wesentlicher Grund für die Zurückhaltung dürfte darin liegen, dass 1999 ein dunkler Schatten auf das politische Lebenswerk Kohls fiel: Enthüllungen über die maßgeblich von ihm selbst zu verantwortende illegale CDU-Spendenaffäre. Strafrechtlichen Ermittlungen und Medienberichten zufolge hatte die Partei spätestens seit den 1980er Jahren sogenannte schwarze Konten in der Schweiz geführt.

Bundeskanzler Helmut Kohl im Jahr 1995 während einer Rede im Deutschen Bundestag, der damals noch in Bonn residierte Bild: dpa/picture alliance

Nach anfänglichem Leugnen bestätigte Kohl die Vorwürfe im Kern und übernahm die politische Verantwortung für Fehler bei den CDU-Finanzen während seiner Amtszeit. Er räumte ein, umgerechnet knapp 1,1 Millionen Euro verdeckter und damit illegaler Parteispenden an den Kassenbüchern seiner Partei vorbei angenommen zu haben. Die Gelder sind vor der Umstellung auf die europäische Gemeinschaftswährung Euro im damals gültigen Zahlungsmittel, der Deutschen Mark (DM), geflossen. 

Die Namen der Spender nahm Kohl mit ins Grab

Zwar kursierten zahlreiche Namen mutmaßlicher Spender, darunter Privatpersonen und Unternehmen, aber Kohl selbst schwieg dazu bis an sein Lebensende. Begründung: Er habe ihnen sein Ehrenwort gegeben, ihre Namen nicht zu nennen. Eines Verstoßes gegen die Rechtsordnung oder gegen die Verfassung fühle er sich dabei nicht schuldig. Das Landgericht Bonn stellte sein gegen den ehemaligen deutschen Regierungschef geführtes Ermittlungsverfahren im Jahr 2001 ein. Er musste aber eine Geldbuße von umgerechnet rund 153.000 Euro zahlen.

Angela Merkel (l.) wurde auf dem CDU-Parteitag 1991 in Dresden zur Stellvertreterin von Helmut Kohl gewählt, 2000 übernahm sie den Parteivorsitz Bild: Michael Jung/dpa/picture alliance

Die CDU, deren Vorsitzender Kohl von 1973 bis 1998 gewesen war, distanzierte sich von ihm. Zwei Jahre später verzichtete er auf das Amt des Ehrenvorsitzenden. Seine politische Karriere endete 2002 als einfacher Bundestagsabgeordneter. Das unrühmliche Ende der Ära war zugleich der Beginn des Aufstiegs der nächsten CDU-Bundeskanzlerin Angela Merkel. Ihre Amtszeit dauerte genauso lange wie die ihres Vorgängers: 16 Jahre - von 2005 bis 2021.

Angela Merkel wurde von Helmut Kohl gefördert                    

Merkel verließ die politische Bühne vier Jahre nach dem Tod ihres größten Förderers. Kohl hatte sie als 36-Jährige 1991 zur Ministerin für Frauen und Jugend in sein Kabinett berufen. Erst jetzt - 35 Jahre nach der Deutschen Einheit - ist in Berlin die Zeit reif für eine Helmut-Kohl-Allee. Die Umbenennung dürfte im Unterschied zu anderen Fällen unproblematisch sein, weil an der rund 420 Meter langen Hofjägerallee niemand wohnt. Damit sind Klagen ausgeschlossen, weil dieses Recht einem Gerichtsurteil zufolge ausschließlich Anrainern vorbehalten ist.

20 Jahre Einheit - Helmut und Angela - eine deutsch, deutsche Geschichte # 23.12.2010 # Politik direkt

04:34

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Ob Kohl mit der Lage der künftig nach ihm benannten Straße zufrieden wäre, darüber lässt sich nur spekulieren. Vieles spricht dafür, denn sie mündet in den Großen Stern, dem am Rande des Regierungsviertels gelegenen zentralen Platz im Berliner Tiergarten. Auf der Mittelinsel befindet sich die 67 hohe Siegessäule aus dem 19. Jahrhundert, gekrönt von der vergoldeten Figur der Viktoria.

In Sichtweite: Siegessäule und Brandenburger Tor 

Das Bauwerk zählt zu Deutschlands bedeutendsten Nationaldenkmälern und erinnert an die sogenannten Einigungskriege, die 1871 zur Gründung des Deutschen Reichs führten. All das, so scheint es, passt zum promovierten Historiker Kohl. Zumal auch die vier von der Siegessäule abgehenden mehrspurigen Straßen jede Menge Geschichte zu bieten haben. Das gilt ganz besonders beim Blick in Richtung Osten: Dort steht das Brandenburger Tor und damit das wichtigste Symbol der Deutschen Einheit.

Die Siegessäule im Berliner Ortsteil Tiergarten steht in der Mitte des kreisförmigen Großen Sterns, von dem auch die künftige Helmut-Kohl-Allee abgehtBild: elxeneize/Zoonar/picture alliance

Wer am Ende der künftigen Helmut-Kohl-Allee ein paar hundert Meter weiter südlich entlang flaniert, kann neben internationalen Botschaftsgebäuden auch die nach dem ersten deutschen Bundeskanzler Konrad Adenauer benannte CDU-Parteizentrale sehen. Auch das passt also bestens ins Bild.

Die Adresse der CDU-Parteizentrale erinnert an einen SPD-Politiker

Wobei es dem so spät geehrten Christdemokraten und Kanzler der Deutschen Einheit wohl noch besser gefallen hätte, wenn auch der Straßenabschnitt dort nach ihm benannt worden wäre. Aber hier wird seit 1961 an Gustav Klingelhöfer erinnert. Dieser Mann war kein Konservativer wie Kohl sondern Sozialdemokrat.

Marcel Fürstenau Autor und Reporter für Politik & Zeitgeschichte - Schwerpunkt: Deutschland