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"Bilder machen Politik"

30. Juni 2017

Es gibt viele Fotos von ihm, die sich ins kollektive Gedächtnis eingebrannt haben. Kohl in Verdun, Kohl im Kreise seiner Familie. Welches Gesamtbild sie erzeugen, erklärt der Kunsthistoriker Klaus Honnef im DW-Interview.

Helmut Kohl Bad in der Menschenmenge
Bild: Picture-alliance/dpa/H. Hollemann

Deutsche Welle: Wie gut kannten Sie Helmut Kohl?

Klaus Honnef: Gut nicht. Ich habe ihn mal kennengelernt, als meine Frau und ich noch zu den Kunstausstellungen im Bundeskanzleramt eingeladen waren, die Helmut Schmidt begründet hatte. Er erschien etwas später, kam eine Treppe herunter. Aber in dem Moment, als ich ihn erblickte, starben in meinem Gehirn alle Kohl-Witze, die ich damals parat hatte: Ich hatte noch nie solch einen wandelnden, menschlichen Eisblock wahrgenommen. Ich hatte ihn mir auch nicht so riesig vorgestellt, wie er tatsächlich war.

Versöhnende Geste: Kohl und Frankreichs Staatspräsident Mitterand in VerdunBild: ullstein bild/Sven Simon

Wenn Sie die Fotos von Kohl Revue passieren lassen, welches Bild gewinnen Sie dann von dem verstorbenen Altkanzler?

Die meisten Bilder, die sich in meinem Gedächtnis eingegraben haben, spiegeln exakt die Figur, die ich dann leibhaftig sah. Seine Kälte, aber auch seine Fähigkeit, die Leute in den Blick zu nehmen, zu mustern. Und auch eine große Überlegenheit, die er nicht zuletzt durch seinen Körper ausstrahlte.

Nehmen wir das Foto von Kohl und Mitterand am Schlachtfeld von Verdun. Eine Inszenierung?

Natürlich war das eine Inszenierung. Ich bin überzeugt, dass nahezu alle Bilder von Politikern heutzutage inszeniert sind. Sie inszenieren sich selber. Obwohl dieses berühmte Bild nicht auf die Autorenschaft von Helmut Kohl zurückzuführen ist, sondern auf die von Mitterrand, der ja ebenfalls ein brillanter Performer in den öffentlichen Medien war.

Auf jeden Fall eine starke Geste und stark in Szene gesetzt….

Auch Helmut Kohl war ein brillanter Performer. Seit der Zeit Willy Brandts haben Politiker gelernt, sich so zu bewegen, als würden sie ständig von Kameras belauert. Sie haben Qualitäten entwickelt, die sonst nur große Schauspieler haben.

Deutsches Familienidyll: Kohl in der Rolle des fürsorglichen FamilienvatersBild: imago/Sven Simon

Oder das Foto Kohls mit Hannelore und seinen beiden Söhnen. Eine ideale deutsche Familie. Hat Kohl es damit geschafft, seine politischen Wertvorstellungen auszudrücken?

Ja, auch. Wie wir inzwischen wissen, war das mit dem Familienglück ja nicht so weit her, wie das Bild suggeriert. Aber jedes Bild, das in der Öffentlichkeit zirkuliert und von den Abgebildeten lanciert wird, hat eine gewisse Symbolkraft. Bilder machen Politik - viel mehr als Entscheidungen. Ein solches Bild, das Familienglück zeigt, einen guten Familienvater, korrespondiert mit den Bildern der Macht, die viele andere Bilder von Helmut Kohl zeigen. Das gehört zum Gesamtbild. Einen kalten, machtvollen Politiker möchte man ja auch nicht haben. Er sollte schon etwas Menschliches mitbringen, eben die Wärme eines Familienvaters.

Traditionsbewusst: Kohl vor einem riesigen Adenauer-Porträt Bild: Getty Images/Hulton Archive

Es gibt dann noch unzählige Porträts. Wie wollte Kohl da wirken?

Immer als erfolgreicher Politiker. Eines der besten Porträts ist das von Helmut Newton, das er im Garten des Bonner Kanzleramtes gemacht hat: Helmut Kohl vor der Eiche. Das ist ein Bild, das beider Einverständnis symbolisiert. Der Blick des Fotografen traf sich mit dem des Kanzlers. Das ist ein Staatsporträt. Aber es ist auch ein künstlerisches Porträt, weil es sich nicht für Amtsstuben eignet.

Mit welchen Mitteln entsteht so eine Inszenierung?

Ein guter Fotograf hat ein Gespür für gute Situationen, er ist ein sehr geduldiger Beobachter. Der Bonner Fotograf Jupp Darchinger etwa, der die Schmidt-Ära fotografisch begleitet hat, hat mit seinen Bildern ebenso Politik gemacht. Er hat erkannt, wo sich eine Erwartungshaltung des Publikums mit einer Strategie des Porträtierten deckt, der ja politische Ziele im Auge hat, die er durchsetzen will.

Würden Sie sagen, Kohl war ein Meister der medialen Inszenierung, der souverän auf der Klaviatur der Selbstdarstellung gespielt hat?

Unbedingt!

Kunsthistoriker und "Fotografie-Papst" Klaus HonnefBild: Imago/R. Zensen

Die Trauerfeierlichkeiten, der europäische Staatsakt in Straßburg, die Überführung auf einem Rheinschiff, der Gottesdienst in Speyer. Passt das ins Bild? Hätte Kohl das gefallen?

Unbedingt. Ich war nicht wirklich Kohl-Fan, obwohl ich seine Lebensleistung bewundere. Aber dass der deutsche Staat sich mit diesem Kanzler so schwer tut und der Bundespräsident keinen deutschen Staatsakt angeordnet hat, das betrifft mich doch. Denn Helmut Kohl ist der Kanzler der Einheit und ist auch ein Symbol eines Deutschlands, das sich momentan dramatisch verändert. Und keiner weiß, in welche Richtung. Insofern hätte dieser Akt eine einigende Wirkung hervorgerufen. Und das, bin ich überzeugt, hätte Kohl sehr gefallen.

Klaus Honnef, Jahrgang 1939, gilt als Deutschlands "Fotografie-Papst". Zuletzt war er Ausstellungschef im Rheinischen Landesmuseum Bonn. Mit Klaus Honnef sprach Stefan Dege.

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