Er war ein Jahrhundertpolitiker, für den kein Rauchverbot der Republik galt. Er war Hanseat und Weltpolitiker. An diesem 23. Dezember wäre Helmut Schmidt 100 Jahre alt geworden.
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Macher, Staatsmann, Weltbürger - 100 Jahre Helmut Schmidt
Am Tag vor Heiligabend wäre Helmut Schmidt 100 Jahre alt geworden. Der Hamburger war von 1974 bis 1982 der fünfte Bundeskanzler der Bundesrepublik Deutschland. Bis heute genießt er weltweit hohes Ansehen.
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Als Schüler faul, aber belesen
Helmut Schmidt im Alter von 14 Jahren. Geboren in Hamburg-Barmbek, besucht er die reformorientierte Lichtwarkschule. Rückblickend sah sich Schmidt als "faulen" Schüler, der allerdings viel las. Seine Schule wird während der Nazizeit 1937 aufgelöst. Schmidt gehört zum letzten Jahrgang, der dort Abitur macht.
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Die Unzertrennlichen
Schon mit zehn Jahren lernten sie sich in der Schule kennen und rauchten, wie es heißt, gemeinsam ihre erste Zigarette. Die Lehrerin und Biologin Hannelore "Loki" Schmidt war dann aber mehr als nur die Gattin ihres prominenten Ehemannes. Sie mischte sich gern in die Politik ein, als Kanzlergattin war sie beliebt. Das Paar blieb unzertrennlich, bis Loki 2010 starb - fünf Jahre vor Helmut Schmidt.
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Koalitionsrunde
Hier schmieden sie die sozialliberale Koalition - herausragende Gestalten der FDP und der SPD brüten im Bonner Kanzlerbungalow über der Agenda ihrer Regierung ab 1969. Willy Brandt soll Kanzler werden. Helmut Schmidt, bis dahin Chef der SPD-Fraktion im Bundestag, wird kurz darauf Verteidigungsminister der Bundesrepublik.
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Rauchende Colts
Gespanntes Warten am Wahlabend des 19. November 1972: In der SPD-Parteizentrale "Baracke" rauchen Schmidt, Herbert Wehner und der Parteivorsitzende Willy Brandt um die Wette, während sie die Auszählung am Fernseher verfolgen. Spitzname des Trios: "Rauchende Colts". Die Wahl endete mit dem größten Erfolg für die SPD in ihrer Geschichte.
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Historische Gestalten
Bundeskanzler Willy Brandt (rechts) bei einer Vorstandssitzung der SPD in Berlin im Juni 1973. Helmut Schmidt war Finanz- und Wirtschaftsminister im Kabinett Brandts. Zur historischen Gestalt sollte kurz darauf auch der dritte Mann im Bild werden: Brandts Referent Günther Guillaume entpuppte sich als DDR-Spion. Brandt trat zurück. Helmut Schmidt wurde am 16. Mai 1974 neuer Bundeskanzler.
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Deutsch-deutsche Mützenkultur
Schiffermütze (West) trifft Fellkappe (Ost). Beim seinem DDR-Besuch im Dezember 1981 verfolgt Schmidt eine Politik des "Wandels durch Annäherung". Das Bild zeigt ihn mit dem DDR-Staatsratsvorsitzenden Erich Honecker vor dem Jagdhaus Hubertusstock am Werbellinsee beim Warten auf die Bonner Delegation. Der See gehörte zum privaten Jagdgebiet der DDR-Oberen. Schmidt wirkt wenig amüsiert.
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Gegen den Husten
Schmidt gewinnt die Bundestagswahl von 1982 gegen Franz Josef Strauß (CSU). Er trifft Erich Honecker, den Staats- und Parteichef der DDR, der ihm hier, auf dem Bahnhof von Güstrow, ein Hustenbonbon schenkt. Kaum wieder im Westen, sieht sich Schmidt einer Serie von Demonstrationen gegenüber - gegen das Wettrüsten von Ost und West und die atomare Aufrüstung Westdeutschlands.
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Müde Koalitionäre
Da teilen sie noch die Regierungsbank: Innenminister Gerhard Baum und Außenminister Hans-Dietrich Genscher (beide FDP) dösen während einer Debatte im Bundestag neben Kanzler Schmidt. Doch im Spätsommer 1982 zerbricht die sozialliberale Koalition. Es gibt Streit über die Wirtschaftspolitik. Helmut Kohl (CDU) löst Schmidt als Bundeskanzler ab, als Chef einer christlich-liberalen Koalition.
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Immer hart am Wind
"Er segelte, wie er Auto fuhr - immer hart am Wind", sagte der SPD-Politiker Hans Apel einmal über den politischen Weggefährten Schmidt. Segeln war Schmidts Hobby. Der Brahmsee in Schleswig-Holstein - sein bevorzugtes Revier. Hier konnte sich der als Workaholic geltende Schmidt entspannen. Hier schrieb er seine Bücher.
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Der Terror-Herbst
Im Herbst 1977 erreicht der Terror der Roten Armee Fraktion (RAF) seinen Höhepunkt. Arbeitgeberpräsidenten Hanns-Martin Schleyer wird entführt, kurz darauf die Lufthansa-Maschine "Landshut". Schmidt lässt das Flugzeug stürmen. Tags darauf begehen führende RAF-Mitglieder in ihren Gefängniszellen Selbstmord. Schleyer wird ermordet aufgefunden. Schmidt übernimmt die politische Verantwortung.
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Gefragter Pianist
Bach lag Schmidt am Herzen. Er nahm Schallplatten mit dem London Philharmonic Orchestra auf und spielte mit den Hamburger Philharmonikern. Selbst in seiner Zeit als Kanzler setzte er sich nachts ans Klavier und spielte Bach‘sche Fugen. "Wenn er Klavier spielte, konnte er alles andere abstreifen", erinnert sich der Pianist Justus Franz an den prominenten "Kollegen". Ehefrau Loki hörte zu.
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Hohes Ansehen
Schon bald nach Ende seiner Kanzlerschaft zog sich Schmidt aus der Politik zurück. Er wurde Mitherausgeber, zwischenzeitlich auch Verleger der Wochenzeitung "Die Zeit". Er engagierte sich in Stiftungen, schrieb Bücher und hielt Vorträge, nahm zahllose Ehrungen entgegen. Über seinen Tod am 10. November 2015 hinaus genießt Schmidt allerhöchstes Ansehen.
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Der Altkanzler im Blick
Zum 100. Geburtstag Schmidts gibt es vielerorts Veranstaltungen. Die Friedrich-Ebert-Stiftung in Bonn etwa zeigt die Schau "Helmut Schmidt - Kanzlerjahre" mit Aufnahmen von Jupp Darchinger, dem Fotochronisten der Bonner Republik. Es gibt eine Sonderbriefmarke mit Schmidts Konterfei. Im Umlauf ist eine Helmut-Schmidt-Gedenkmünze. Hamburg erinnert mit einer Lichtinstallation an den großen Sohn.
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Viele hätten ihm zugetraut, 100 Jahre alt zu werden - trotz der Zigaretten, die er bei jeder Gelegenheit rauchte. Doch am 10. November 2015 starb der frühere deutsche Bundeskanzler Helmut Schmidt im Alter von 96 Jahren in seinem Haus in Hamburg. Am Tag vor Heilig Abend des Jahres 2018 hätte er die 100 geschafft.
Für die Hamburger war und ist Schmidt stets der "Retter der Stadt". Bei der großen Sturmflut im Februar 1962 bewährte sich der damalige Innensenator als Krisenmanager, als er ohne gesetzliche Grundlage Bundeswehrsoldaten an die Seite von Polizei, Rettungsdiensten und Katastrophenschutz stellte. Er habe das Grundgesetz nicht angesehen in jenen Tagen, sagte er später - und hatte fortan das Image des Machers. "Willen braucht man. Und Zigaretten", kommentierte er später sein Handeln.
Immer noch pilgern vor allem ältere Hamburger an das Grab der Schmidts in Ohlsdorf. Ein kleiner Stein, darauf Namen und Lebensdaten von Ehefrau Hannelore ("Loki") und ihm selbst. Die Verwaltung hat aufgrund vieler Nachfragen ein Hinweisschild aufgestellt. Besucher legen Blumen und Grablichter nieder - und Zigaretten und Schnupftabak.
Schmidt bleibt unvergessen - als Kanzler von 1974 bis 1982 - in schwieriger Zeit, als Staatsmann, Europäer, Weltbürger und zuletzt als Welterklärer. Er war der Mann mit der Lotsenmütze. Er trug sie beim Regieren in Bonn, bei Staatsbesuchen in aller Welt, zu Hause in Hamburg-Langenhorn, wo die Schmidts ein unscheinbares Doppelhaus bewohnten.
Schmidt leitete die SPD-Fraktion (1967-1969), war Verteidigungsminister, ab 1972 auch Finanzminister unter Willy Brandt. Nach dessen Rücktritt wählte der Bundestag ihn zum Kanzler. Im "Deutschen Herbst" 1977 verteidigte er die Unbeugsamkeit des Staates. Als die RAF inhaftierte Terroristen mit einer Flugzeugentführung freipressen wollte, blieb er hart. Daraufhin wurde der entführte Arbeitgeberpräsident Hanns Martin Schleyer ermordet.
Den Nato-Doppelbeschluss von 1979 verteidigte Schmidt vehement gegen jede, auch parteiinterne Kritik. Hunderttausende Friedensaktivisten demonstrierten. Seine Niederlage im konstruktiven Misstrauensvotum 1982 und die Wahl Helmut Kohls zum Kanzler nahm er äußerlich gefasst hin. Was folgte, war eine Spätkarriere als Autor und Mitherausgeber der Wochenzeitung "Die Zeit".
Wichtigster Mensch an seiner Seite war und blieb seine Frau Hannelore, mit der er 68 Jahre verheiratet war. An "Loki" schätze er ihre Menschenkenntnis, Warmherzigkeit und "absolute Zuverlässigkeit". Sie war auch seine erste Zuhörerin, wenn er sich abends, nach langen Arbeitstagen noch ans Klavier setzte, um Bach‘sche Fugen zu spielen. Bach lag ihm am Herzen. Dabei konnte er entspannen.