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Helsinki-Komitee untersucht Minderheiten in Serbien

3. November 2004

– Teilung der Gesellschaft nach ethnischen Grenzen befürchtet

Bonn, 2.11.2004, DW-RADIO/Serbisch, Ivica Petrovic

In Belgrad sind heute die Ergebnisse einer vom Helsinki-Komitee durchgeführten Studie unter dem Namen "Im Konflikt mit der ethnischen Identität des Staates – Nationale Minderheiten in Serbien" auf einer Pressekonferenz vorgestellt worden. Umgesetzt wurde diese Untersuchung mit Hilfe des Instituts für eine offene Gesellschaft.

Die Untersuchung des Helsinki-Komitees für Menschenrechte wurde vom Oktober vergangenen Jahres bis September dieses Jahres durchgeführt. Ziel der Studie war es, organisiert und systematisch die Vertreter der Minderheiten dabei zu unterstützen, besseren Einblick in ihre Rechte zu gewähren sowie die Probleme festzustellen, mit denen die Minderheiten in Serbien konfrontiert sind. Während der Untersuchung wurde ein Monitoring der Minderheiten durchgeführt. Der Untersuchung liegen fünf Minderheiten-Gemeinschaften zugrunde: die ungarische, bosniakische, kroatische, walachische und die der Roma. Spomenka Grujicic, eine Direktorin des Helsinki-Komitees für Menschenrechte fasst die wichtigsten Ergebnisse dieser Untersuchung zusammen: "In Serbien hat sich nach dem Wandel im Oktober, also nach dem 5. Oktober 2000, ein gewisser Fortschritt bei den Minderheitenrechten eingestellt. Dies ist bei Gesetzen und Normen deutlicher als bei den realen Verhältnissen in der Gesellschaft. Allerdings sind auch im normativen Bereich keine wichtigen Gesetze verabschiedet worden, die genauer die Minderheitenrechte regeln würden".

Die Forscher des Helsinki-Komitees haben bei den zuständigen Staatsorganen eine ablehnende und herablassende Einstellung zu interethnischen Zwischenfällen beobachtet. Daher sei die Minderheitenfrage marginalisiert, ebenso wie die Arbeit des Ministeriums für nationale und ethnische Gemeinschaften (der Staatengemeinschaft). Zudem existiert in Serbien keine Einrichtung, die sich mit dem Problem der Minderheiten befasst.

Den Untersuchungsergebnissen zufolge ist die ungarische Minderheit in Serbien am besten organisiert. Die Angehörigen der bosniakischen Minderheit organisieren sich erst jetzt. Die Emanzipation der walachischen Minderheit stößt jedoch nicht auf positive Resonanz der Mehrheitsbevölkerung. Die anti-kroatische Hysterie, die während der Kriege im ehemaligen Jugoslawien aufgebaut wurde, hinterlässt immer noch starke und präsente Vorurteile. In der schlechtesten Position befinden sich die Roma, die niedrige Kaufkraft und Arbeitslosigkeit charakterisiert. Sie gehören zur jüngsten Population in Serbien, sie stehen aber auch an der Spitze der geduldeten Bevölkerungsgruppen.

Pavel Domonji, Leiter des Büros vom Helsinki-Komitee in Novi Sad, erklärte gegenüber DW-RADIO die heutige Lage der Minderheitenrechte in Serbien: "Die Furcht ging im ersten Untersuchungszeitraum zurück und im zweiten, also nach den Dezember-Wahlen, kam sie wieder auf und darin liegt das Problem. Denn Furcht wirkt sich auf die Forderungen der Minderheiten aus und reduziert sie, die Minderheiten verzichten auf ihre kollektiven Rechte, weil sie sich auf noch fundamentalere Rechte richten, die da sind: persönliche Rechte, das Recht auf den Schutz des eigenen Lebens, des Eigentums und auf persönliche Sicherheit".

Die Untersuchungsergebnisse ergaben, dass die ethnischen Gruppen sich hochgradig von einander distanzieren, daher lag die Frage an Pavel Domonji nahe, ob dies auch aktuell in Serbien der Fall sei: "Wir haben in der Untersuchung auch ethnisch motivierte Zwischenfälle aufgeführt. Diese sind aber nicht das größte Problem. Vielmehr informieren Zwischenfälle über die tatsächlichen Vorfälle in den Abgründen der Gesellschaft. Das Helsinki-Komitee hat darauf hingewiesen, das ist aber, glaube ich, nicht auf großes Interesse in der Öffentlichkeit gestoßen: die Vojvodina trennt sich nach ethnischen Grenzen auf. Das ist das Problem. Die Menschen gehen getrennt aus, sie sprechen immer weniger die Sprache des anderen, sie zeigen immer weniger Interesse an einander. In dem Memorandum von Sandor Pal, Vorsitzender der Demokratischen Gemeinschaft der Vojvodina-Ungarn, und Andras Agoston, Vorsitzender der Demokratischen Partei der Vojvodina-Ungarn, an Premier Vojislav Kostunica vom Mai wird darauf hingewiesen, dass junge Ungarn das serbisch-montenegrinische Fernsehen nicht verfolgen, sondern ungarische Programme, sie tendieren zur Integration der Ungarn im Südkarpaten Becken, sie interessieren sich nicht für die Ereignisse in Serbien – und das ist ein großes Problem. Das heißt, die interethnische Kommunikation bricht zusammen, die Solidarität schwindet und die Gesellschaft teilt sich nach ethnischen Grenzen. Und das ist sehr schlecht, das sind schlechte Entwicklungen, meiner Meinung nach ist dies von größerer Bedeutung als die Zwischenfälle der vergangenen Monate". (md)