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Politik

Herantasten an einen schwierigen Partner

Thomas Milz
30. April 2019

Außenminister Heiko Maas hat Glück, dass das Thema Venezuela die Differenzen zwischen Deutschland und Brasilien überlagert. Offen bleibt die Frage, wie man zukünftig mit der rechtspopulistischen Regierung umgehen will.

Bundesaußenminister Maas in Brasilien PK mit Ernesto Araujo
Bundesaußenminister Maas in Brasilien mit Amtskollegen Ernesto Araujo Bild: picture-alliance/dpa/F. Sommer

Die Pressekonferenz von Außeminister Heiko Maas mit seinem brasilianischen Kollegen Ernesto Araújo in Brasilia geriet am Dienstag zu einer einseitigen Sache. Kaum Fragen zu den deutsch-brasilianischen Beziehungen, dafür konnte man die gemeinsame Position zu den Unruhen im Nachbarland Venezuela präsentieren. Deutschland wie Brasilien erkennen den selbsterklärten Interimspräsidenten Juan Guaidó an. Es ist derzeit eines der wenigen Politfelder, auf denen man einer Meinung ist.

"Das Thema der bilateralen Beziehungen geriet in den Hintergrund", so der deutsch-brasilianische Politikwissenschaftler Oliver Stuenkel gegenüber der DW. "Aber das war gar nicht so schlecht, denn das Verhältnis zwischen Deutschland und Brasilien ist gerade nicht einfach. Aber bei Venezuela stimmen die beiden überein, und so konnte man nach außen Einigkeit projektieren", so Stuenkel. "Da war Maas wohl ganz froh drüber."

Die Klima-Frage

Was bei dem Treffen mit Araújo und dem neuen, rechtspopulistischen Präsidenten Jair Messias Bolsonaro dann tatsächlich beredet wurde, ist nicht bekannt. Deutschland braucht Brasilien besonders in Sachen Klimaschutz dringend. Denn ohne den südamerikanischen Riesen wird ein globales Abkommen nicht erfolgreich sein können.

Allerdings will Bolsonaro den Amazonaswald eher abholzen und wirtschaftlich ausbeuten als schützen. Araújo hält den Klimawandel sowieso für eine marxistische Lüge, propagiert von multilateralen Gremien wie den Vereinten Nationen. Vergessen sind die Zeiten, in denen beide Länder gemeinsam global den Klimaschutz vorantrieben. "Es ist eine traditionelle Partnerschaft, in der ein Partner gerade durch eine radikale Veränderung geht", so Stuenkel. Jetzt müsse man abtasten, wie man miteinander auskommt.

Ein schwieriges Unterfangen

Bolsonaro steht offen gegen die von Maas auf seiner Lateinamerika-Tour vertretenen Werte "Menschenrechte und Multilateralismus". Unter dem Slogan besucht Maas im Anschluss auch noch Kolumbien und Mexiko, wo er Partner sucht als Gegengewicht zu den sich isolierenden USA und den autoritären Regierungen wie in China und Russland. Die Initiative soll Ende Mai in Berlin in ein Außenministertreffen münden. 

Der brasilianische Präsident Jair Bolsonaro begrüßt Außenminister Heiko MaasBild: picture-alliance/dpa/F.Sommer

Maas setzte in Brasilien auch ein auffallendes Ausrufezeichen gegenüber dem erklärten Donald-Trump-Fan Bolsonaro. So traf er sich am Montag in der Küstenstadt Salvador erst einmal mit dem Gouverneur des Teilstaates Bahia, Rui Costa. Dieser gehört der von Bolsonaro verhassten Oppositionspartei PT an. Zudem gab Maas dort den Startschuss für ein Netzwerk für Frauenrechte. Es klang fast wie eine symbolische Ohrfeige für Bolsonaro, der sich in der Vergangenheit oft herablassend über Frauen und Minderheiten ausgelassen hatte. 

"Das hat schon seinen Sinn", glaubt Stuenkel. "Man kann Bolsonaro nicht ganz ohne symbolische Kritik entgegentreten. Und Deutschland ist sehr einflussreich in Brasilien und kann nicht einfach business as usual machen. Die Symbolik ist also wichtig." Die Bundesregierung müsse zeigen, dass sie zu der brasilianischen Zivilgesellschaft stehe, auch wenn deren Rechte gerade von Bolsonaro eingeschränkt würden.

Hoffnung auf harte Worte

Doch die symbolische Diplomatie in homöopathischen Dosen fand nicht nur Zuspruch. Harte Worte hätte man sich von Heiko Maas erhofft, so Ulrich Delius, Direktor der Gesellschaft für bedrohte Völker, gegenüber der DW. "Man reist zu Bolsonaro um ihn für den Multilateralismus zu gewinnen. Das ist als ob man Putin fragt, ob er sich einem Netzwerk für Rechtsstaatlichkeit anschließt. Was denkt sich die deutsche Außenpolitik, wie weit glaubt sie damit in Brasilien zu kommen?" 

Bolsonaro sei der falsche Mann für solche Initiativen, denn er verenge zusehends die Spielräume für die brasilianische Zivilgesellschaft. "Es gibt ja eigentlich eine knallharte Agenda, die angesprochen werden müsste, nämlich dass rechtsstaatliche Standards von dieser Regierung immer weiter runtergefahren werden. Mit einer Agenda über Frauenrechte ist man da vollkommen falsch aufgehoben."

Die Rolle deutscher Unternehmen

Delius fordert auch von deutschen Unternehmen in Brasilien mehr Engagement. Mit rund 1000 deutschen Firmen ist die Metropole São Paulo der größte deutsche Wirtschaftsstandort weltweit. "Wir warten auf klare Kommentare. Die Unternehmen müssen zu unseren europäischen Werten stehen, und zwar nicht nur daheim, sondern auch im Ausland." Deutschland habe zudem in den letzten Jahren Steuergelder in den Schutz des Amazonaswaldes gesteckt. "Da wäre es schon wichtig, dass Deutschland sich jetzt klar meldet."   

Oliver Stuenkel glaubt jedoch, dass Symbolik derzeit besser ankommt als offen zur Schau getragene Kritik. "Der Besuch war ein guter Kompromiss. Jetzt muss man entscheiden, ob es auf einer höheren Ebene zu einem Staatsbesuch kommen soll." Letztlich müsse die Kanzlerin halt mit jedem auskommen. "Innerhalb dessen, was möglich ist, war der Besuch also insgesamt erfolgreich."