Herbe Niederlage für Erdogan-Partei bei Kommunalwahlen
1. April 2024Es ist ein Rückschlag für Präsident Recep Tayyip Erdogan: Die türkische Opposition hat bei den Kommunalwahlen am Sonntag einen Überraschungssieg hingelegt. Sie wurde stärkste Kraft. Landesweit erlitt Erdogans islamisch-konservative AKP laut vorläufigen Ergebnissen vom frühen Montagmorgen starke Verluste.
Der türkische Präsident hat den Sieg der Opposition bereits eingeräumt. Er sprach am Sonntag von einem "Wendepunkt" für sein Lager, das seit 2002 an der Macht ist. "Leider haben wir nicht die Ergebnisse erzielt, die wir uns gewünscht haben", sagte Erdogan am Sitz seiner AKP in Ankara vor einer ungewöhnlich stillen Menschenmenge. "Wir werden natürlich die Entscheidung der Nation respektieren."
CHP-Siege in den Metropolen und in der Provinz
In den fünf größten Städten der Türkei konnte sich die größte Oppositionspartei CHP bei den Bürgermeisterwahlen durchsetzen - besonders deutlich in der Hauptstadt Ankara und in der politisch wichtigen Metropole Istanbul.
Die CHP wurde laut vorläufigen Zahlen mit 37,6 Prozent landesweit stärkste Kraft, wie die staatliche Nachrichtenagentur Anadolu nach mehr als 98 Prozent ausgezählter Stimmen berichtete. Die AKP kam auf 35,7 Prozent.
Neben Izmir, CHP-Hochburg und drittgrößte Stadt des Landes, Antalya im Süden der Türkei und der Industriehochburg Bursa im Nordwesten, zeichnen sich auch andernorts Erfolge der CHP ab. Nach Auszählung der meisten Wahlzettel liegt die Opposition auch in einigen Provinzhauptstädten vorn.
Sollten sich die Ergebnisse offiziell bestätigen, wäre die AKP erstmals seit ihrer Gründung 2002 in einer Kommunalwahl nur zweitstärkste Kraft. Oppositionschef Özgür Özel sprach von einem "historischen Ergebnis", das zeige, dass die Wähler eine neue Politik wollten. Die Wahl wurde auch als Stimmungstest für Erdogan gewertet, der im vergangenen Jahr erneut zum Präsidenten gewählt wurde.
Hoffnungsträger der Opposition im Amt bestätigt
Die hohe Inflationsrate und die wirtschaftliche Lage dürften Erdogans Partei Stimmen gekostet haben. Der Staatspräsident verfehlte auch sein ausgemachtes Ziel, die politisch wichtige Metropole Istanbul mit ihren 16 Millionen Einwohnern zurückzugewinnen.
Amtsinhaber Ekrem Imamoglu (53) von der CHP gewann am Sonntag deutlich mit rund 51 Prozent, so die staatliche Nachrichtenagentur Anadolu. Imamoglu konnte damit an seinen spektakulären Wahlsieg von 2019 anknüpfen und seine Position als möglicher künftiger Präsidentschaftsanwärter stärken.
Imamoglu gilt als Hoffnungsträger der Opposition. Er hatte Erdogans regierender AKP 2019 die Macht in Istanbul entrissen. Erdogan setzte sich im Wahlkampf um Istanbul persönlich ein. Sein Kandidat, der ehemalige Städtebauminister Murat Kurum, erreichte laut Anadolu allerdings voraussichtlich nur knapp 40 Prozent der Stimmen.
AR/se (dpa, afp, rtr, ap)