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GesellschaftIran

Herbe Niederlage für iranische Frauenaktivisten

2. Oktober 2019

Frauen sollten vor Gewalt in der Familie geschützt werden. Das sah ein Gesetzentwurf vor. Das iranische Justizministerium hat das Gegenteil daraus gemacht: Frauen sollen sich benehmen und deshalb überwacht werden.

Iran Teheran | Kopfbedeckung in der Öffentlichkeit
Bild: picture-alliance/Zuma Press/R. Fouladi

Zwei Jahre lang dauerte die Überprüfung eines Gesetzentwurfs durch das Justizministerium, der Frauen vor Gewalt in der Familie schützen soll. Mitte September  wurde der Gesetzentwurf schließlich an das Kabinett mit umfassenden Veränderungen zurückgeschickt. Etwa unter dem umständlichen Titel: "Berücksichtigung von Genderaspekten bei der Gestaltung von Kursen und akademischen Trends". Im Kern heißt das: Frauen sollen an Universitäten nicht mehr alle Fächer studieren können. Schon in der Schule solle den Kindern erklärt werden, dass Männer und Frauen unterschiedlich seien und eben auch nicht das Gleiche studieren könnten.

"Die Justiz hat aus dem Entwurf eine frauenfeindliche Gesetzesvorlage gemacht, die die Unterdrückung der Frauen legitimiert", urteilt die Rechtswissenschaftlerin Sedighe Vasmaghi im Gespräch mit der DW. Die ehemalige Professorin für Islamisches Recht an der Universität Teheran ist enttäuscht. "Die Justiz vermeidet das Wort Frau" und besteht auf dem Wort 'Dame'. Sie behauptet, wer sich nicht 'richtig' benimmt sei keine Dame und brauche keinen Schutz. Um das zu überwachen, will sie mit der Unterstützung von Polizei, Nachrichtendiensten und Kommunikationsministerium landesweit Gremien etablieren. Sie sollen die Aktivitäten der Frauen kontrollieren."

Irans Familienrecht basiert immer noch auf der Scharia Bild: Borna

Thema häusliche Gewalt ausgeklammert

Vasmaghi kennt den langen Kampf, den hinter dem ursprünglichen Gesetzentwurf steht. Die Idee dahinter sei ein Gesetz gewesen, das den Frauen mehr Schutz bietet und sie auf ihrem Weg zur Gleichberechtigung stärkt. Vasmaghi und andere Frauenaktivistinnen, die den von der Justiz genehmigten Entwurf gelesen haben, sind vor allem überrascht, wie selten das Wort "Gewalt" in dem langen Text mit 77 Artikeln vorkommt. 

Gewalt in der Familie ist ein heikles Thema im Iran. Nicht einmal die Justizbehörden wissen, wie viele Frauen jedes Jahr Opfer von Gewalt in ihrer eigenen Familie werden. Das Ergebnis einer vor 15 Jahren durchgeführten landesweiten Umfrage zeigt: 66 Prozent der befragten Frauen wurde mindestens einmal von ihren Ehemännern geschlagen. Diese  Umfrage wurde nie wiederholt.

Noch Mitte Juni hat ein Mitarbeiter der Staatsanwaltschaft, Hossein Narian, zugegeben, dass viele Frauen ihre gewalttätigen Männer nicht anzeigen. Häufig haben sie Angst, auf die Straße gesetzt zu werden. Das gilt vor allem für Frauen, die finanziell von ihren Männern abhängig sind. Andere akzeptieren aus kulturellen oder religiösen Gründen die Dominanz der Männer.

Sahar Dolatschahi (l), iranische Schauspielerin, und Shahindocht Molaverdi, bis vor kurzem Vizepräsidentin im Ressort Frauen und Familie des Kabinetts RohaniBild: ISNA

Kampfansage an Konservative

Im Iran liegt das Recht zur Einreichung der Scheidung bei den Männern. Das Gesetz erlaubt ihnen, ihre Ehe jederzeit ohne Begründung zu beenden. Das Sorgerecht für die Kinder bekommen sie automatisch. Laut den auf der Scharia fußenden Gesetzen im Iran sind Frauen unmündige Staatsbürger. Alle wichtigen Entscheidungen werden von Männern getroffen, zum Beispiel ob eine Frau arbeiten und reisen darf.

Die Frauenaktivisten wollten das mit einem Gesetz ändern, wohlwissend, dass der Entwurf eine Kampansage an die konservativen Justizbehörden darstellt. Ihre Initiative hätte ohne die massive Unterstützung von reformorientierten Politikerinnen keine Chance gehabt. So hatte sich die ehemalige Vizepräsidentin für Frauenangelegenheiten, Shahindokht Molawerdi, für den Gesetzentwurf stark gemacht. Damit hat Molawerdi viele Konservative und Großayatollahs gegen sich aufgebracht. Sie warfen der Politikerin vor, "den Frieden in den Familien zu gefährden".

Schwere Vorwürfe kamen auch von Sahra Ayatollahi, der Vorsitzenden des Kultur- und Sozialrats für Frauen und Familien. Dieses Gremium steht direkt unter dem Religiösen Führer und versucht seit 35 Jahren,  islamische Kultur und Werte im Iran zu etablieren.

Ayatollahi kritisierte, die Initiatoren des Entwurfs wollten den Westen nachahmen und strebten Ziele an, die den Grundsätzen des Islam widersprächen. Sie wollten den Frauen die Gelegenheit geben, ihre häuslichen Pflichten zu vernachlässigen und die Stellung der Männer als Verwalter der Familie gefährden. Geradezu absurd erscheint der Vorwurf der erzkonservativen Ayatollahi, mit dem Gesetz würden die Frauen vor der Gewalt der Männer in Schutz genommen, nicht jedoch die Männer vor Aggressionen der Frauen.

Kampf für mehr Gerechtigkeit geht weiter Bild: picture-alliance/AP Photo/V. Salemi

Hoffnung auf Verbesserungen

Shahindokht Molawerdi hat mittlerweile ihre Position als Vizepräsidentin für Frauenangelegenheiten verloren. Den Kampf für ein besseres Leben für Frauen im Iran gibt sie aber noch nicht verloren. In einen Interview mit der reformorientierte Zeitung "Etemad" schlägt sie nun dem Kabinett vor, für den Text des endgültigen Gesetzes eindeutige Formulierungen zu finden und den Richtern keinen Raum für Interpretationen zu lassen. Vor allem der Begriff  "Gewalt" sollte klar definiert werden.

 

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