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Politik

Ein kompromissloser Herero-Kämpfer ist tot

Cai Nebe
18. Juni 2021

Herero-Oberhaupt Vekuii Rukoro hat bis zuletzt zu Protesten gegen das deutsch-namibische Aussöhnungsabkommen aufgerufen - unter Einhaltung der Corona-Regeln. Nun ist er selbst mit 66 Jahren an COVID-19 gestorben.

Vekuii Rukoro
Bild: Gregor Fischer/dpa/picture alliance

Als Vekuii Reinhard Rukoro 1954 in Otjiwarongo geboren wurde, hieß das Land rund um die Farmstadt herum noch Südwestafrika und wurde von Südafrika regiert. Erst ein Jahrzehnt später begann der Freiheitskampf gegen Südafrikas Apartheidsregime, der 1990 in der Unabhängigkeit Namibias endete.

Doch die Unterdrückung der Schwarzen dieser Politik wollte Rukoro schon davor nicht hinnehmen, das lässt bereits seine Ausbildung erahnen: Nach der Sekundarschule in Döbra, einem kleinen Ort nördlich der Hauptstadt Windhoek, schlug er eine Laufbahn als Rechtsanwalt ein. Die Ausbildung in Windhoek und Großbritannien schloss Rukoro 1983 mit einem Diplom der Universität Warwick ab. Seine Freizeit verbrachte er als junger Mann häufig im Boxring, auf dem Fußball- oder Rugbyfeld.

Verfassungsvater und Geschäftsmann

In den 1970er-Jahren trat Rukoro der South West African National Union (SWANU) bei, in der damals viele Herero, Angehörige einer eher kleinen aber einflussreichen indigenen Volksgruppe, organisiert waren. Bei den ersten Wahlen im unabhängigen Namibia trat SWANU als Teil der von mehreren Kleinparteien gebildeten Dachorganisation Namibia National Front an. Rukoro gelang der Einzug in die Verfassungsgebende Versammlung und schrieb die Verfassung des jungen Staates entscheidend mit.

Am 20. März 1990 endete die lange Zeit der Fremdherrschaft in NamibiaBild: picture-alliance/dpa/AFP

Nach der offiziellen Unabhängigkeit im März 1990 wurde Rukoro zum Vize-Justizminister berufen und bekleidete den Posten fünf Jahre. Mitte der 90er wechselte er in die Regierungspartei South-West Africa People's Organisation (SWAPO) und diente bis 2000 als Generalstaatsanwalt. Anschließend ging er in die Wirtschaft.

Auch als Geschäftsmann blieb Vekuii Rukoro einflussreich: Bis 2004 leitete er den Vorstand der damaligen nationalen Fluggesellschaft Air Namibia. Parallel war er für verschiedene Banken tätig. Bis 2017 war er zudem Geschäftsführer der einflussreichen Meat Cooperation of Namibia.

Herero-Vertreter und Kritiker der Bundesregierung

Außerhalb Namibias ist der Name Vekuii Rukoro mit einem anderen Amt verknüpft: 2014 wurde er zum "Paramount Chief" der Herero, also dem traditionellen Anführer der Herero und Ovaherero gewählt. Seine Autorität war unter den verschiedenen Strömungen innerhalb der Ethnien jedoch keinesfalls unumstritten. Er trat in rot-goldener Uniform, mit Stock und Hut auf und vertrat kompromisslose Forderungen nach Gerechtigkeit im Zusammenhang mit dem Genozid, den das Deutsche Reich Anfang des 20. Jahrhunderts als damalige Kolonialmacht an den Herero und Nama verübt hatte.

Gerechtigkeitskämpfer in Uniform: Rukoro 2018 bei einer Gedenkveranstaltung in BerlinBild: Gregor Fischer/dpa/picture alliance

2015 nahmen die Regierungen der Bundesrepublik und Namibias offiziell Verhandlungen über Entschädigungszahlungen auf. Rukoro kritisierte vehement den Rahmen dieser Verhandlungen: Anstelle der namibischen Regierung hätten nach seiner Ansicht Vertreter der ethnischen Gruppen beteiligt werden müssen. Er forderte direkte Reparationszahlungen von Deutschland - und seine oft unverblümte Ausdrucksweise verschaffte ihm Aufmerksamkeit in Namibia und darüber hinaus. Bei einem Deutschlandbesuch 2016 sagte Rukoro, eine Entschuldigung der Bundesrepublik ohne gleichzeitige Reparationszahlungen wäre eine "Beleidigung der Intelligenz nicht nur der Namibier und der Nachfahren der Opfergruppen, sondern derer der Afrikaner insgesamt".2017 reichte Rukoro gemeinsam mit anderen Anführern der Herero und Nama eine kontroverse Sammelklage in New York

kontroverse Sammelklage in New York ein, mit der sie Deutschland zu Reparationszahlungen zwingen wollten. Mit Verweis auf die Staatenimmunität wiesen die US-Richter damals die Klage ab.

Soldaten des Deutschen Reiches ermordeten ab 1904 Zehntausende Herero und NamaBild: picture-alliance/dpa

Doch auch nach der Niederlage vor Gericht nutzte Rukoro seine Rolle als Paramount Chief, um für Deutschland Aufmerksamkeit auf das Thema zu lenken. Als die jahrelangen Verhandlungen im Mai 2021 zu einem Abschluss kamen, blieben Rukoro und andere Oberhäupter kritisch. Rukoro rief auch zu Protesten gegen den geplanten Besuch von Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier auf, der in Namibia offiziell um Vergebung bitten soll. Neben der Anerkennung der Taten als Völkermord hat Deutschland Hilfszahlungen von insgesamt 1,1 Milliarden Euro über 30 Jahre in Aussicht gestellt.

Bestürzung über plötzlichen Tod

Seine Aufrufe zum Protest verband Rukoro mit der Mahnung, sich an die gesundheitlichen Bestimmungen zur Eindämmung des Coronavirus zu halten und warnte Familien vor allzu großen Beerdigungen. Namibia erlebt gerade den raschesten Anstieg der Infektionszahlen seit Beginn der Pandemie. Auch Rukoro wurde mit schweren COVID-19-Symptomen in ein Krankenhaus in Windhoek gebracht. Er starb am Freitagmorgen im Alter von 66 Jahren an den Folgen der Erkrankung.

Namibia verliert einen einflussreichen Wegbereiter der Demokratie sowie einen teils kontroversen, entschlossen Kämpfer für die Entschädigung der Herero und Nama. Seine Auftritte waren immer wieder Mahnungen, das dunkle Kapitel der Kolonialzeit aufzuarbeiten. Namibische Politiker, darunter Namibias Präsident Hage Geingob, äußerten sich bestürzt über den plötzlichen Tod Rukoros. Eine Beerdigung im engsten Kreis ist für das Oberhaupt der Herero und Ovaherero nur schwer vorstellbar - wenn die Trauernden nicht in Person Anteil nehmen können, dann im Geiste.

Adaptiert aus dem Englischen von David Ehl.

Namibia: Aussöhnung mit Deutschland stockt

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