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Literatur

Hesse-Preis für nigerianische Autorin Adichie

Sabine Peschel | Suzanne Cords
2. Juli 2020

Berühmt wurde sie mit "Americanah" - nun erhält Chimamanda Ngozi Adichie für ihren ersten Roman "Blauer Hibiskus" den renommierten Hermann-Hesse-Preis.

Nigerianische Schriftstellerin Chimamanda Adichie
Bild: Getty Images for Dior/A. Ghnassia

Hauptperson des 2003 erschienenen Romans ist die 15-jährige Kambili. Das Haus ihrer Eltern liegt inmitten von Hibiskus, Tempelbäumen und hohen Mauern, dahinter lauert das von politischen Unruhen geprägte Nigeria. Das Mädchen erzählt von dem Jahr, in dem ihr Land im Terror versinkt und ihre Kindheit zu Ende geht.

"Selten haben wir einen so spannenden und ausgereiften Roman gelesen", schwärmten die Juroren über Chimamanda Ngozi Adichies Erstlingswerk, das schon 2003 auf Englisch erschien, aber erst viele Jahre später von Judith Schwaab ins Deutsche übersetzt wurde. Über 20.000 Euro Preisgeld können sich jetzt sowohl Autorin als auch Übersetzerin freuen, denn laut Statut wird der Hermann-Hesse Preis immer für eine "schriftstellerische Leistung von internationalem Rang in Verbindung mit ihrer Übersetzung" vergeben. Der Roman hatte Adichie bereits zuvor mehrere Auszeichnungen eingebracht.

Eine Doppel-Karriere zwischen Uni und Schreiben

Adichie ist längst ein Star der globalen Literaturszene. Kurzgeschichten und erste Romane veröffentlichte die 1977 in eine Akademikerfamilie im südlichen Nigeria geborene Adichie schon während ihres Studiums. Mit 19 ging sie in die USA, um in Philadelphia Politik- und Kommunikationswissenschaften zu studieren. 2003 folgte ein Master-Titel in Creative Writing, 2008 einer in Afrikanistik an der Yale University.

Danach standen ihr die Türen der besten akademischen Adressen offen: 2005 war sie Fellow-Stipendiatin an der Princeton, 2011/12 an der Harvard University. In diesen Jahren wurde sie zur Grenzgängerin zwischen den USA und ihrem Heimatland Nigeria, literarisch und im realen Leben. Auch heute noch teilt sie ihre Zeit zwischen den beiden Ländern auf.

"Americanah" - Roman einer Grenzgängerin

Zur weltweit anerkannten Bestsellerautorin machte sie ihr 2013 erschienener Roman "Americanah", desssen Protagonistin wie die Autorin auf beiden Kontinenten lebt, dem afrikanischen und dem amerikanischen. Das Buch wurde in 37 Sprachen übersetzt und trägt in allen Übersetzungen denselben Titel - er gibt die in Nigeria übliche Bezeichnung für Rückkehrer aus den USA wieder. Der autobiografisch geprägte Roman trug ihr internationale Anerkennung ein.

Bei der Frankfurter Buchmesse 2018 standen die Fans Schlange für ein Autogramm Bild: picture-alliance/dpa/S. Stein

Unterhaltsam, aber mit großer analytischer Schärfe beschreibt "Americanah" die Rituale von Diskriminierung und betonter Liberalität gegenüber den Schwarzen in den USA. Dass der umfangreiche Text mit seinem gesellschaftspolitischen Anliegen immer noch und keineswegs nur in den Vereinigten Staaten hochaktuell sei, betonte Adichie im Gespräch. "Es gibt Rassismus gegenüber Menschen mit afrikanischer Abstammung in den verschiedensten Weltregionen. Aber es geht dabei nicht nur um Rasse, es geht auch darum, welches Bild von sich selber man sich in einer Umgebung macht, die einen als nicht zum Zentrum zugehörig definiert. Es geht um ein Problem von Peripherie und Zentrum."

"Mehr Feminismus!" - ein Vortrag macht Adichie zum Internet-Star

Ein weiteres großes Thema Adichies ist der Feminismus. "Ich war schon als Kind Feministin, noch ehe ich das Wort kannte", erzählte sie der DW 2019. "Als ich mich in einem TED-Talk als Feministin outete, sprach ich ganz einfach über etwas, das ich schon immer war." Dass ihr Talk von 2012 "We should all be Feminists" ("Mehr Feminismus!") Furore machte, freute sie besonders. "Zumal ich ihn vor einem afrikanischen Publikum hielt und annahm, dass er eher feindselig aufgenommen würde." Die Rede wurde legendär, Millionen Menschen sahen sie sich im Internet an, und sogar Popsängerin Beyoncé zitierte in ihrem Song "Flawless" einige kurze Passagen daraus.

"Liebe Ijeawele": Für eine Erziehung gegen Rollenzuschreibung

2019 zierte Chimamanda Ngozi Adichie die Zeitschrift "Vogue" Bild: Vogue/Peter Lindbergh

Den Kampf gegen weibliche Rollenzuschreibungen, Sexismus und Diskriminierung führt Chimamanda Ngozi Adichie mit viel Entschiedenheit, aber vor allem auch Charme. "Ich schimpfe nicht laut herum, weil ich weiß, dass ich dann nicht gehört werde", erklärt sie ihr Verständnis. Stattdessen schreibt und spricht sie darüber, "wie unsere Töchter selbstbestimmte Frauen werden können". In ihrem Buch "Liebe Ijeawele" von 2017 ("Dear Ijeawele, or A Feminist Manifesto in Fifteen Suggestions") breitet sie Vorschläge für eine feministische Erziehung aus.

Dass die Ratschläge sich aber auch und vorrangig an Männer richten müssten, macht sie auf amüsante Weise deutlich: "Wir können nichts ändern, wenn wir nicht über Jungs und Männer sprechen. Wisst Ihr, wir müssen die guten Männer finden, damit sie die Botschaft verbreiten!"

Diesmal kein Festakt 

Eine starke Stimme wie Adichies bleibt nicht ungehört. Das beweist die erneute Auszeichnung der Autorin mit dem renommierten Hermann-Hesse-Preis. Corona-bedingt wird es allerdings keinen Festakt in Calw geben, der Heimatstadt des 1877 geborenen Dichters Hermann Hesse. 

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