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Politik

Herta Müller - Opfer rumänischer Eitelkeiten

Robert Schwartz
20. April 2018

Die deutsche Literatur-Nobelpreisträgerin Herta Müller ist vom rumänischen Schriftstellerverband suspendiert worden. Doch war sie nach eigenem Bekunden nie Mitglied. Ein Politikum mit Folgen.

Deutschland Herta Müller
Herta Müller: "Wer mich verleumdet, beweist seine Heimatliebe"Bild: picture alliance/dpa/A. Burgi

Es klingt wie einer der berühmten Witze des fiktiven Senders Radio Eriwan aus kommunistischer Zeit: Stimmt es, dass die Parteiführung ihrem verdienten Mitglied Iwan Iwanowitsch ein Auto gegeben hat? Antwort: Im Prinzip ja! Aber es wurde ihm nicht gegeben, es wurde ihm genommen. So ähnlich entwickelt sich der jüngste Skandal rund um den Rumänischen Schriftstellerverband - und im Mittelpunkt steht die deutsche Literatur-Nobelpreisträgerin Herta Müller.

Sie stammt aus dem Banat, einer Region in West-Rumänien, und war schon vor ihrer Ausreise in die Bundesrepublik 1987 als junge Autorin in ihrer Heimat bekannt. Sie gehört der deutschen Minderheit der Banater Schwaben an. Zusammen mit einigen Schriftstellerkollegen der "Banater Aktionsgruppe" war sie vor allem wegen ihrer kritischen Texte ins Visier der gefürchteten Securitate geraten, der Geheimpolizei des kommunistischen Diktators Ceausescu.

Eine Mitgliedschaft, von der sie nichts wusste

Ihr erster Prosaband "Niederungen" erschien 1982 - zensiert - in Bukarest und gelangte auf Umwegen nach Deutschland, wo er im Rotbuch-Verlag 1984 - unzensiert - veröffentlicht wurde. Verstärkte Bespitzelung und Drangsalierung durch die Securitate, üble Verleumdungen und Drohungen waren die Folgen. "Wer mich verleumdete, bewies seine Heimatliebe", berichtete Müller in einem FAZ-Interview. Das scheint bis heute seine traurige Gültigkeit nicht verloren zu haben.

2009 wurde Herta Müller mit dem Literaturnobelpreis geehrtBild: picture-alliance/dpa/Kay Nietfeld

Vor wenigen Tagen erfuhr Herta Müller, die in Berlin lebt, dass sie vom Rumänischen Schriftstellerverband ausgeschlossen wurde, weil sie es versäumt hätte, ihren Jahresbeitrag zu zahlen. Die Maßnahme trifft nicht nur sie, sondern auch andere Autorinnen und Autoren, von denen einige - wie Herta Müller oder ihr Banater Schriftstellerkollege William Totok - in Deutschland leben. Später ruderte der Verband zurück und sprach von einer "Suspendierung". 

"Soll das ein Witz sein?" Das war die erste Reaktion der Nobelpreisträgerin auf die Nachricht. In einer Stellungnahme für die DW schreibt sie: "Ich wusste nicht, dass ich im Rumänischen Schriftstellerverband bin. Mich hat nie jemand gefragt, ob ich beitreten möchte und mir hat niemand mitgeteilt, dass ich - warum auch immer  - aufgenommen worden bin." Mehr noch: Eine Aufforderung, Mitgliedsbeiträge zu zahlen, habe sie nie bekommen.

Absurdes Theater

Als sie noch in Rumänien lebte, soll es allerdings einen Vorschlag gegeben haben, sie in den Verband aufzunehmen. Sie habe damals ihre Aufnahme von jener eines anderen Banater Autors, William Totok, abhängig gemacht. Weil dieser aber nicht aufgenommen wurde, sei sie auch nicht beigetreten. Seither habe sie keinen Kontakt mehr zu dieser Organisation. Und habe danach auch nie die Absicht geäußert, Mitglied des Verbands zu werden, heißt es in ihrer Stellungnahme. "Wie soll man dieses absurde Theater nennen? Vereinnahmung wie einst? Irgendwer entscheidet über meinen Kopf hinweg und macht mich danach dafür verantwortlich. Demokratische Vorgänge sind es jedenfalls nicht", so Herta Müller. 

In einem DW-Gespräch bestätigte William Totok den Sachverhalt. Und dennoch: Wie ist es zu erklären, dass beide Autoren - und nicht nur sie - als Mitglieder des Verbands fungieren? "Nach der Wende von 1989", so Totok, "hat der neu aufgestellte Schriftstellerverband als Zeichen der Öffnung mehrere Exil-Autoren aufgenommen, ohne sie aber offiziell zu benachrichtigen." Auch bei ihm sei nie eine Zahlungsaufforderung für den Jahresbeitrag eingegangen.

Eine rumänische Posse

Die Posse hat aber ein übles Nachspiel in Rumänien, weil sie just zu dem Zeitpunkt der Neuwahlen für die Verbandsleitung aufschlug. Die alte Riege um den Publizisten und Literaturkritiker Nicolae Manolescu will sich plötzlich - 28 Jahre nach der Wende - an die Statuten gebunden fühlen. Andere Autoren sprechen von einem Skandal. Anstatt stolz zu sein, eine Nobelpreisträgerin in den eigenen Reihen zu haben, würde die Leitung Unterstützung von zum Teil in Bedeutungslosigkeit versunkenen, aber durch und durch "patriotischen" Schriftstellern für eine Wiederwahl suchen.

Herta Müller als junge Autorin in Rumänien Bild: privat

Im Netz, aber auch in einigen einschlägigen Publikationen ist eine populistische Verleumdungskampagne gegen Herta Müller losgetreten worden, die von persönlichen Attacken bis zur Verunglimpfung des Nobelpreises reicht. Hier nur zwei Beispiele von Meinungen in rumänischen Zeitungen, das erste davon mit antisemitischer Färbung: "Jüdinnen sind in der Regel ziemlich hässlich, aber die Dicke Herta schlägt sie alle!" Oder: "Wir brauchen keine Nobelpreisträger, die ihre Schulden nicht bezahlen. Soll sie doch in Deutschland bleiben und sich nicht klüger wähnen als wir!"

Ganz nach dem Motto, also: "Wer mich verleumdet, beweist seine Heimatliebe" - auch 31 Jahre nach Herta Müllers Ausreise aus ihrer alten Heimat Rumänien. Und da hört jeder Witz auf.

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