Bobic muss gehen - Hertha BSC in der Krise
28. Januar 2023"Die Punkte sind ausgeblieben. Es ist sehr bitter und enttäuschend", sagte Sandro Schwarz, Trainer von Hertha BSC, nach dem Berliner Derby gegen den 1. FC Union. Die Unioner, die der "alten Dame" Hertha in den vergangenen Jahren in der Hauptstadt den Rang als Nummer eins abgelaufen haben, setzten sich auch am 18. Bundesliga-Spieltag im Berliner Olympiastadion verdient mit 2:0 (1:0) durch und offenbarten dabei einmal mehr die eklatanten Schwächen des Stadtrivalen.
Hätte Schwarz vor dem Anpfiff von Sport-Geschäftsführer Fredi Bobic nicht eine erneute Job-Garantie erhalten, es wäre nicht verwunderlich gewesen, wenn er die Interviews nach dem Spiel bereits als Ex-Hertha-Trainer geführt hätte. Und auch so sieht es nicht danach aus, als würde Schwarz am Saisonende noch bei der Hertha beschäftigt sein. Zu schwach waren die bisherigen Leistungen, zu hoch sind trotz der anhaltenden sportlichen Misere die Berliner Ansprüche. Zudem gab der Klub keine drei Stunden nach der Niederlage überraschend die Trennung von Schwarz' Fürsprecher Bobic bekannt.
Bobic war "Verwalter" der sportlichen Talfahrt bzw. des Verharrens in der Talsohle, auch wenn der ehemalige Nationalspieler und Europameister von 1996 die Anfänge des Berliner Niedergangs nicht zu verantworten hatte. Seit 2019 befindet sich der Hauptstadtklub in einer Abwärtsspirale aus finanzieller Misswirtschaft, schlechter Transferpolitik und sportlicher Konzeptlosigkeit. Dabei sollte die Hertha eigentlich vor drei Jahren in eine bessere Zukunft starten: Vor der Saison stieg Lars Windhorst mit etlichen Millionen Euro als Investor bei den Berlinern ein. Sein Plan: die Hertha zum "Big City Club" zu machen, der sich dauerhaft in der Spitzengruppe der Bundesliga etablieren und folgerichtig auch im Europapokal Dauergast werden sollte. Doch daraus wurde nichts.
Hertha BSC: keine Konstanz, kein Erfolg
Durchschnittliche Spieler wurden für hohe Summen verpflichtet, ständig wechselten die Trainer. Denkwürdig und folgenreich wurde die Verpflichtung von Jürgen Klinsmann, der zuvor bereits als Vertreter von Windhorst in den Aufsichtsrat berufen worden war. Klinsmann blieb letztlich nur 76 Tage im Amt, befürwortete und förderte in dieser Zeit aber teure Transfers von Spielern, die zwar viel Geld kosteten, aber wenig sportlichen Erfolg brachten. Auf bizarre Art und Weise und ohne Vorwarnung trat Klinsmann schließlich mit einer Mitteilung auf Facebook zurück und hinterließ einen Scherbenhaufen.
Seit dem Abschied Klinsmanns am 11. Februar 2020 ist Sandro Schwarz bereits der sechste Cheftrainer, der auf der Hertha-Bank sitzt. Auch für Bobic, der zur Saison 2021/2022 als neuer Sport-Geschäftsführer und Nachfolger von Michael Preetz verpflichtet wurde, war Schwarz schon der vierte Coach seiner Amtszeit - sogar der eigentlich bereits seit Jahren in Fußballrente befindliche Felix Magath wurde zwischendurch als Retter verpflichtet.
Neuen sportlichen Schwung hat die Verpflichtung von Schwarz nicht gebracht. "Meine Mannschaft soll sehr aktiv und mutig nach vorne und gut strukturiert gegen den Ball sein. Außerhalb des Platzes geht es darum, sehr geschlossen aufzutreten", hatte Schwarz bei seinem Amtsantritt als Ziel ausgegeben. Fast nichts davon ist beim derzeitigen Tabellen-17. eingetroffen.
Hertha und Lars Windhorst: Ende im Streit
Auch finanziell sieht es düster aus: Die Windhorst-Millionen, insgesamt 374, sind schon lange aufgebraucht. "Das Geld ist weg", hatte Bobic im Februar 2022 zugeben müssen. Mittlerweile ist Windhorst dabei, sich endgültig bei den Berlinern zu verabschieden, nachdem es im vergangenen Jahr zum Eklat zwischen Klub und Investor kam. Auslöser waren Recherchen der "Financial Times", nach denen Windhorst eine israelische Wirtschaftsdetektei damit beauftragt haben soll, den ehemaligen Vereinspräsidenten Werner Gegenbauer mit einer gezielten Kampagne von seinem Posten zu verdrängen. Windhorst stritt ab, die Hertha forderte ihn zu einer schriftlichen Stellungnahme auf und schaltete die Anwälte ein.
Im Oktober 2022 teilte Windhorst schließlich via Facebook mit, dass es weder eine Basis noch eine Perspektive für eine erfolgreiche wirtschaftliche Zusammenarbeit mit Hertha BSC gebe. Das neue Präsidium sei "erkennbar an einer vertrauensvollen und seriösen Zusammenarbeit nicht interessiert", schrieb Windhorst. Mit 777 Partners, einer Investmentfirma aus den USA, die unter anderem bereits am FC Sevilla, dem CFC Genua und an Standrad Lüttich Beteiligungen hält, hat Windhorst einen Käufer seiner Anteile gefunden.
Verpatztes Berlin-Derby macht Hertha nicht attraktiver
Allerdings ist die Übernahme noch nicht besiegelt. Dabei braucht die Hertha finanzielle Hilfe, beim Kauf neuer Spieler, aber auch um Verluste aufzufangen. "Es ist eine Frage von Wochen und nicht Monaten, bis alles unterschrieben ist", kündigte Vereinspräsident Kay Bernstein kürzlich im Podcast "Hertha Base" an. "Windhorst ist sich mit dem Verkauf der Anteile mit 777 einig. Und wir sind mit 777 auf der Zielgeraden, um sich da auch einig zu werden." Doch ausgerechnet jetzt, wo es wichtig wäre, auch sportlich attraktiv zu erscheinen, zeigt sich die Mannschaft in der Bundesliga von ihrer schlechtesten Seite. Gerade mit einem Sieg im Derby gegen Union und entsprechend euphorischen Fans hätte man Eigenwerbung betreiben können.
Das Derby komme "genau zum richtigen Zeitpunkt". Man habe eine "Riesenchance, die Stimmungslage zu drehen", hatte auch Trainer Schwarz vorab gesagt. Bekanntermaßen kam es anders. Es war die vierte Derby-Niederlage in Folge und die dritte Pleite in der Bundesliga in Serie. Und auch die nächsten Aufgaben in der Liga machen wenig Hoffnung. Mit Eintracht Frankfurt, Borussia Mönchengladbach und Borussia Dortmund warten in den kommenden drei Wochen drei harte Brocken als Gegner.
Um vorherzusagen, dass die Berliner wohl bis zum Ende der Saison im Abstiegskampf bleiben werden, muss man kein großer Prophet sein. Sollte die Hertha am Ende tatsächlich absteigen, wäre das der Super-GAU. Doch auch wenn erneut die Rettung gelingt, wird nach der Saison ein Neuanfang nötig sein - der x-te der jüngeren Vergangenheit.