Heulen mit Yoko Ono
27. September 2005Da ist Heulen und Zähneklappern in den Filmen Yoko Onos: akustisch unterlegte Provokationen, die jetzt in einem verdunkelten Raum, einer Art Blackbox, herkömmliche Seh- und Hörgewohnheiten hinterfragen. Egal ob es sich um den 1970 entstandenen Streifen "Erection" handelt - das Entstehen eines Wohnblocks im Zeitraffer -, um eine gefilmte Parade nackter Hinterteile oder um ein gemeinsames Schachspiel mit John Lennon, bei dem die Figuren in surrealer Manier jenseits aller Regeln bewegt werden.
Die Bewusstmachung meist unbewusst ablaufender Vorgänge, das Brechen von tradierten Tabus, das Ausloten von Wahrnehmungsgrenzen - das ist es, was diese Künstlerin umtreibt. Klar, dass sie dabei immer wieder mit Klischees zu kämpfen hat. Und genau die nimmt jetzt der Leiter des Passauer Museums moderner Kunst, Hans-Peter Wipplinger, in seiner umfassenden Yoko-Ono-Retrospektive aufs Korn.
Das Klischee "Lennon-Witwe"
"Yoko Ono zu präsentieren, ist nach wie vor wichtig, weil sie eine der ersten Crossover-Künstlerinnen war", sagt Wipplinger. "Sie war eine der ersten Fluxus-Künstlerinnen in den späten 50er, frühen 60er Jahren, die in der New Yorker Avantgardeszene ein ganz wichtiger Mosaikstein war." Es werde allzu oft vergessen, dass dieser historische Aspekt ein wichtiger Teil der Fluxus-Bewegung ist. Das Klischee beziehe sich bei Yoko Ono immer auf ihre Rolle als Witwe von John Lennon, als sogenannte Zerstörerin der Beatles. "Und mir war es ganz wichtig bei dieser Ausstellung diese ja nahezu 50jährige künstlerische Produktionsphase aufzuzeigen“, so der Museumsleiter.
Am Anfang der Ausstellung wird Yoko Ono als frühe Fluxus-Vertreterin präsentiert, als Fürsprecherin jener dadaistisch angehauchten Kunstrichtung also, die gattungsübergreifend die Grenzen zwischen Kunst und Publikum niederreißen wollte. So steht beispielsweise eine weiß gestrichene Leiter nebst hängender Lupe mitten im ersten Raum herum. Hat der Besucher die Stufen erklommen, kann er bei diesem sogenannten "Ceiling Painting" an der Decke das winzige Wörtchen "Yes" lesen, eine positive ästhetische Affirmation, wenn man so will.
Biomorphe Strukturen
Auch der Nichthandwerker unter den Besuchern kann bei "Painting to Hammer a Nail" einen Hammer in die Hand nehmen und einen Nagel in ein Stück Holz schlagen: Aktivität und Kreativität statt passiver Kunstgenuss im Museum. In einer anderen Abteilung der Präsentation sind diverse Papierarbeiten zu finden: In ziselierter Handschrift verfasste Instruktionen zu Filmen oder Fotoaktionen. Arbeiten im Stil der Konzeptkunst, bei der es genügt, eine zündende Idee zu haben, ohne diese dann auch selber realisieren zu müssen. Feine, pointillistische Zeichnungen der 90er Jahre von Kugeln, Ovalen und biomorphen Strukturen dokumentieren, dass Yoko Ono nicht nur provozieren, sondern auch ästhetisch durchaus gefallen kann.
Eindeutig politisch hingegen: Von der Decke baumelnde, für Heuschrecken vorgesehene Holzkästchen, deren Beschriftungen an menschliche Katastrophen, an Hiroshima, Stalingrad oder Sarajewo, erinnern. Natürlich sind in Passau neben Plastiken, Fotoarbeiten und Musikstücken auch etliche Dokumente von Plakataktionen gegen den Krieg oder von sogenannten “Bed ins” vertreten, in Hotelbetten mit John Lennon durchgeführte Happenings für den Frieden: das schillernde Oeuvre einer Crossover-Künstlerin zwischen Pop-Kultur und Avantgarde. Am 22. Oktober wird Yoko Ono zu einer Performance in Passau erwartet.
Die Retrospektive von Yoko Ono mit rund 170 Arbeiten ist noch bis zum 23. Oktober im Museum Moderner Kunst Passau zu sehen. Einen Tag vorher wird Yoko Ono zu einer Performance erwartet.