1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen
Politik

"Heute kommen Sie in ein anderes Griechenland"

Panagiotis Kouparanis
11. Januar 2019

Für die Bundeskanzlerin gibt es in Athen viel Anerkennung. Tsipras und Merkel ziehen Bilanz ihrer bisweilen konfliktreichen und turbulenten Beziehung in den letzten vier Jahren. Panagiotis Kouparanis aus Athen.

Griechenland, Athen: Staatsbesuch Angela Merkel und Prokopis Pavlopoulos
Bild: Reuters/A. Konstantinidis

Temporäre Absperrungen der Polizei und eine Demonstration von vielleicht 200 Menschen - mehr gab es nicht an sicherheitsrelevanten Bemerkungen zum zweitägigen Besuch von Bundeskanzlerin Angela Merkel am Donnerstag und Freitag in Athen. Es ist das Kontrastprogramm zu ihrem letzten Besuch 2014. Damals wurde sie mit wütenden Protesten und persönlichen Anfeindungen empfangen. Diesmal wird sie ausgesprochen freundlich behandelt. "Deutschland und Sie persönlich haben Griechenland auf vielfältige Weise unterstützt, damit es aus der schweren Zeit der Programme heraus kommt", erklärte gar Staatspräsident Propokopis Pavlopoulos, als er sie am Freitagvormittag in seinem Amt begrüßte.

Betonung von Gemeinsamkeiten

Auch Tsipras sparte nicht mit freundlichen und anerkennenden Worten für die Bundeskanzlerin. Trotz der ideologischen Differenzen auf politischer Ebene, die es zwischen beiden gäbe, sei es gelungen, die Herausforderungen der Krise zu meistern und die Stereotypen zwischen beiden Ländern zu überwinden. "Das was Vorrang hatte," so Tsipras, "war die Rettung Griechenlands und in gewisser Weise auch Europas, weil die griechische Krise auch eine europäische Krise war." Die Mission habe Erfolg gehabt, versicherte Tsipras Merkel: "Heute kommen Sie in ein völlig anderes Griechenland, das Wachstum erzielt."

Ein paar Proteste gab es schon bei Angela Merkels Besuch in GriechenlandBild: Reuters/A. Konstantinidis

Die Bundeskanzlerin schlug den gleichen Ton an. Sie würdigte die Anstrengungen der Griechen, "die durch eine sehr, sehr schwierige Zeit gegangen" seien. Die Mühen hätten sich aber gelohnt, das Lande kehre zu Wachstum zurück, die Arbeitslosigkeit sei gesunken und sie sei zuversichtlich, dass es Griechenland gelingen werde, sich selbst an den Finanzmärkten Geld zu beschaffen. Sie fügte noch an, dass Griechenland nicht am Ende des Reformwegs angelangt sei. Was aber früher das Mantra einer jeden deutschen Erklärung zu Griechenland war, wurde diesmal nicht überstrapaziert. Jetzt stehen andere Fragen an.

Leitmotiv des Besuchs war Europa

Der Schwerpunkt des Besuchs lag besonders auf europäischen Fragen. Zwei Themen stachen besonders hervor: die Flüchtlingsfrage und die anstehenden Europawahlen. Viel Zuspruch erfuhr die Bundeskanzlerin von ihren griechischen Gesprächspartnern für ihre Haltung in der Flüchtlingsfrage. In Athen zeigte man sich nicht nur dankbar, weil sie 2015 die deutschen Grenzen für Flüchtlinge offen gelassen und auf diese Weise auch Griechenland vor einem Kollaps bewahrt hatte. Auch ihr Einsatz für das Zustandekommen der Vereinbarung EU-Türkei wurde gewürdigt und ebenso ihr konsequenter und beharrlicher Einsatz für eine gemeinsame EU-Asylpolitik und die Teilung der Lasten unter allen Mitgliedsländern. Mit Blick auf die Anfeindungen, die Merkel wegen ihrer Haltung erdulden musste, sprach ihr Staatspräsident Pavlopoulos Mut zu: Das was sie ihrem Land hinterlassen werde, darauf komme es an. Er war sich sicher, dass Merkel Bleibendes hinterlasse.

Die unterschiedliche politische Couleur scheint auch kein Hindernis zu sein für eine künftige Zusammenarbeit im Europaparlament. Fast gleichlautend beschworen Merkel und Tsipras die Gefahr der immer stärker werdenden nationalistischen und populistischen Parteien in Europa. Beide waren der Ansicht, dass sich künftig in der EU zwei Lager gegenüber stehen werden, die europafreundlichen und die europafeindlichen Kräfte. Die Proeuropäer müssten zusammenarbeiten. Manfred Weber, der Kandidat der Europäischen Volkspartei für die Europawahlen, hat es kürzlich in Berlin auf den Punkt gebracht: konservative, sozialdemokratische, linke und liberale proeuropäische Parteien müssten künftig zusammen stehen.

Ideologisch aus unterschiedlichen Lagern, aber in Sachen Europa geeint: Merkel und TsiprasBild: picture-alliance/dpa/A. Tzortzinis

Namensstreit um Mazedonien

Mit klaren Worten hat die Bundeskanzlerin in Griechenland für die Ratifizierung des Vertrags von Prespes geworben. Damit könne der jahrelange Streit um den Namen der Ehemaligen Jugoslawischen Republik Mazedonien beigelegt werden. Dass sei gut für Skopje, gut für Athen und auch für die EU. Der Beitritt des Landes mit dem Namen Nordmazedonien in die NATO und die EU würde zur Stabilisierung des West-Balkans beitragen. Von der Notwendigkeit des Vertrags konnte sie allerdings Kyriakos Mitsotakis nicht überzeugen. Man habe vor allem in Wirtschaftsfragen ähnliche Ansichten, aber der Vorsitzende der Schwesterpartei beharre weiterhin auf der Ablehnung des Vertrags, musste sie nach ihrem Treffen am Freitagmittag eingestehen. Auch eine Bundeskanzlerin könne da nichts ändern.

Ähnlich unaufgeregt gingen Merkel und ihre Gesprächspartner mit der Frage der Forderungen Griechenlands nach Wiedergutmachung, Reparationszahlungen und Rückzahlung des Zwangskredits aus der Zeit der deutschen Besatzung Griechenlands um. Tsipras sprach das Thema an, der griechische Staatspräsident Pavlopoulos auch. Man kann sich des Eindrucks nicht erwehren, dass das ein Pflichtprogramm ist. Wie auch bei anderen Gelegenheiten erklärte beim Treffen mit der Bundeskanzlerin der gelernte Staatsrechtler Pavlopoulos, dass die griechischen Ansprüche "rechtswirksam und einklagbar" seien. Diese Frage müsse vor einem internationalen Gericht geregelt werden. Für die Bundesregierung ist diese Frage rechtlich geklärt und politisch abgeschlossen. Merkel verwendete nicht diese in Stein gemeißelte Formel. Sie sagte stattdessen: "Wir sind uns unserer historischen Verantwortung bewusst. Wir wissen auch, wie viel Leid wir über Griechenland gebracht haben als Deutschland in der Zeit des Nationalsozialismus." Deshalb wolle man "alles daran setzen, gute Beziehungen mit Griechenland zu haben und sich gegenseitig zu unterstützen." Mehr Fingerspitzengefühl ist kaum möglich.