1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen

Hilfe für Somalias Flüchtlinge

Katrin Matthaei22. Oktober 2015

Die internationale Gemeinschaft zahlt Millionen, um Hunderttausenden somalischen Flüchtlingen eine Heimkehr zu ermöglichen. Doch noch zögern die meisten. Sie fürchten die anhaltende Gewalt.

Flüchtinge in Dadaab Kenial (Foto: EPA/DAI KUROKAWA)
Bild: picture-alliance/dpa/D. Kurokawa

Umgerechnet 93 Millionen Euro haben mehr als 40 Staaten und internationale Organisationen auf einer Geberkonferenz von Europäischer Kommission und dem Flüchtlingswerk der Vereinten Nationen (UNHCR) in Brüssel zugesagt, um die Lebensbedingungen in Somalia zu verbessern. Die Flüchtlinge sollen in ein Land zurückkehren können, in dem mehr Sicherheit und Rechtsstaatlichkeit herrscht.

Der Großteil der Gelder soll in Infrastruktur, Schul- und Berufsausbildung, Wasser- und medizinische Versorgung fließen. Außerdem soll die Landwirtschaft aufgebaut und neue Jobs geschaffen werden. Die Ambitionen sind groß.

Die Europäer übernehmen 60 Millionen Euro - mehr als die Hälfte. "Die Europäische Union ist ein wichtiger Unterstützer beim Aufbau eines stabilen und sicheren Somalias", sagte die EU-Außenbeauftragte Federica Mogherini. Die internationale Gemeinschaft müsse kooperieren, um für somalische Flüchtlingen eine bessere Zukunft zu schaffen. Die Konferenz habe gezeigt, dass "Europa und Afrika beim Thema Migration und Flüchtlinge zusammenarbeiten können", so Mogherini.

Gefangen im Flüchtlingslager

Die meisten somalischen Flüchtlinge sind im kenianischen Flüchtlingslager Dadaab untergebracht - dem größten Flüchtlingslager der Welt: Mehr als 300.000 Somalier leben in unzähligen aneinander gereihten Hütten, manche seit 20 Jahren. Einige kennen nichts anderes: Sie sind in dem Lager geboren und aufgewachsen. Das Bürgerkriegsland, aus dem ihre Eltern oder Großeltern flohen, haben sie nie gesehen. Doch für ihr Leben im sicheren Kenia mussten sie ihre Freiheit eintauschen: Dadaab gleicht einem Gefängnis. Die Flüchtlinge dürfen nicht raus, nicht arbeiten, es gibt Gewalt und Perspektivlosigkeit.

Das Flüchtlingslager in Dadaab ist das größte Lager der Welt - es gleicht einem GefängnisBild: AP

Deshalb packt die Familie Adan jetzt ihre Koffer und kehrt zurück nach Mogadischu. "Ich freue mich sehr, nach Hause zurückzukehren", sagt Mohammad Adan. Manche ihrer Lager-Nachbarn hätten zwar Angst um sie, weil der Konflikt in Somalias Hauptstadt noch nicht vorbei sei. "Aber wir freuen uns."

Es ist auch der Mangel an Alternativen, der sie antreibt. Denn Kenia macht den Flüchtlingen seit einiger Zeit sehr deutlich, dass sie hier nicht willkommen sind. Die kenianische Regierung hatte im Frühjahr angekündigt, das Lager zu schließen. Wenige Tage zuvor hatte die islamistische Terrorgruppe Al Schabaab 140 Menschen in der Universität von Garissa ermordet. Die kenianische Regierung bezeichnete das Flüchtlingslager Dadaab mehrfach als "Brutstätte für Al Schabaab-Terroristen".

EU will weitere afrikanische Flüchtlinge verhindern

Nairobi will die Flüchtlinge lieber heute als morgen loswerden. Kenianische Sicherheitskräfte gehen zum Teil mit äußerster Brutalität gegen Somalier im Land vor. Insofern sind die jetzt zugesagten Hilfsgelder auch ein Zugeständnis an Kenia. Auf der Geberkonferenz hat die EU dem ostafrikanischen Land nun außerdem 10 Millionen Euro zur Versorgung der Flüchtlinge versprochen.

Im Lager Dadaab herrscht PerspektivlosigkeitBild: picture-alliance/dpa/K. Abwao

Die EU hat durchaus auch ein eigenes Interesse, Somalia und Kenia zu stärken. Denn Brüssel will verhindern, dass weitere afrikanische Flüchtlinge an Europas Küsten ankommen. Die Unterstützung somalischer Flüchtlinge ist ein Element des sogenannten Khartum-Prozesses, einer Kooperation zwischen EU und afrikanischen Staaten. Länder am Horn von Afrika - also auch Somalia - stehen besonders im Fokus, weil von dort die meisten Flüchtlinge in die EU kommen.

Offiziell geht es beim Khartum-Prozess um den Kampf gegen Menschenhandel und Menschenschmuggel. Doch Menschenrechtsaktivisten vermuten, dass es vor allem darauf abzielt, Fluchtwillige noch in Afrika selbst festzusetzen. So will die EU etwa ausgerechnet die Militärdiktatur in Eritrea beim Kampf gegen Menschenschmuggel unterstützen. Aus Eritrea stammen die meisten afrikanischen Asylbewerber in europäischen Mitgliedstaaten.

Rückkehr um jeden Preis?

Selbst die EU-Kommission räumt ein, dass die "Bedingungen in Somalia noch nicht förderlich für eine Flüchtlings-Rückkehr in großem Maßstab" seien. Viele Flüchtlinge im Lager Dadaab stammen aus Regionen im Süden und im Zentrum Somalias, die noch von Al Schabaab kontrolliert werden. Den Menschen würden grundlegende Rechte verwehrt; es gebe öffentliche Hinrichtungen durch Al Schabaab, so die Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch (HRW). Neben der Bedrohung durch die Terrormiliz würden Zivilisten bei Gegenoffensiven der somalischen Sicherheitskräfte verletzt oder getötet, so HRW.

Deshalb haben viele Somalier weiterhin Angst vor der Gewalt in ihrem Land. Bisherige Rückkehr-Angebote wurden nur zögerlich angenommen: Ein Programm von UN und den Regierungen in Kenia und Somalia sollte bis Ende Juni 10.000 Menschen nach Somalia übersiedeln. Kurz vor Ablauf der Frist waren es nur etwas mehr als 2.000 Rückkehrer.

Al Schabaab terrorisiert Mogadischu - hier explodierte eine Autobombe in der somalischen HauptstadtBild: Reuters/F. Oma

Auch in der Hauptstadt Mogadischu ist die Lage nicht wirklich sicher: Zwar patroulieren überall Truppen der Afrikanischen Union. Sie haben die radikalislamische Al Schabaab-Miliz vor vier Jahren zwar aus der Stadt vertrieben. Trotzdem wird auch Mogadischu immer wieder von Anschlägen erschüttert.

In Freiheit - aber auf sich selbst gestellt

Diejenigen, die nun freiwillig nach Somalia zurückkehren, müssen sich nun selbst irgendwie über Wasser halten - nach Jahren der Fremdversorgung im Flüchtlingslager in Kenia. "Ich weiß langsam nicht mehr, wie ich meine Familie ernähren soll", sagt Amina Adan, eine Angehörige von Mohammad Adan. Amina ist schon vor einigen Monaten im Rahmen des UN-Programms mit ihrer Familie nach Mogadischu zurückgekehrt. "Mit dem Geld, das wir bekommen haben, muss ich Miete bezahlen." Doch zu mehr reicht diese Starthilfe nicht.

Trotzdem ist sie froh, wieder zuhause zu sein. Mit ihren Kindern geht sie an den Ort ihrer eigenen Kindheit: Zum Strand von Mogadischu. Zum ersten Mal sehen die Kinder das Meer. Und zum ersten Mal nach Jahren fühlen sie hier so etwas wie Freiheit. "Hier ist es viel besser als in Dadaab", sagt Aminas Tochter Idhil. "Weil es meine Heimat ist."

Mitarbeit: Shafagh Laghai

Den nächsten Abschnitt Mehr zum Thema überspringen