Hilfslieferungen nach Gaza: "Tropfen auf den heißen Stein"
20. Mai 2025
Die Vereinten Nationen haben von Israel die Genehmigung erhalten, dass noch im Verlauf dieses Dienstags etwa 100 weitere LKW mit Hilfslieferungen in den Gazastreifen fahren dürfen. Das teilte der Sprecher des UN-Nothilfebüros OCHA in Genf, Jens Laerke, mit. Am Montag hatte Israel nach elf Wochen seine Blockade des Palästinensergebiets gelockert und neun Lastwagen mit Hilfsgütern die Einfahrt über den Grenzübergang Kerem Schalom erlaubt. Nach Angaben des UN-Sprechers sind jedoch nur fünf davon tatsächlich in den Gazastreifen gelangt.
Die Verteilung der Hilfsgüter sollte an diesem Dienstag beginnen, sagte Laerke. An Bord sei Babynahrung. "Dort gibt es Babys, die dies zum Überleben brauchen. Wenn sie diese Nahrung nicht bekommen, sind sie in Lebensgefahr."
Sechs Mal so viele LKW während der Waffenruhe
Während der Feuerpause Anfang des Jahres waren jeden Tag bis zu 600 Lastwagen mit Hilfsgütern über die Grenze in den Gazastreifen gefahren. Die nun erlaubte Menge sei ein "Tropfen auf den heißen Stein", sagte UN-Nothilfekoordinator Tom Fletcher. Ähnlich äußerte sich auch die Hilfsorganisation Oxfam. Es fehle weiterhin an Nahrung, Wasser, Medikamenten und anderen lebenswichtigen Gütern, sagte Oxfam-Hilfseinsatzleiter Wassem Mushtaha.
Warnung vor Hungersnot
Die UN und Hilfsorganisationen warnen vor einer Hungersnot in dem abgeriegelten Küstenstreifen; die Appelle an Israel wurden zuletzt immer vehementer. Seit Anfang März hatte Israel keine Hilfslieferungen mehr in das nach mehr als anderthalb Jahren Krieg großflächig zerstörte Gebiet gelassen.
Das Land wirft der islamistischen Hamas vor, die Hilfsgüter weiterzuverkaufen, um ihre Kämpfer und Waffen zu finanzieren. Die rund 2,2 Millionen Einwohner des Gazastreifens sind zum Überleben fast ausschließlich auf Hilfe von außen angewiesen.
Israels Offensive geht weiter
Bei neuen israelischen Luftangriffen in dem Küstengebiet sind den Hamas-Gesundheitsbehörden zufolge mindestens 60 Palästinenser getötet worden; in den vergangenen acht Tagen gab es demnach mehr als 500 Todesopfer. Nach Angaben von Sanitätern zielten die Angriffe am Dienstag unter anderem auf zwei Wohnhäuser und eine Schule mit Vertriebenen. Unter den 18 Toten in den Wohnhäusern seien auch Frauen und Kinder gewesen. Die Angriffe erfolgten auf Chan Junis im Süden und Gebiete im Norden, darunter Deir al-Balah, Nuseirat, Dschabalia und Gaza-Stadt.
Das israelische Militär gab zunächst keine Stellungnahme ab. Es hat der Hamas wiederholt vorgeworfen, zivile Einrichtungen für militärische Zwecke zu nutzen und dort terroristische Einrichtungen zu betreiben.
Großbritannien bestellt israelische Botschafterin ein
Das britische Außenministerium bestellte als Reaktion auf das Vorgehen im Gazastreifen die israelische Botschafterin Tzipi Hotovely ein. Zudem würden Gespräche über ein Freihandelsabkommen zwischen beiden Ländern ausgesetzt, teilte die Regierung in London mit.
Der britische Premierminister Keir Starmer hatte zuvor erklärt, er sei ebenso wie die Staats- und Regierungschefs Frankreichs und Kanadas "entsetzt" über die militärische Eskalation in dem Palästinensergebiet. Vor dem Parlament wiederholte Starmer seine Forderung nach einem Waffenstillstand, nachdem er eine gemeinsame Erklärung mit dem französischen Präsidenten Emmanuel Macron und dem kanadischen Premierminister Mark Carney veröffentlicht hatte. Israels Regierungschef Benjamin Netanjahu wies die Kritik energisch zurück.
Der jüngste Nahostkrieg war durch den Terrorangriff der Hamas auf Israel am 7. Oktober 2023 ausgelöst worden. Die Hamas, die von vielen Staaten als Terrororganisation eingestuft wird, hatte nach israelischen Angaben rund 1200 Menschen getötet und 251 Personen als Geiseln in den Gazastreifen verschleppt.
Als Reaktion auf den Hamas-Überfall geht Israel seither massiv militärisch im Gazastreifen vor. Erklärtes Ziel der israelischen Regierung ist die Zerschlagung der radikalislamischen Palästinenserorganisation und die Befreiung der noch verbliebenen Geiseln. Seit Oktober 2023 wurden nach Angaben der Hamas-Behörden, die nicht unabhängig überprüft werden können, mehr als 53.000 Menschen in dem Küstengebiet getötet.
fab/jj/ie (dpa, rtr, epd, afp)
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