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Politik

"Wir stärken die Frauen"

26. Juni 2019

Die Welthungerhilfe lasse sich vom Gedanken der Gleichheit leiten, sagt Generalsekretär Mathias Mogge - auch mit Blick auf das Verhältnis der Geschlechter. Im Zentrum der Arbeit steht die Förderung der Landwirtschaft.

Ghana Project BG Ghana's viele Gesichter
Bild: Getty Images/AFP/C. Aldehuela

DW: Herr Mogge, die Welthungerhilfe ist am stärksten in Afrika engagiert. Was sind die spezifischen Probleme des Kontinents?

Der Kontinent hat eine wirklich extrem junge Bevölkerung. Jedes Jahr kommen zwischen 15 und 20 Millionen junger Afrikaner auf den Arbeitsmarkt. Bis 2050 wird sich die Bevölkerung in Afrika verdoppeln. Deswegen ist es sehr wichtig, in solche Arbeitsplätze zu investieren, die den Menschen dann auch einen Lebensunterhalt gewährleisten können. Diese demografische Entwicklung ist nicht nur ein Problem sondern auch eine Chance für Afrika. Letztlich kommt es darauf an, aus dieser Herausforderung etwas Positives zu machen.

Stark engagiert ist die Welthungerhilfe in der Demokratischen Republik Kongo. Das Land leidet seit Jahren unter Krieg und Gewalt. Welche Auswirkungen haben die Kämpfe auf die Zivilbevölkerung?

Hunger wird auch durch Kriege und Konflikte verstärkt. In Ländern wie dem Südsudan, dem Kongo oder Niger führen bewaffnete Auseinandersetzungen dazu, dass Menschen ihre Dörfer verlassen und ihre gesamte Existenzgrundlage verlieren. Gleichzeitig werden Ressourcen wie Wasser oder Weideflächen knapp, was zu weiteren  Auseinandersetzungen führt. Hinzu kommt der Klimawandel, der die Menschen in zusätzliche Krisensituationen bringt. All dies geschieht in Ländern und Gesellschaften, in denen die Menschen nur wenige Widerstandskräfte haben, um solchen Notlagen zu trotzen.

Viele Menschen in Afrika leiden unter sozialer Ungleicheit. Wie gehen Sie dieses Problem an?

Mathias Mogge, Generalsekretär der WelthungerhilfeBild: Welthungerhilfe/Barbara Frommann

Wir achten zum Beispiel bei unseren Projekten und Programm darauf, dass Frauen gleichberechtigten Zugang zu den Dienstleistungen haben, die wir anbieten. Sie sollen bei den Projekten genauso als Akteure wahrgenommen werden und eine Rolle spielen wie die Männer. Ich war vor einigen Tagen in Simbabwe. Dort geht es um landwirtschaftliche Projekte. Wir drängen darauf, dass in den Komitees genauso viele Frauen wie Männer vertreten sind. Wenn man auf Parität achtet und sie immer wieder anmahnt, wird sich langfristig etwas verändern. Das gilt natürlich auch für andere Bereiche innerhalb der Ausbildung. Auch bei Trainingsangeboten achten wir auf eine gerechte Beteiligung. Wir stärken die Frauen, weil sie eine große Rolle spielen.

Sie wollen Menschen zur Selbsthilfe befähigen. Wie gehen Sie vor?

In vielen Regionen gibt es zwar genügend Nahrungsmittel. Aber sie sind häufig sehr teuer. Wir versuchen den Menschen zu helfen, indem wir ihren Zugang zu gesunden Nahrungsmitteln verbessern. Dies geschieht etwa dadurch, dass sie selbst Obst und Gemüse anbauen. Darum bringen wir zum Beispiel Obstbäume in Gegenden, wo der Anbau bislang nicht oder kaum gefördert wird. Auch wirken wir darauf hin, dass die Menschen gesunde Nahrungsmittel erhalten. In Simbabwe arbeiten wir mit den Bäuerinnen und Bauern entlang ganz bestimmter Wertschöpfungsketten wie etwa Tomaten. Es kann aber auch wie in Sierra Leone Kaffee oder Kakao sein. Der wird dann insbesondere für den internationalen Markt angebaut. Wichtig ist aber, den Leuten Zugang zu den lokalen Märkten zu verschaffen. Zu diesem Zweck bauen wir etwa Markthallen, in denen die Menschen dann Handel treiben können. 

Mit der Landwirtschaft in die Selbständigkeit - eine Bäuerin in GhanaBild: Getty Images/AFP/C. Aldehuela

Das heißt, man muss offenbar in längerfristigen Zeiträumen denken?

Ja. Schauen Sie zum Beispiel auf Frauen, die ein Kind gebären. Oftmals sind sie vor der Geburt fehl- oder unterernährt. In der Folge ist das Kind in der Regel ebenfalls schlecht versorgt. Dann kommt ein Teufelskreis in Gang: Schlechte Voraussetzungen ziehen weitere schlechte Voraussetzungen nach sich. Darum setzen wir darauf, die Ernährung werdender Mütter zu verbessern. Sie bekommen Zugang zu gesunder Ernährung, damit ihre Kinder gesund zur Welt kommen können. Die ersten tausend Tage nach der Empfängnis sind aus Sicht der aktuellen medizinischen Forschung die entscheidenden für die Gesundheit eines Kindes. Darum versuchen wir, Mütter und Kinder in diesem Zeitraum ganz besonders zu unterstützen.

Wie gelingt ein selbstständiges Leben?

Wir versuchen, grundsätzlich Lösungen zu finden, die die Menschen zumindest mittelfristig in eine Unabhängigkeit zu bringen, so dass sie ihr Leben selbstbestimmt gestalten können. Ziel ist es, neben dem Hunger auch die Armut zu überwinden. In Simbabwe haben wir etwa kleine Mengen Saatgut verteilt, auf dessen Grundlage die Menschen weiteres Saatgut produzieren und auf den Markt bringen können. Diesem Prinzip folgen wir auch anderswo.

In Myanmar haben wir in Zusammenarbeit mit der Universität Wageningen in den Niederlanden eine App programmiert, die das Ziel hat, die Saatgut-Produktion anzukurbeln. Die App stellt eine Plattform zur Verfügung, wo diejenigen, die ihr Saatgut produziert haben, es an diejenigen verkaufen können, die zu wenig oder gar kein Saatgut haben. Eine andere App informiert die Nutzer darüber, welche Bauern wo Werkzeuge vermieten, die sie gerade nicht brauchen. An die können sie sich dann wenden. In der App sind auch die entsprechenden Mietpreise festgelegt.

Der Agraringenieur und Umweltwissenschaftler Mathias Mogge ist Generalsekretär der Hilfsorganisation Welthungerhilfe.

Das Gespräch führte Kersten Knipp.

Kersten Knipp Politikredakteur mit Schwerpunkt Naher Osten und Nordafrika
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