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Politik

Schlechtes Zeugnis für deutsche Afrikapolitik

Daniel Pelz Berlin
4. April 2019

Die Bundesregierung hat Afrika zum Schwerpunkt erklärt, Deutschland ist auf dem Kontinent weitaus mehr präsent als früher. Hilfsorganisationen sagen in ihrem Bericht "Kompass 2019" aber: Viele Prioritäten sind falsch.

Bundesentwicklungsminister Gerd Mueller bei der Besichtigung der Firma "Ibero Uganda Ltd"
Entwicklungsminister Gerd Müller bei einem Besuch in UgandaBild: Imago/Photothek

Für Afrika-Fans in Berlin sind es eigentlich gerade gute Zeiten: Vergangene Woche beschloss die Bundesregierung ein überarbeitetes Afrika-Konzept, das die große Bedeutung des Kontinents unterstreicht. Später im Jahr soll der neue Milliardenfonds an den Start gehen, der Investitionen deutscher und afrikanischer Firmen in Afrika fördern soll. Das Kabinett hat auch den Bundeswehreinsatz in Mali verlängert, trotz verschlechterter Sicherheitslage.

Die beiden Hilfswerke Welthungerhilfe und "Terre des Hommes" üben trotzdem Kritik. In ihrem neuen Bericht "Kompass 2019: Zur Wirklichkeit der deutschen Entwicklungspolitik" warnen sie: In der deutschen Entwicklungspolitik fehle es an Geld und den richtigen Schwerpunkten. Stattdessen stehe oft die Migration im Vordergrund: "Wir sehen mit Sorge, dass im Mittelpunkt afrikapolitischer Programme der Bundesregierung und der EU zunehmend Länder stehen, die als Herkunfts- und Transitländer gelten. Nicht die Länder, wo die Not am größten ist, auch wenn sich häufig Schnittmengen ergeben", sagt der Generalsekretär der Welthungerhilfe, Mathias Mogge.

Arme Länder bleiben außen vor

So besuchte Bundeskanzlerin Merkel vergangenes Jahr etwa Nigeria, Senegal und Niger, die alle in diese Kategorien passen. Als die Bundesregierung während ihrer G20-Präsidentschaft die "Compact with Africa"-Initiative präsentierte, gab es bei der Auswahl der afrikanischen Partnerländer teils ähnliche Kritik.

Mathias Mogge von der Welthungerhilfe fordert mehr Aufmerksamkeit für arme LänderBild: picture-alliance/dpa/Deutsche Welthungerhilfe/B. Frommann

Die Hilfswerke fordern, dass sich die deutsche Entwicklungspolitik auf die Bekämpfung von Hunger und Armut konzentrieren solle. In Afrika setzt die Bundesregierung dagegen auf einen anderen Ansatz: Sie will Privatinvestitionen deutscher Firmen auf dem Kontinent stärker fordern, damit Jobs und Wohlstand geschaffen werden.

Dabei bleiben viele arme Länder außen vor, meint Matthias Mogge von der Welthungerhilfe. 33 der 47 ärmsten Länder der Welt liegen laut "Kompass 2019" in Afrika: "Die Mehrheit dieser Länder sind für Privatinvestitionen häufig nicht besonders attraktiv, denn sie sind geprägt von Konflikten, Kriegen und häufig auch schlechter Regierungsführung", so Mogge. Staaten wie Sierra Leone oder Liberia, 2014 Schauplatz der weltweit schlimmsten Ebola-Epidemie, seien aus der Wahrnehmung der deutschen Politik verschwunden. Auf der Liste der zehn größten Empfänger deutscher Entwicklungshilfe findet sich laut dem Bericht kein einziges afrikanisches Land. Indien, Syrien und China führen sie an.

Auch die Koordination der deutschen Afrikapolitik muss aus Sicht der Hilfswerke besser werden. Seit der deutschen G20-Präsidentschaft 2017 existieren in verschiedenen Ministerien eigene Afrikakonzepte. Kritiker monieren, dass sie sich in zentralen Punkten mitunter widersprechen: Während der "Marshallplan mit Afrika" des Entwicklungsministeriums die Bedeutung von Demokratie und Menschenrechten unterstreicht, arbeitet das Finanzministerium beim"Compact with Africa" mit autoritären Staaten wie Ruanda und Togo zusammen. Laut Bundesregierung sollen die neuen Leitlinien für die nötige Koordination sorgen. Wie das in der Praxis funktionieren wird, ist aber noch unklar: Alle bisherigen Konzepte sollen daneben weiter existieren.

Die Bundesregierung verspricht mehr Anstrengungen im Kampf gegen den Hunger Bild: DW/B. Darame

"Kohärenz zwischen den verschiedenen Ministerien herzustellen, ist ein wichtiger Schritt", sagt der Vorstandssprecher von "Terre des Hommes", Albert Recknagel. "Zu Kohärenz gehört aus meiner Sicht aber auch, die politischen Überlegungen und Forderungen der afrikanischen Seite stärker einzubeziehen." Hier schwebt den Hilfswerken vor allem die Agenda 2063 der Afrikanischen Union vor. Den Plan für die wirtschaftliche und soziale Entwicklung des Kontinents haben die Staats- und Regierungschefs afrikanischer Länder gemeinsam erarbeitet. In den neuen afrikapolitischen Leitlinien betont die Bundesregierung, sich daran orientieren zu wollen. Welthungerhilfe und "Terre des Hommes" fordern aber praktische Schritte, wie etwa gemeinsame Programme zwischen Deutschland und der AU.

Minister verspricht mehr Einsatz

Außerdem müssten die globalen Schwerpunkte des deutschen Engagements neu überdacht werden. Weltweit sei jedes fünfte Kind direkt oder indirekt von Kriegen und Konflikten betroffen. "Alle Kriege sind Kriege gegen Kinder", so "Terre des Hommes"-Chef Recknagel. Viele Kinder seien indirekt betroffen, etwa 25 Millionen könnten weltweit aufgrund von Konflikten nicht zur Schule gehen. In manchen Regionen habe die Zwangsverheiratung von Kindern bei Konflikten zugenommen. 250.000 Kinder seien in bewaffneten Einheiten aktiv - als Kindersoldaten, Träger oder Helfer. "Eine Zahl von 250.000 kann man sicherlich nicht mit einer Million Euro pro Jahr unterstützen", so Recknagel.

"Der heute vorgestellte Bericht mahnt völlig zu Recht an: Die Ärmsten sind am meisten auf unsere Unterstützung angewiesen. Wir müssen unsere Armuts- und Hungerbekämpfung daher insbesondere in den am wenigsten entwickelten Staaten weiter ausbauen", kommentierte Entwicklungsminister Müller den Bericht der Hilfsorganisationen in einer schriftlichen Stellungnahme. Dies ginge jedoch nur mit ausreichenden finanziellen Mitteln. "Die derzeitigen Planungen für den Entwicklungshaushalt 2020 sowie die Finanzplanung für die Folgejahre reichen dafür nicht aus."

Anmerkung: In einer neuen Pressemitteilung schreibt das Bundesentwicklungsministerium am 05.04.2019, dass die Ausführungen im Bericht "Kompass 2019" zu den Top-Empfängerländern deutscher Entwicklungshilfe "irreführend" seien. Die 20 höchsten Zusagen seien in den Jahren 2017 und 2018 sieben der am wenigsten entwickelten Ländern gegeben worden: Afghanistan, Äthiopien, Burkina Faso, Mali, Niger, Ruanda und Uganda. 

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