Bevölkerung in Not
5. Januar 2009Am dringendsten werden nach Angaben des Roten Kreuzes Blutkonserven benötigt, aber auch Betäubungs- und starke Schmerzmittel, Tetanusspritzen und Laken. Selbst Leichensäcke fehlen. Unter diesen Voraussetzungen fällt den internationalen Helfern im Gazastreifen eine wirkungsvolle Hilfe schwer. "Die Bevölkerung von Gaza ist von einer beispiellosen humanitären Krise betroffen", sagte der Direktor des UN-Koordinierungsbüros für humanitäre Hilfe (OCHA), Philippe Lazzarini, am Montag (05.01.2009) in Jerusalem. Die Menschen seien hungrig, litten unter der Kälte und der Unsicherheit, so Lazzarini weiter.
1,5 Millionen Palästinenser leben ohne Strom
Am 30. Dezember wurde das einzige Kraftwerk in Gaza abgeschaltet, weil kein Industriediesel über die Grenze kam. Wegen der Beschädigung von zehn Transformatoren sowie von sechs der zehn Energieleitungen, die aus Israel kommen, sowie einer der beiden Leitungen aus Ägypten, leben derzeit 75 Prozent der 1,5 Millionen Palästinenser ohne Strom. Palästinensische Techniker könnten die Leitungen wegen der Kämpfe nicht reparieren, schreibt die Hilfsorganisation Gisha. Bei den israelischen Luftangriffen wurden viele Wasserrohre beschädigt. Nach Angaben der Wasserbehörde in Gaza haben sieben von zehn Palästinensern überhaupt kein Wasser mehr. Unbehandeltes Abwasser läuft in die Straßen oder fließt ins Meer.
Israel hat am Montag 80 Lastwagen mit humanitären Hilfsgütern wie Medikamenten, medizinischen Ausrüsten und Nahrung in den Gazastreifen gelassen. Darüber hinaus wurden 200.000 Liter Diesel für das Kraftwerk und Hilfsorganisationen durchgelassen. 400 Lastwagen hatten zuvor schon seit Beginn der Militäroffensive am 27. Dezember die Grenze passiert.
Grenzübergang wird zum Engpass
Israel hat aufgrund der Sicherheitslage nur den Grenzübergang Kerem Schalom für die Abfertigung von Hilfsgütern geöffnet. Die Kapazität dieses Überganges liegt jedoch nur bei 100 Lastwagen pro Tag. "Die Zahl der Lastwagen ist völlig unzureichend, um die Bedürfnisse der Menschen zu decken", beklagt OCHA-Direktor Lazzarini. Außerdem könnten die Hilfsorganisationen wegen der Angriffe keine Hilfsgüter wie Nahrung verteilen. "Was wir jetzt dringend brauchen, ist eine Atempause für die Menschen."
Doch von einer Atempause kann noch keine Rede sein. Trotz intensiver internationaler Vermittlungsbemühungen um ein Ende der Kämpfe im Gazastreifen hat Israel seine Militäroffensive fortgesetzt. Israels Verteidigungsminister Ehud Barak machte deutlich, dass es kein schnelles Ende der Angriffe geben werde.
Auch in Gaza-Stadt wird gekämpft
Zum ersten Mal seit Beginn der israelischen Bodenoffensive lieferten sich israelische Soldaten und Kämpfer der Hamas schwere Kämpfe in Gaza-Stadt. Am Nachthimmel über Gaza waren Kampfhubschrauber zu sehen. Die israelischen Truppen sollen erste Stadtviertel in Gaza-Stadt erobert haben.
Bei den Kämpfen im Gazastreifen wurden am Montag nach Angaben palästinensischer Rettungskräfte 50 Palästinenser getötet, darunter zwölf Kinder. Laut dem Chef des ärztlichen Notdienstes, Muawija Hassanein, kamen seit Beginn der israelischen Offensive gegen die radikalislamische Hamas am 27. Dezember insgesamt 555 Palästinenser ums Leben, 2.700 weitere wurden verletzt.
Bundesregierung sorgt sich um Zivilbevölkerung im Gaza-Streifen
Die Bundesregierung zeigt sich zunehmend besorgt wegen des Leidens der Zivilbevölkerung. Das Auswärtige Amt in Berlin bezeichnete die humanitäre Lage in dem Palästinensergebiet als "prekär". Ein Sprecher des Außenministeriums verwies zudem darauf, dass Deutschland bislang elf Millionen Euro für humanitäre Hilfen in der Region bereit gestellt habe. Am Dienstag will die Bundesregierung den Nahost-Beauftragten des Auswärtigen Amtes, Andreas Michaelis, zu Vermittlungen in die Region schicken.
Unterdessen hat US-Präsident George W. Bush die israelische Bodenoffensive im Gazastreifen als einen "Akt der Selbstverteidigung" bezeichnet. Er beschuldigte erneut die Hamas, für die gegenwärtige Situation verantwortlich zu sein. Ein Friedensabkommen sei nur dann möglich, wenn die Hamas ihre Angriffe einstelle.
Israel lehnt Vermittlungsvorschläge der EU ab
Israel lässt sich weiterhin nicht auf internationale Vermittlungsversuche ein. So lehnt die Regierung die europäische Forderung nach einem raschen Waffenstillstand und UN-Beobachtern im Gazastreifen ab. Die israelische Außenministerin Zipi Livni erklärte nach einem Treffen mit einer EU-Delegation, der Kampf gegen den Terror der radikal-islamischen Hamas werde fortgeführt.
Parallel zur Vermittlungsmission der so genannten EU-Troika ist auch der französische Präsident Nicolas Sarkozy in der Region unterwegs. Unter anderem führte er in Ramallah ein Gespräch mit Palästinenserpräsident Mahmud Abbas. Beide Politiker forderten Israel eindringlich auf, die Gewalt sofort zu beenden. "Wir wollen so schnell wie möglich einen Waffenstillstand", sagte Sarkozy auf einer Pressekonferenz. Die Zeit arbeite gegen einen Frieden. (La)