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Hilfswerke fordern Reformen

Bernd Gräßler8. Oktober 2013

Der deutschen Entwicklungspolitik mangele es an Kompetenzen und Geld, beklagen Hilfsorganisationen. Sie empfehlen einer künftigen Regierung eine deutliche Aufwertung des Bundesentwicklungsministeriums.

Ein armes Kind hält die Hand eines Entwicklungshelfers (Foto: RioPatuca Images)
Bild: RioPatuca Images/Fotolia

Bis September 2015 will die internationale Staatengemeinschaft neue Leitlinien für nachhaltige Entwicklung und Armutsbekämpfung definieren. Die sogenannte Post-2015-Agenda soll dann auf einem Gipfeltreffen der Staats- und Regierungschefs verabschiedet werden. Für die künftige Bundesregierung bedeute das, klare inhaltliche Positionen zu beziehen, heißt es in einer kritischen Bestandaufnahme der deutschen Entwicklungszusammenarbeit, die die Hilfsorganisationen "terre des hommes" und Welthungerhilfe in Berlin vorlegten.

Beide Hilfswerke sehen Deutschland derzeit in einer "nationalen Nische". In den Diskussionen über die künftige internationale Entwicklungsagenda und universelle Nachhaltigkeitsziele habe die Regierung bisher öffentlich nicht Stellung bezogen, kritisiert der Generalsekretär der Deutschen Welthungerhilfe, Wolfgang Jamann: "Im internationalen Konzert fehlt die Bundesregierung an allen Ecken und Enden", sagt Jamann.

Lediglich Altbundespräsident Horst Köhler habe sich als Mitglied des von UN-Generalsekretär Ban Ki-Moon ins Leben gerufenen "High-Level-Panels" an den Diskussionen über die Post-2015-Agenda engagiert beteiligt, allerdings in seiner persönlichen Eigenschaft und nicht als Vertreter der Bundesregierung.

Neue Entwicklungsziele für die Welt

11:59

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Ministerium soll aufgewertet werden

Die 25 Seiten umfassende Analyse der Hilfswerke enthält auch ein Reformprogramm. Darin heißt es: "Um dem weiteren Bedeutungsverlust der klassischen westlich-geprägten Entwicklungspolitik zu begegnen, muss sich die Entwicklungspolitik neu erfinden." In erster Linie gehe es um die "kohärente Ausrichtung aller Sektorpolitiken an den Prinzipien und Zielen nachhaltiger Entwicklung und den menschenrechtlichen Verpflichtungen." Das betrifft so unterschiedliche Politikfelder wie Welthandel und Auslandsinvestitionen, Rohstoffpolitik, Währungs- und Finanzpolitik, die Regulierung der Schattenfinanzzentren, Landwirtschaft, Ernährungssicherheit, Klimaschutz und Schutz der Meere.

Das veränderte Herangehen muss sich nach Ansicht der Hilfsorganisationen auch national in den Kompetenzen des zuständigen Ministeriums widerspiegeln. Das bisherige Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ) sollte demnach die Federführung für alle Bereiche globaler Politik erhalten, die mit nachhaltiger Entwicklung und Menschenrechten zu tun haben. Das schließe auch ein Vetorecht gegenüber Regierungsentscheidungen ein, beispielsweise in der Agrarpolitik, der Außenwirtschaftsförderung oder der besonders umstrittenen Rüstungsexportpolitik. Ein solches Vetorecht hat derzeit nur der Finanzminister.

Die vom bisherigen Ressortminister Dirk Niebel (FDP) besonders geförderte Kooperation mit privaten Unternehmen solle grundsätzlich evaluiert werden, fordern die Hilfsorganisationen. Solche Kooperationsvorhaben müssten künftig zu den nationalen Entwicklungsstrategien der Partnerländer passen, dürften nicht auf Kosten einheimischer Unternehmen erfolgen und in jedem Fall die Menschenrechte beachten.

Wolfgang Jamann, Generalsekretär der Deutschen WelthungerhilfeBild: picture-alliance/dpa

Wahlprogramme versprechen mehr Geld

Reformiert werden soll auch die öffentliche Finanzierung von Entwicklung. Dies dürfe aber nicht als Vorwand dafür dienen, die bisher geltende Verpflichtung aufzugeben, wonach die deutschen Entwicklungsleistungen bis 2015 auf 0,7 Prozent des Bruttoinlandsprodukts (ODA-Quote) zu steigern sind.

Alle im neuen Bundestag vertretenen Parteien haben in ihren Wahlprogrammen ein Aufstocken der Gelder für die Entwicklungszusammenarbeit versprochen. "Da muss man die Parteien natürlich auch beim Wort nehmen", sagt Wolfgang Jamann, "denn diese Erwartungen gibt es auch in der internationalen Gemeinschaft, das wird einfach von einem Staat wie Deutschland erwartet, dass man das 0,7-Prozent-Ziel als Minimalkonsens auch erreicht."

Im vergangenen Jahr lag die deutsche ODA-Quote bei 0,38 Prozent (10,2 Milliarden Euro), wobei die Ausgaben für den internationalen Klimaschutz angerechnet wurden. Bis 2015 müssten die deutschen Mittel für die internationale Entwicklungszusammenarbeit und den Klimaschutz um jährlich 2,5 Milliarden Euro angehoben werden, um das 0,7-Prozent-Ziel zu erreichen. Um diese Gelder aufzubringen, empfehlen "terres de hommes" und Welthungerhilfe, die Einnahmen aus der Schließung von Steuerschlupflöchern und der künftigen Finanztransaktionssteuer zu nutzen.

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