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Hilft Nikotin bei Parkinson?

Gudrun Heise
10. April 2019

In Nordamerika gibt es die meisten Fälle von Parkinson. In Asien hingegen weit weniger. Forscher suchen nach Möglichkeiten, die Krankheit einzudämmen und kommen dabei auch zu ungewöhnlichen Ergebnissen.

Deutscher Zukunftspreis 2006
Bild: picture-alliance/dpa/Ansgar Pudenz/Deutscher Zukunftspreis

"Es scheint wirklich so zu sein, dass Nikotin vor Parkinson schützt", sagt Daniela Berg, Leiterin der Klinik für Neurologie in Kiel. "Das Nikotin bezieht sich nicht nur auf das Rauchen selbst. Auch Passivrauchen gehört dazu, genauso wie Tabakkauen", so Berg weiter.

Nikotin ist allerdings nicht nur in Tabak enthalten, es steckt auch in Nachtschattengewächsen wie Kartoffeln, Tomaten und Pfeffer. Die Mengen sind sehr gering, aber Nikotin – selbst in geringen Mengen – war häufig Gegenstand von Studien. "Es gibt wohl kaum einen Aspekt, der so häufig als schützend vor Parkinson beschrieben wurde wie Nikotin", sagt Daniela Berg. Einige Studien kommen zu dem Ergebnis, dass beim Rauchen bestimmte Enzyme angeregt werden, die Nervengifte inaktivieren.

"Die Wirkung von Nikotin ist noch nicht vollständig, aber Fakt ist, dass Menschen, die rauchen, weniger häufig an Parkinson erkranken. Aber man würde deswegen natürlich niemandem zum Rauchen raten, denn es gibt viel zu viele negative Aspekte", so die Einschätzung der Neurologin. Wie Parkinson vorgebeugt und behandelt werden kann, wie und wo die Erkrankung entsteht, sind nur einige Aspekte, die aktuell bei dieser neurodegenerativen Erkrankung international mit Hochdruck beforscht werden.

In den dunkelblau gekennzeichneten Regionen gibt es die meisten Fälle von Parkinson

Eine Frage der Gene

Eine Studie, die 2016 in der medizinischen Fachzeitschrift 'The Lancet' veröffentlicht wurde, zeigt die Häufigkeit von Parkinson weltweit. Kanada und Nordamerika führen die Statistik an, obwohl beides hochentwickelte Regionen mit sehr guter medizinischer Versorgung sind. Aber das ist nicht unbedingt ausschlaggebend. "Es gibt bestimmte Bevölkerungsgruppen, die eine genetische Veranlagung haben und deshalb ein erhöhtes Risiko dafür tragen, Parkinson zu entwickeln", erklärt Berg. Über eine solche genetische Veranlagung verfügen auch einige Bevölkerungsgruppen in Nordamerika. "Wir wissen heute, dass Mutationen in bestimmten Genen die Hauptursache für Parkinson-Erkrankungen in dieser Bevölkerungsgruppe sein könnten. 

Veranlagung ist nicht alles

Auch die Umwelt spielt eine große Rolle. Zu den Umweltgiften, die gefährlich für das Nervensystem sein können, gehören u.a. Pflanzenschutzmittel. Anders als in Deutschland und in Europa waren sie in Kanada und in Nordamerika bis vor kurzem noch erlaubt. "Diese Pflanzenschutzmittel erhöhen die Gefahr, an Parkinson zu erkranken. Sie sind sehr schlecht für den Stoffwechsel der Zellen", sagt Berg.

Umweltgifte zerstören unsre NervenzellenBild: imago/Science Photo Library

Ein Beispiel für den Zusammenhang zwischen Umweltgiften und Parkinson gibt es auch in Südamerika. Wissenschaftler haben herausgefunden, dass Menschen, die dort das Metall Mangan abbauen, ein erhöhtes Risiko haben, Parkinson zu entwickeln. Das Spurenelement Mangan ist per se schädlich für Nervenzellen.

Wie wir leben

Es ist das komplexe Wechselspiel zwischen Genen und Umwelt, das eine Parkinson-Erkrankung begünstigt. "Wenn es einen einzigen Faktor gäbe, könnten wir hoffen, dass wir ihn schon gefunden hätten", sagt Berg. "Dann könnten wir die Menschen entsprechend beraten und niemand würde mehr Parkinson bekommen."

Parkinson - Unsere Experten im Gespräch

07:40

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Auch der Lebensstil hat einen entscheidenden Einfluss auf neurodegenerative Erkrankungen wie Parkinson. Dazu gehört die Ernährung. Polyphenolhaltige Lebensmittel wie etwa Grüner Tee, Kaffee, dazu viele Stoffe, die in roten Beeren enthalten sind, haben einen positiven Einfluss auf die Nervenzellen. "Sie entfernen die schlechten Stoffwechselprodukte. Sie sind besonders hilfreich bei oxidativem Stress, also dort, wo schlechte Stoffwechselprodukte die Zellen schädigen können", erläutert Berg. In diesem Sinne sei auch eine mediterrane Diät empfehlenswert, so wie sie auch zur Vorbeugung von Herz-Kreislauf-Erkrankungen hilfreich ist. 

Sport und Bewegung

Körperlichen Aktivitäten kommt eine ganz besondere Rolle zu. "Menschen, die im mittleren Lebensalter mäßig bis viel Sport treiben, haben ein substantiell verringertes Risiko im Alter eine Parkinsonerkrankung zu bekommen" erklärt Berg. In einer großen Studie waren diese Aspekte untersucht worden. "Verglichen mit Menschen, die wenig bis keinen Sport treiben, war das relative Risiko der aktiven Personen, Parkinson zu entwickeln, um cirka 40 Prozent reduziert", fasst die Neurologin zusammen.

Das Gesamtkonzept "Japan"

In Japan ist der Lebensstil ein ganz anderer als beispielsweise in Nordamerika. In Japan gehört Grüner Tee überall und immer dazu. Japaner nehmen während ihres Lebens sehr viele Polyphenole zu sich, und die kümmern sich eben um schlechte Stoffwechselprodukte im Körper.

In Japan gehört Grüner Tee zum Alltag

Ernährung, wie etwa der häufige Verzehr von Fisch und die Heilmethoden in Japan unterscheiden sich deutlich von denen in westlichen Industrieländern. "Es gibt in Asien beispielsweise eine Wurzel, die Dopamin enthält. Die Menschen dort nehmen keine Parkinsonmedikamente, sondern die Wurzel. Es sind dieselben Inhaltsstoffe", erklärt Berg. Eine weitere mögliche Erklärung für die relativ niedrige Zahl an Parkinsonfällen in Japan und in Asien allgemein sieht Berg auch hier wieder in der genetischen Veranlagung. "Diese Menschen haben vielleicht mehr schützende Gene als andere. Wir wissen, dass es einfach volksspezifische genetische Hintergründe gibt", so die Wissenschaftlerin. Es ist eine Kombination zahlreicher Faktoren, die den Körper schützen. Dazu gehört auch Bewegung.

Kaum Parkinson in Afrika

In Afrika ist Parkinson bei weitem nicht so weit verbreitet wie in den Industriestaaten. Ein Grund dafür ist, dass die Menschen eine kürzere Lebenserwartung als in vielen anderen Regionen haben. Parkinson aber ist eine Erkrankung, die meist ältere Menschen betrifft, und die genetische Veranlagung ist auch in Afrika ein wichtiger Aspekt. 

In Afrika gibt es kaum Fälle von ParkinsonBild: picture-alliance/Christian Ender

"Wir sind ja allein rein äußerlich schon verschieden. Unsere asiatischen Mitmenschen sehen einfach anders aus als unsere Mitmenschen in Afrika oder als wir. Das spiegelt sich auch darin wider, wie bestimmte Stoffwechselprodukte in den Zellen abgebaut werden", erklärt Berg. Es gibt nicht nur äußerliche Unterschiede, sondern auch genetische, und die können ausschlaggebend sein.

Zu wenige Neurologen

In einem sind sich die Wissenschaftler einig: Es ist schwierig, eine weltweit verlässliche Studie darüber zu verfassen, in welchen Regionen es die meisten Parkinson-Fälle gibt und warum das so ist. Schließlich muss Parkinson erst einmal diagnostiziert werden. Während es in Amerika und Europa gute Voraussetzungen dafür gibt, fehlen in Afrika Neurologen, und von ihnen wiederum sind nur die wenigsten in der Lage, Parkinson zuverlässig zu erkennen. In manchen afrikanischen Ländern könne man die Zahl der Neurologen an einer Hand abzählen, gibt Berg zu bedenken. "Ich weiß von Kollegen in Afrika, dass viele Menschen mit neurologischen Erkrankungen noch nie einen Arzt gesehen haben, geschweige denn einen Neurologen."

Weltweites Phänomen und weltweites Problem

Laut 'The Lancet' haben sich die Fälle von Parkinson weltweit in rund 25 Jahren mehr als verdoppelt – von 2.5 Millionen Patienten im Jahr 1990 auf 6.1 Millionen 2016. Warum aber die Zahl an Parkinson-Fällen in einigen Regionen wesentlich höher ist als in anderen, ist äußerst schwierig festzustellen. " Hypothesen gibt es jede Menge, genaue Begründungen noch nicht", gibt Berg zu Bedenken. Wenn die Daten eindeutiger wären, könne man viel mehr gegen Parkinson tun. "Wir könnten versuchen, allen Menschen die Bedingungen zu geben, unter denen möglichst wenige Menschen Parkinson bekommen." Zurzeit ist das aber noch Wunschdenken.

 

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