Hilpert: "Nordkorea vollkommen isoliert"
7. März 2013Deutsche Welle: Noch in dieser Woche will der UN-Sicherheitsrat neue Sanktionen gegen Nordkorea verabschieden. Bekannt ist bislang nur, dass die Strafmaßnahmen nordkoreanische Diplomaten sowie den Zahlungsverkehr ins Visier nehmen sollen. Die UN-Botschafterin der USA hat von einer "neuen Ebene" der Sanktionen gesprochen– wie müsste aus Ihrer Sicht eine solche neue Ebene aussehen, um Nordkorea wirklich treffen zu können?
Hanns Günther Hilpert: Um das zu erreichen, müsste es tatsächlich gelingen, den Zahlungsverkehr Nordkoreas einzudämmen. Da Nordkorea aber mit Geldkurieren arbeitet, ist das natürlich sehr schwer zu handhaben. Es ist nicht klar, wer mit einem Geldkoffer unterwegs ist, und wenn es - wie anzunehmen - Diplomaten sind, stellt sich die Frage: Kann man die so einfach untersuchen? Das wird nicht leicht umzusetzen sein. Und letztendlich wird dann auch entscheidend sein, ob China bereit und in der Lage ist, die Sanktionen auch zu implementieren.
Es ist schon das zweite Mal innerhalb weniger Wochen, dass Nordkoreas große Schutzmacht China im Sicherheitsrat mit am Strang zieht und die Sanktionen mitträgt – wie ernst ist diese Entwicklung aus Sicht Nordkoreas zu nehmen? Was bedeutet das konkret für das isolierte Land?
Für Nordkorea ist das eine sehr ernste Entwicklung, da China in den vergangenen Jahren meist seine schützende Hand über das Land gehalten hat. Jetzt aber zeigt China ganz offen sein Missfallen über den Raketentest und den Atomtest, die ja anscheinend beide gegen den Rat Chinas erfolgt sind. Durch das offen gezeigte Missfallen Chinas ist die Isolierung Nordkoreas vollkommen.
Bewerten Sie die Tatsache, dass China sich mit den anderen Mitgliedern des Sicherheitsrates auf neue Sanktionen verständigt hat, als Signal für ein generelles Umdenken Pekings? Oder wird sich beim nächsten Mal wieder von vorn die Frage stellen, ob China mitzieht?
Was man auf jeden Fall in China beobachten kann, ist die Tatsache, dass das Thema Nordkorea sehr viel offener und kontroverser diskutiert wird als in der Vergangenheit. Es gibt durchaus Stimmen – bis hinein in Partei und Staat – die ganz offen fordern, Nordkorea fallen zu lassen. Daneben gibt es natürlich auch die gegenteiligen Stimmen, die an einer Stabilisierung des nordkoreanischen Regimes interessiert sind. Auf jeden Fall ist da ein Prozess in Gang gekommen. Wie die Diskussion in Peking ausgehen wird, das ist zurzeit noch offen.
Nordkorea seinerseits hat in gewohnter Form reagiert: Noch vor der Sitzung des Sicherheitsrates drohte Pjöngjang Seoul mit der vollständigen Aufkündigung des seit 1953 geltenden Waffenstillstandsabkommens. Wie ernst ist diese Drohung zu nehmen?
Die Drohung kommt zu einem Zeitpunkt, da Südkorea und die USA gerade ein größeres gemeinsames Militärmanöver begonnen haben. Dieses Manöver, an dem etwa 10.000 amerikanische und rund 200.000 südkoreanische Einsatzkräfte beteiligt sind, soll zwei Monate dauern. Davon fühlt Nordkorea sich bedroht, herausgefordert, sieht es vielleicht sogar als Vorbereitung für einen Angriff auf das eigene Land an. Entsprechend scharf ist die Reaktion ausgefallen. Eine Eskalation ist nicht ausgeschlossen.
Bedeuten die schärfer werdenden Drohgebärden automatisch auch, dass die Gefahr einer militärischen Eskalation real gestiegen ist – oder schrecken davor letztlich doch beide Seiten weiter zurück?
Die Gefahr ist auf jeden Fall gestiegen. Aber vor einer militärischen Eskalation sind beide Seiten immer zurückgeschreckt. Sicher gab es immer wieder Provokationen von nordkoreanischer Seite, aber Südkorea und die USA haben sich da immer sehr stark zurückgehalten, weil sie genau wissen, dass bei einer Eskalation beide Seiten nur verlieren können: Die Gefahren für die Menschen und auch der wirtschaftliche Schaden wären groß. Ich würde weiter auf ein rationales außen- und sicherheitspolitisches Kalkül vertrauen, aber wenn die Situation sich weiter so zuspitzt, kann man davon nicht mehr automatisch ausgehen.
Dr. Hanns Günther Hilpert ist stellvertretender Forschungsgruppenleiter der Forschungsgruppe Asien bei der Stiftung Wissenschaft und Politik in Berlin
Das Interview führte Esther Felden