Hiroshima: Stille am 80. Jahrestag des Atombombenabwurfs
6. August 2025
Nur scheinbar gleicht das Gedenken an die Katastrophe vom 6. August 1945 dem Ritual, das sich jedes Jahr im japanischen Hiroshima vollzieht. Viele Zeitzeugen sind tot und viele Jüngere wissen nur noch wenig.
Respekt vor den Toten: Das Gedenken am Jahrestag der Katastrophe findet über weite Strecken in der Stille stattBild: Naoya Azuma/The Yomiuri Shimbun/AP Photo/picture alliance
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Zehntausende Menschen haben in der japanischen Stadt Hiroshima der Opfer des Atombombenabwurfs vor 80 Jahren gedacht. Bürgermeister Kazumi Matsui warnte in seiner Ansprache vor einer weltweiten Aufrüstung, die zu beobachten sei. Die Lehren, welche die internationale Gemeinschaft aus den geschichtlichen Tragödien hätte ziehen müssen, würden missachtet, betonte Matsui.
Zugleich rief er die junge Generation auf, den Kampf gegen Nuklearwaffen fortzusetzen: Sie stelle die Führungskräfte von morgen und müsse erkennen, "dass fehlgeleitete Entscheidungen in Fragen der Militärausgaben, der nationalen Sicherheit und der Atomwaffen völlig unmenschliche Folgen haben können", so der Bürgermeister.
"Lehren werden missachtet": Kazumi Matsui, Bürgermeister von HiroshimaBild: Richard A. Brooks/AFP/Getty Images
Genau um 8.15 Uhr (Ortszeit) legten die rund 55.000 Teilnehmer der Gedenkfeier eine Schweigeminute ein. Es war der Zeitpunkt, an dem US-Pilot Paul Tibbets auf Befehl seines Präsidenten Harry Truman mit einem B-29-Bomber die erste jemals eingesetzte Atombombe mit dem Codenamen "Little Boy" ("kleiner Junge") über Hiroshima abgeworfen hatte.
"Atombombenkuppel": Die Ruine am rechten Bildrand - ein Gebäude der ehemaligen Industrie- und Handelskammer, kurz nach der Zerstörung aufgenommen - erinnert heute als Friedensdenkmal an den KriegBild: Keystone/Getty Images
An jenem 6. August 1945 wurden Zehntausende Bewohner der japanischen Stadt im Südwesten der Hauptinsel Honshu sofort getötet. Insgesamt starben bis zum Ende des letzten Kriegsjahres schätzungsweise 140.000 Menschen.
Drei Tage nach dem Abwurf über Hiroshima warfen die Vereinigten Staaten noch eine zweite Atombombe über der Stadt Nagasaki auf der Insel Kyushu ab. Kurz darauf kapitulierte das japanische Kaiserreich.
"Atomwaffen weder produzieren noch besitzen, noch erlauben"
Japans Ministerpräsident Shigeru Ishiba erklärte, es sei die Aufgabe seines Landes, "die Führung zu übernehmen auf dem Weg zu einer Welt ohne Atomwaffen". Die Regierung werde an den drei Prinzipien festhalten, wonach Japan Atomwaffen weder produziert noch besitzt, noch auf eigenem Boden erlaubt.
"Führung übernehmen auf dem Weg zu einer Welt ohne Atomwaffen": Japans Permier Shigeru Ishiba (rechts) während der SchweigeminuteBild: Kim Kyung-Hoon/REUTERS
Allerdings rüstet Japan angesichts des russischen Angriffskriegs gegen die Ukraine, des Machtstreben Chinas und der Bedrohung durch Nordkorea militärisch stark auf. Einzelne Stimmen in der öffentlichen Debatte fordern sogar eine atomare Bewaffnung des Landes. Den verbliebenen Überlebenden, den "Hibakusha", fällt es zunehmend schwerer, die Erinnerung wachzuhalten. Die Wirkung ihrer Augenzeugenberichte und Appelle gegen Nuklearwaffen verblasst.
Die Erinnerung wachhalten: Junge Menschen läuten um 8.15 Uhr die Glocke zum GedenkenBild: Richard A. Brooks/AFP/Getty Images
Experten wie Mordecai George Sheftall, Professor für moderne japanische Kulturgeschichte an der Universität Shizuoka, beschreiben einen schleichenden Niedergang des seit Jahrzehnten tief in Japans Gesellschaft verankerten Pazifismus. So würden Friedenserziehungsprogramme durch konservative Politiker und Bildungsbürokraten ausgehöhlt.
Botschaften für den Frieden: Während Hiroshima an die schrecklichen Folgen des Atombombenabwurfs erinnert, beklagt das Friedensforschungsinstitut SIPRI ein "neues nukleares Wettrüsten"Bild: Buddhika Weerasinghe/Getty Images
In der Folge wüssten japanische Jugendliche heutzutage so gut wie nichts über den Krieg, erklärte der Wissenschaftler vor ausländischen Journalisten - "abgesehen von dem, was sie aus sensationsheischenden Manga-Comics, rührseligen TV-Dramen und Kinofilmen oder reißerischen Internetinhalten aufschnappen können".
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"Verstehen, was passiert ist"
Die japanische Organisation Nihon Hidankyo, die im vergangenen Jahr mit dem Friedensnobelpreis ausgezeichnet worden war, vertritt die 99.130 "Hibakusha", die es laut dem Gesundheitsministerium noch gibt. Der Ko-Vorsitzende der Organisation, Toshiyuki Mimaki, sagte japanischen Medien vor der Gedenkzeremonie: "Ich wünschte mir, dass ausländische Gesandte das Friedensdenkmal besuchen und verstehen, was passiert ist."
"Nein zu (Donald) Trumps Rechtfertigung von Nuklearwaffen": Demonstranten wenden sich gegen die Politik des US-Präsidenten, der das amerikanische Atomwaffenarsenal modernisieren will, und treten für Abrüstung einBild: Kim Kyung-Hoon/REUTERS
Diesmal waren nach Angaben der Stadtverwaltung Vertreter von 120 Ländern und Regionen bei den Feierlichkeiten dabei, allerdings nicht aus den Atommächten Russland, China und Pakistan. Am Rande gab es Demonstrationen gegen wachsende Waffenbestände in vielen Regionen der Erde. Das Stockholmer Friedensforschungsinstitut SIPRI hatte im Juni vor einem "gefährlichen neuen nuklearen Wettrüsten" gewarnt und dies damit begründet, dass fast alle der neun Atomwaffenstaaten ihre Arsenale modernisierten.
jj/wa (dpa, afp)
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Hiroshima: Ewiges Mahnmal für die Menschheit
Noch gibt es Überlebende, die vom grauenvollen Atombombenabwurf in Hiroshima am 6. August 1945 erzählen können. Doch es werden immer weniger. Das Peace Memorial Museum erhält die Erinnerung wach.
Bild: Reinhard Schultz/imago images
Gedenken an die Opfer der Atombombe
Eine Tänzerin in Hiropshima bei einer Gedenkveranstaltung zum 79. Jahrestag: Die erste von zwei Atombomben wurde am 6. August 1945 auf Hiroshima abgeworfen und tötete etwa die Hälfte der 350.000 Einwohner der Stadt. Fast alles im Umkreis von 2000 Metern wurde verbrannt. Drei Tage nach der Tragödie von Hiroshima wurde eine weitere Atombombe auf Nagasaki abgeworfen.
Bild: David Mareuil/Anadolu/picture alliance
Vorträge und Erinnerungsstücke
Das von Kenzo Tange entworfene Museum wurde 1955 eröffnet und befindet sich im nach dem Krieg angelegten Friedenspark. Es wurde 2019 renoviert und hält die Erinnerung an die Katastrophe von Hiroshima lebendig. Immer wieder werden Vorträge organisiert, in denen Überlebende ihre Geschichte erzählen. Auch eine virtuelle Nachstellung des Atombombenabwurfs auf Hiroshima ist zu sehen.
Bild: Aimie Eliot/DW
Alltagsgegenstände legen Zeugnis ab
Im Museum werden auch Alltagsgegenstände ausgestellt, die 1945 nicht verbrannten. Darunter Kleidung und Taschen, die die Menschen beim Einschlug der Atombombe trugen, sowie Dinge des täglichen Bedarfs, die sich in ihren Wohnungen befanden.
Dieses verbrannte Dreirad gehörte dem dreijährigen Shinichi Tetsuya. Es wurde zunächst mit den sterblichen Überresten des Jungen begraben. Doch der Vater ließ es wieder ausgraben, damit es für immer an das grauenvolle Schicksal der beim Atomwaffenabwurf umgekommenen Menschen erinnert.
Bild: Kimimasa Mayama/dpa/picture alliance
Ikone des Friedens
Sadako Sasaki wurde im Alter von zwei Jahren verstrahlt und starb später an Leukämie. Ihre Eltern vermachten dem Museum eine Reihe von Accessoires, die dem kleinen Mädchen einst gehörten. Die nach ihrem Abbild errichtete Statue "genbaku no ko no zo" (wörtlich: "Statue der Kinder der Atombombe") steht ebenfalls im Peace Memorial Park in Hiroshima City. Sasaki wurde zu einer Ikone für den Frieden.
Bild: Takuya Yoshino/AP/picture alliance
Zeitzeugen erzählen
Sadae Kasaoka war zu Hause, als die Atombombe in 3,5 Kilometer Entfernung explodierte. "Ich sah die Farbe der aufgehenden Sonne am Himmel und hörte ein lautes, dröhnendes Geräusch. Das Fenster zersplitterte in Glasstücke, die auf mich zuflogen." Die Zeitzeugin macht bei einem von der Stadt Hiroshima gegründeten Programm mit, damit die Erinnerung an die Atombombe nie in Vergessenheit gerät.
Bild: Aimie Eliot/DW
Das Grauen im Bild festgehalten
Diese Zeichnung der Schülerin Minami Ogawa aus Hiroshima basiert auf den Schilderungen der Überlebenden Sadae Kasaoka. Wenn diese von der Explosion erzählt, illustriert das Bild ihre Geschichte. Kasaoka war bei dem Bombenangriff 12 Jahre alt. Ihr Vater kam so mit schweren Verbrennungen nach Hause, dass sie ihn nicht erkannte. Er starb zwei Tage später. Auch die Mutter verlor sie bei der Explosion.
Bild: Hiroshima Peace Memorial Museum
Die Genbaku-Kuppel blieb erhalten
Ursprünglich ein Ausstellungsort für Handelswaren ist dieses Gebäude heute als Genbaku-Kuppel (Atombombenkuppel) bekannt. Es ist das einzige Bauwerk, das bei der Bombenexplosion nicht vollständig zerstört wurde. 1996 wurde die Kuppel zum Weltkulturerbe erklärt: als mahnendes Symbol für die zerstörerischste Kraft, die je von der Menschheit geschaffen wurde.
Bild: Adrian Wyld/The Canadian Press/ZUMAPRESS.com/picture alliance