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PolitikLibanon

Hisbollah-Angriff auf Israel: Strategie der kleinen Schritte

26. August 2024

Nach dem Raketenangriff auf Israel am Wochenende scheint die Hisbollah eine weitere Eskalation vorerst vermeiden zu wollen. Doch ihre längerfristigen Ziele dürfte sie kaum aus den Augen verlieren.

Abschuss eines von der Hisbollah abgeschossenen Flugkörpers durch einen israelischen Kampfjet
Abschuss eines Hisbollah-Flugkörpers durch einen israelischen KampfjetBild: Jalaa Marey/AFP/Getty Images

"Ein voller Erfolg": So bezeichnete der Chef der Hisbollah, Hassan Nasrallah, in einer Rede am Sonntagabend (25.08.2024) den Raketen-Angriff seiner radikalen Schiiten-Miliz gegen Israel wenige Stunden zuvor. Allerdings sei der Angriff sorgsam kalkuliert gewesen, deutete er an: "Unser Ziel war von Anfang an, keine Zivilisten, sondern militärische Ziele anzugreifen", beteuerte Nasrallah. Angriffe des Iran und der Huthi-Miliz im Jemen stünden Israel jedoch noch bevor, so der Chef der Miliz, die von den USA und weiteren Ländern als terroristisch eingestuft wird .

Offenbar richtete Nasrallah seine Rede an zwei Adressaten: Zum einen an seine Anhänger, denen gegenüber er den angeblichen Erfolg der Attacke pries - laut israelischen Angaben hingegen wurden die meisten Raketen abgefangen oder bereits durch einen Präventivangriff unschädlich gemacht. Und zum anderen richtete Nasrallah sich offensichtlich an die israelische Staats- und Armeeführung, der gegenüber er betonte, man habe den Angriff bewusst begrenzt. Das bedeutet: Gesichtswahrung in Richtung der Anhänger - verbunden mit einem indirekten Angebot an Israel, eine weitere Eskalation jedenfalls diesmal noch zu vermeiden. 

Nach einem israelischen Präventivschlag: Rauchschwaden über einem Ort ganz im Süden des LibanonBild: Marwan Naamani/ZUMA Press Wire/picture alliance

Möglicherweise ist aus Sicht der Hisbollah die harsche Reaktion, die sie nach der Tötung des Hisbollah-Kommandeurs Fuad Schukr Ende Juli in Beirut angekündigt hatte, nun bereits weitgehend vollzogen. Aber dies bleibt Spekulation, die Hisbollah lässt sich nicht in die Karten schauen. Auch der Iran hatte nach der Tötung des Hamas-Führers Ismail Hanija wenige Tage später in Teheran eine entsprechende Antwort angekündigt. Ob eine weitere Eskalation tatsächlich noch kommen und wie schwer sie gegebenenfalls ausfallen wird, all dies bleibt vorerst ungewiss. Es dürfte ein durchaus beabsichtigtes Spiel mit den Nerven des Gegners sein. 

Zurück auf den Status Quo?

Michael Bauer, Leiter des Büros der Konrad-Adenauer-Stiftung in Beirut, der sich derzeit in Jordanien aufhält, rechnet zwar mit anhaltender Gewalt, aber nicht unbedingt mit weiterer Eskalation: "Jetzt sind wir gewissermaßen wieder auf dem Status Quo der vergangenen Monate - also der Zeit seit dem 7. Oktober vergangenen Jahres, als die Hisbollah sich in die Kämpfe einschaltete, und diese dann in den vergangenen Monaten erheblich eskalierten. In etwa dieser Form dürften die Kämpfe nun auch weitergehen - und zwar so lange, wie es im Gazastreifen keinen Waffenstillstand gibt."

Tatsächlich setze der Angriff vom Sonntag die bisherige Strategie der Hisbollah fort, sagt auch Heiko Wimmen, bei der NGO International Crisis Group unter anderem für die Forschung zum Libanon zuständig. "Seit Beginn des Krieges hat die Hisbollah versucht, sich ausschließlich auf militärische Ziele in Israel zu konzentrieren, um eine Eskalation zu vermeiden. Natürlich besteht dabei immer die Gefahr, dass man unbeabsichtigt etwas anderes trifft. Aber grundsätzlich geht es der Hisbollah darum, den Konflikt zu begrenzen."

Diese Strategie der begrenzten Angriffe verfolge die Hisbollah sehr bewusst, so Wimmen. "Man hat von Anfang an erklärt, dass man auf diese Weise Druck auf Israel ausüben wolle, um den Konflikt in Gaza zu beenden, und zwar so, dass die Hamas in eine möglichst vorteilhafte Position gerät. Das geschieht, in dem die Hisbollah die Kosten der israelischen Kriegsführung erhöht. Hingegen geht es nicht darum, dass die Gewalt sich zu einem größeren Konflikt oder zu einem unbegrenzten Konflikt zwischen der Hisbollah und Israel auswächst."

Eine von der Hisbollah abgefeuerte Drohne wird von der israelischen Luftabwehr abgefangenBild: Jalaa Marey/AFP/Getty Images

Ängste der Bevölkerung

Damit dürfte die Hisbollah auch Rücksicht auf die Vorbehalte weiter Teile der libanesischen Bevölkerung nehmen, die gegen einen offenen Krieg mit Israel sind. Einen solchen könne und wolle sich das Land nicht leisten, sagt Michael Bauer. Darin seien sich die meisten Bürgerinnen und Bürger des Landes einig. 

Generell sei es schwierig, die Sicht der Libanesinnen und Libanesen zu beurteilen, meint Heiko Wimmen. "Denn im Zweifelsfall äußern sich die Menschen nur hinter vorgehaltener Hand. Trotzdem muss die Hisbollah Überzeugungsarbeit leisten und den Menschen erklären, warum sie wie handelt. Letztlich aber ist für sie allein ihre langfristige strategische Kalkulation entscheidend und nicht das, was die Libanesen, insbesondere die, die sie nicht unterstützen, darüber denken."

Eine junge Frau aus Beirut, die ihren Namen aus Sicherheitsgründen nicht veröffentlicht sehen will, sagt beispielhaft zur DW: "Ich möchte, dass die Palästinenser zurückerhalten, was ihnen genommen wurde. Aber gleichzeitig unterstütze ich nicht, dass die Hisbollah das Leben Tausender Menschen aufs Spiel setzt, um die Palästinenser derart bei der Verteidigung ihrer Rechte zu unterstützen. Wir Libanesen befinden uns in einem ständigen Zustand der Angst und Wut."

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Langfristige Gefahren

In der Summe habe der Angriff der Hisbollah eines gezeigt, so Michael Bauer: Die militärische Macht der Hisbollah sei begrenzt. Offenbar habe sie die Ziele nicht in dem Umfang getroffen, wie es Nasrallah behauptet. "Und das deutet darauf hin, dass die Miliz in einer ihr sehr unangenehmen Situation ist. Zum einen kann sie die Konfrontation aus Imagegründen wie auch aufgrund ihrer Verpflichtungen gegenüber Iran nicht beenden. Zum anderen ist sie aber auch nicht in der Lage, Israel von weiteren Angriffen auf Hisbollah-Einrichtungen und -Kämpfer abzuschrecken, was in den vergangenen Monaten zu erheblichen Verlusten geführt hat."

Dennoch bleibe die Miliz in jedem Falle eine gefährliche Herausforderung für Israel - vor allem längerfristig, sagt Heiko Wimmen. "Die Strategie von Hisbollah ist zumindest derzeit ja nicht, eine gewissermaßen finale Entscheidungsschlacht anzustreben, an deren Ende die Hisbollah oder jemand anders militärisch in Jerusalem einmarschiert." Das Ziel sei vielmehr, Israel langfristig einzukreisen, zu isolieren, zurückzudrängen - und dem Land die militärische Überlegenheit beziehungsweise "Eskalationsdominanz" zu nehmen, erläutert der Libanon-Experte. "Diesem Ziel dient auch das inzwischen aufgebaute Waffenarsenal. Und darum will die Hisbollah dieses in dem derzeitigen Konflikt auch nicht aufs Spiel setzen."

Mitarbeit: Rola Farhat, Beirut

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Kersten Knipp Politikredakteur mit Schwerpunkt Naher Osten und Nordafrika
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