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Historische Einigung mit Schönheitsfehlern

Bernd Riegert 19. Juni 2004

Zwei Themen bestimmten die Tagesordnung des EU-Gipfels in Brüssel: Die künftige EU-Verfassung (durchgeboxt) und die Suche nach dem neuen EU-Kommissionspräsidenten (vertagt). Bernd Riegert kommentiert.

Zu später Stunde hatten die 25 Staats- und Regierungschefs gerade noch die Kurve bekommen: Mit einem schwer durchschaubaren Kompromiss zum künftigen Abstimmungsmodus in der Europäischen Union wurde in zähen Verhandlungen der historische Text der ersten europäischen Verfassung gerettet.

Nur der Druck, der von der geringen Wahlbeteiligung und den Zugewinnen der Euroskeptiker in vielen Ländern bei den Wahlen zum Europäischen Parlament ausging, hat dazu geführt, dass nationale Sonderinteressen in letzter Minute beiseite geschoben wurden. Gegenüber dem Entwurf des Verfassungskonventes hat der Text durch das Feilschen leider an Klarheit verloren.

Keine spürbaren Auswirkungen

Insgesamt betrachtet aber ist die Europäische Verfassung ein gute Sache, weil sie die größer werdende Union regierbar hält. Ein großer Teil der Politikbereiche wird Mehrheitsentscheidungen unterworfen. Klare Zuständigkeiten und besser aufgestellte Institutionen könnten für mehr Transparenz sorgen. Ob die europäischen Wähler von der Verfassung tatsächlich beeindruckt sein werden und die Staats- und Regierungschefs das erhoffte Aufbruchsignal aussenden konnten, wird erst die Verfassungspraxis zeigen.

Nur sehr langsam wird die Verfassung wegen der langen Übergangsfristen in der praktischen Politik wirken. Im Alltag wird sich für die Unionsbürger so gut wie nichts ändern. Deshalb hatte Bundeskanzler Gerhard Schröder recht, als er kurz nach der Einigung beim Gipfel sagte, Wähler könne man mit einer Verfassung alleine nicht zu begeisterten Europäern machen.

Peinliches Personalgerangel

Die Union der 25 Staaten hat mit der Einigung auf die Verfassung Handlungsfähigkeit bewiesen, doch der große Triumph war das nicht. Denn eine eigentlich im Vergleich weniger bedeutende Personalfrage überschattete den ganzen Gipfel. Es war den 25 Staats- und Regierungschefs nicht möglich, sich auf einen Kandidaten für das Amt des EU-Kommissionspräsidenten zu einigen.

Ein peinliches parteitaktisches Gerangel, dass die Bürger in der Europäischen Union nicht gerade begeistern dürfte. Um den Posten zu vergeben, ist nun ein Sondergipfel nötig. Das Geschacher um den Kommissionspräsidenten zwischen der konservativen Fraktion im Parlament und dem Rat und die gegenseitigen Blockaden unter den nationalen Regierungschefs waren ein abstoßendes Beispiel dafür, wie Europa gerade nicht arbeiten soll.

Die Verfassung bietet auch hier mehr Klarheit, weil sie festlegt, dass der Chef der Kommission künftig vom Parlament gewählt wird. Allerdings gilt dies wegen der langen Übergangsfristen erst für den übernächsten Kommissionspräsidenten. Nachdem der Text nun steht, muss die Verfassung noch einige Klippen überstehen.

In den nächsten zwei Jahren drohen Referenden in euroskeptischen Staaten wie Großbritannien, Irland, Polen und Dänemark. Auch die Niederländer könnten die Verfassung in einer Volksabstimmung ablehnen, weil Deutschland mit brachialem Druck eine von den Niederlanden gewünschte Verschärfung des Stabilitätspaktes verhindert hat. Dieser kurzfristige politische Sieg der Deutschen könnte sich in Zukunft noch bitter rächen.

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