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Montreal: Historisches Abkommen für die Natur

Tim Schauenberg
19. Dezember 2022

Regierungsvertreter haben einen Meilenstein beim Artenschutz gesetzt: Ein Drittel der Land- und Meeresgebiete werden künftig geschützt, und 500 Milliarden Dollar umweltschädliche Subventionen eingestellt.

Hunderte Delegierte klatschen und freuen sich in Kanada beim Abschluss COP15 UN Weltnaturgipfel
Jubel bei den Delegierten nach langen Verhandlungen um die Abschlusserklärung der COP15 in MontrealBild: Lars Hagberg/AFP/Getty Images

Es war ein zähes Ringen bis in die Morgenstunden. Obwohl der Deal zwischenzeitlich zu scheitern drohte, gab es am Ende doch noch stehenden Applaus für einen historisches Abkommen zum weltweiten Schutz der Artenvielfalt. Die Vertreter von rund 200 Ländern einigten sich bei der zweiwöchigen Biodiversitäts-Konferenz der Vereinten Nationen darauf, 30 Prozent der Land- und Meeresflächen der Erde bis 2030 zu schützen  und verlorene Ökosysteme wiederherzustellen.

Das Kunming-Montreal Abkommen "ist das größte Abkommen zum Schutz von Land und Meer in unserer Geschichte", so Brain O'Donnell, Direktor der Umweltorganisation Campaign for Nature, die sich im Vorfeld stark für die Ausweitung der geschützten Flächen eingesetzt hatte. Das "bahnbrechende" Abkommen mache "Hoffnung, dass die Krise, mit der die Natur konfrontiert ist, langsam die Aufmerksamkeit bekommt, die sie verdient," so O'Donnell weiter.

Die Delegierten einigten sich zudem, bisherige umweltschädliche Subventionen in Milliardenhöhe umzulenken und mehr Geld gegen das Artensterben bereitzustellen. Außerdem will man die Risiken durch den Gebrauch von Pestiziden reduzieren,invasive Arten bekämpfen und die Rechte indigener Völker als Hüter ihrer Gebiete zu schütze - eine der Hauptforderungen von Aktivisten.

"Wir schreiben Geschichte", so Virginijus Sinkevičius, EU-Kommissar für Umwelt, Meere und Fischerei 

"Die Weltgemeinschaft hat nun einen Fahrplan für den Schutz und die Wiederherstellung der Natur und deren nachhaltige Nutzung - für heutige und künftige Generationen", äußerte sich EU-Kommissionpräsidentin Ursula von der Leyen in einem Statement. Kanadas Umweltminister Steven Guilbeault verglicht das Abkommen mit dem Pariser Klimaabkommen von 2015. "Dies ist wahrlich ein Moment, der in die Geschichte eingehen wird, wie es Paris für das Klima war."

Ohne Artenvielfalt kein Wohlstand für Menschen

Der vom Menschen verursachte Verlust der biologischen Vielfalt ist eine der Hauptursachen für das sechste Massensterben auf der Erde. Drei Viertel der Tier- und Pflanzenarten weltweit könnten in nur wenigen Jahrhunderten verschwinden. Dieser Verlust verschärft auch den Klimawandel, unter anderem wenn immer mehr natürliche Kohlenstoffspeicher wie Moore oder Wälder zerstört werden.  

"Elche, Meeresschildkröten, Papageien, Nashörner, seltene Farne und uralte Bäume, Schmetterlinge, Rochen und Delfine gehören zu den Millionen Arten, deren Überlebenschancen und Bestand sich deutlich verbessern werden, wenn dieses Abkommen wirksam umgesetzt wird", betont O'Donnell.

Derzeit sind noch weltweit weniger als 17 Prozent der Landflächen und zehn Prozent der Ozeane Schutzgebiete. Meeresgebiete werden Landflächen beim Umweltschutz in Zukunft gleichgestellt. 

Die Einigung werde sich positiv auf die Tierwelt, die Bekämpfung des Klimawandels und die Sicherung der Ökosysteme beitragen, die auch für den Wohlstand des Menschen wichtig sind, heißt es von Vertretern zahlreicher Umweltorganisationen. 50 Prozent der weltweiten Wirtschaftsleistung hängen von der Natur ab.

Verhandlungen drohten am Geld zu scheitern

Ein Pakt für den "Frieden mit der Natur" so lautete das Motto der Konferenz, doch die Verhandlungen drohten zwischenzeitlich zu scheitern. Ähnlich wie bei den Klimaverhandlungen im November in Sharm El-Sheikh, war auch in Montreal das Geld der große Streitpunkt. 

Entwicklungsländer, von denen einige besonders viele und wertvolle Ökosysteme beheimaten, forderten finanzielle Unterstützung von reichen Ländern. Dutzende von Staaten, darunter Brasilien, Indien, Indonesien und viele afrikanische Länder, forderten einen Fond von 100 Milliarden Dollar für die Biodiversität pro Jahr oder ein Prozent des weltweiten BIP bis 2030 . Bisher steuerten reiche Länder dafür nur rund 10 Milliarden Dollar bei.

Auf Kosten von Natur und Umwelt 

26:06

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"Wir sehen zunehmend dass die Länder des Südens nicht bereit sind, sich zu starken Ambitionen zu verpflichten, ohne eine entsprechende Finanzierung", analysiert Sebastian Treyer Executive Direktor der Denkfabrik IDDRI die verzwickten Verhandlungen.

Künftig zahlen reiche Länder 30 Milliarden jährlich in einen Treuhandfond für Biodiversität 

Ein spezieller Biodiversitätsfond, wie ihn die Entwicklungsländer der G77-Gruppe bis zuletzt forderten, wurde von reichen Ländern, darunter der EU abgelehnt. Sie argumentieren, Geld könne besser und schneller durch bereits bestehende Instrumente fließen. Als Kompromiss wird nun ein "Treuhandfonds" innerhalb eines schon bestehenden Finanzmechanismus als Sprungbrett für einen neuen Fonds in der Zukunft eingerichtet. Reiche Länder sollen ab 2025 mindestens 20 Milliarden US-Dollar jährlich einzahlen, ab 2030 dann 30 Milliarden. Das Geld soll aus öffentlichen und auch privaten Mitteln kommen. 

Allerdings gebe es bisher keine Hinweise darauf, wo genau die Finanzmittel eingesetzt werden sollen, und wo es den größten Nutzen hätte, kritisiert Lina Barrera von der Umweltorganisation Conservation International. Es bestehe die Gefahr, dass Ressourcen vergeudet würden - "dafür haben wir aber keine Zeit”.

Wird der neu eingerichtete Treuhandfond für Biodiversität bedrohten Tierarten wie dem Breitmaulnashorn helfen?Bild: Joe Giddens/PA Wire /empics/picture alliance

In einigen Bereichen wurden Abstriche gemacht: So werden Unternehmen lediglich aufgefordert, über die Auswirkungen ihrer Aktivitäten auf die biologische Vielfalt zu berichten, sie werden dazu aber nicht verpflichtet.

Umweltschützer kritisieren außerdem, dass es keine Zielmarken beim Artenschutz gibt. So heißt es beispielsweise, dass durch den Menschen verursachte Aussterben bedrohter Arten gestoppt und bis 2050 die Aussterberate um das Zehnfache reduziert werden soll - es gibt jedoch keine konkreten Ziele, die die Länder bis zu diesem Jahr erreichen müssen.

Hunderte Milliarden umweltschädliche Subventionen in Landwirtschaft, Verkehr werden umgelenkt

Ein weiterer Fokus der Verhandlungen war der Umgang mit umweltschädlichen Subventionen. Laut dem Think Tank Earth Track werden jährlich umweltschädliche Subventionen, darunter beispielsweise Steuerbefreiung oder -begünstigung von Benzin oder Kerosin in Höhe von 1,8 Billionen Dollar verteilt. Die Vereinten Nationen rechnen, dass rund 470 Milliarden Dollar in für die Natur schädliche Landwirtschafts-Subventionen fließen, die Preisverzerrungen auf dem Markt hervorrufen.

Auch hier waren die Verhandlungen zeitweise derart festgefahren, dass laut der PR-Agentur Greenhouse, die mehrere zivilgesellschaftliche Organisationen vertritt, die mexikanische Delegation angeblich anboten hatte, für jeden gelösten Streitpunkt eine Flasche Tequila auszugeben. Falls dem tatsächlich so war, scheint die Maßnahme Wirkung gezeigt zu haben. Die Delegierten einigten sich darauf, 500 Milliarden US-Dollar umweltschädlicher Subventionen bis 2030 abzuschaffen oder zu umzugestalten.

"Jetzt beginnt die harte Arbeit. Es ist an der Zeit, die in Montreal gemachten Versprechen einzulösen und sicherzustellen, dass die Ziele des Rahmens auch eingehalten werden", so Umweltexpertin Barrera.

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