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Hitlers Pferde in der Zitadelle Spandau

Verena Greb
9. September 2023

Am Tag des offenen Denkmals sind erstmalig beide "Schreitenden Pferde" in Berlin zu sehen. Lange waren die für Adolf Hitler von Josef Thorak angefertigten, überlebensgroßen Hengste verschwunden.

Modell der Neuen Reichskanzlei mit Treppenaufgang, Säulen und einer Pferdestatue.
Auf der Parkseite von Hitlers Neuer Reichskanzlei (hier im Modell) standen zwei "Schreitende Pferde" Bild: akg-images/picture alliance

Anfang des Jahres war es so weit: Der erste von zwei drei Meter hohen und zwei Tonnen schweren Bronze-Hengsten des Nazi-Bildhauers Josef Thorak (1889-1952) wurde nach 77 Jahren erstmalig wieder der Öffentlichkeit präsentiert. Er steht in der Berliner Kulturfestung Zitadelle Spandau und ist neben weiteren Denkmälern, die die jeweilige Staatsmacht zwischen 1849 und 1986 - vom Deutschen Kaiserreich bis zur DDR - in der heutigen deutschen Hauptstadt aufstellen ließ, Teil der Ausstellung "Enthüllt. Berlin und seine Denkmäler". In einem anderen Bereich des Stadtgeschichtlichen Museums in der Zitadelle wird am Tag des offenen Denkmals (10.09.2023), an dem bundesweit rund 5000 Kulturstätten ihre Türen öffnen, nun auch das zweite der beiden "Schreitenden Pferde" - frisch restauriert - zugänglich sein. 

Am Tag des offenen Denkmals kann dieser Hengst besichtigt werdenBild: Carsten Koall/dpa/picture alliance

Kunst-Krimi: Wo waren die Thorak-Pferde?

Die Story der Hengste,  nach ihrem Schöpfer auch "Thorak"-Pferde benannt, füllt bereits ein ganzes Buch - oder besser gesagt: ihr Verschwinden. Lange war nicht klar, was mit ihnen geschehen war. Zunächst wurde vermutet, dass sie gegen Ende des Zweiten Weltkriegs bei Angriffen auf Berlin zerstört wurden. Später entdeckte man sie auf einem sowjetischen Kasernengelände bei Eberswalde, nordöstlich von Berlin. Doch von dort verschwanden sie im Wendejahr 1989. Erst 2013 tauchte eine Farbfotografie auf, die Anlass zur Vermutung gab, dass sie noch immer existieren könnten.

Kunstkrimi um Hitlers Bronze-Hengste

26:06

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Die Berliner Polizei erhielt das Foto gemeinsam mit einen Hinweis, dass die Pferde für einen Millionenbetrag auf dem geheimen Kunstmarkt angeboten würden. Das war der Startschuss für René Allonge, einen auf Kunstkriminalität spezialisierten Kommissar des Landeskriminalamtes Berlin, und den vielleicht berühmtesten privaten Kunstdetektiv Europas, den Niederländer Arthur Brand, zu ermitteln.

Arthur Brand: "Die beste Geschichte meines Lebens"

Das Duo konnte klären, dass es sich bei dem Schwarzmarkt-Angebot um die echten Pferde handelte. Rückblickend sagt Brand im DW-Gespräch: "Mir war klar, wenn wir die Pferde zurückholen, wird das die beste Geschichte meines Lebens." Es ist zugleich eine deutsch-deutsche Geschichte, die Stasi-Agenten und die sowjetische Besatzungsmacht einschließt. Die Pferde wurden zerlegt über die damals noch innerdeutsche Grenze geschmuggelt, um sie vermutlich im Westen gegen harte Devisen zu tauschen.

Erst nach einem jahrelangen Rechtsstreit mit dem letzten Besitzer der Pferde kamen sie im Oktober 2022 nach BerlinBild: Britta Pedersen/dpa/picture alliance

Letztlich kam es 2015 zu einer bundesweiten Razzia, bei der die Pferde bei einem Kunstsammler in Bad Dürkheim, nahe der Stadt Mannheim im Südwesten Deutschlands, sichergestellt werden konnten. Ob er sie sich illegal beschafft hatte, wurde nie endgültig geklärt: Ermittlungen gegen den Mann wurden wegen Verjährung eingestellt. Erst nach einem jahrelangen Rechtsstreit war er 2022 bereit, die Pferde abzugeben.

Brand veröffentlichte ein Buch über den Kunst-Krimi, von dem er sagt, dass an dessen Story alles gestimmt habe: "Ein Geheimnis, die Jagd, die verschiedenen Charaktere, Nazi-Sympathisanten." Vielleicht ein Grund, warum sich Hollywood die Filmrechte an dem Stoff sicherte.

Monströse Zierde für Hitlers "Germania"

Einst standen die Pferde nur wenige Kilometer entfernt von ihrem jetzigen Standort in der Zitadelle, im Garten der Neuen Reichskanzlei von Adolf Hitler. Die Skulpturen sollten - so die Vorstellung des Diktators - die von ihm geplante "Welthauptstadt Germania" schmücken. "Eine gewisse Ideologie ist doch ablesbar. Also, das heißt eine besondere Männlichkeit - es sind ja Hengste. Der Hals ist extrem groß und mächtig, die Muskeln sind völlig übertrieben. Das Ganze strahlt eine gewisse Gewalt aus", so Urte Evert, Leiterin des Stadtgeschichtlichen Museums der Zitadelle Spandau.

Restauratoren nahmen sich der Thorak-Pferde an, bevor sie in der Zitadelle Spandau gezeigt werdenBild: Britta Pedersen/dpa/picture alliance

Josef Thorak gehörte wie Arno Breker (1900-1991) zu den wichtigsten Propaganda-Künstlern des NS-Regimes. Thorak fertigte die Pferde in den 1930er-Jahren für Adolf Hitler an. Es gibt noch ein weiteres Pferd, das jedoch nicht an Hitler übergeben worden war. Es steht heute auf dem Gelände eines Gymnasiums am Chiemsee in Bayern. In den 1960er-Jahren soll die Familie Thorak mit der Skulptur die Schulgebühren für einen Sohn bezahlt haben.

Warum die "Schreitenden Pferde" getrennt ausgestellt werden

Ursprünglich sollten beide Berliner Thorak-Pferde im Schaudepot "Bastion Königin" der Zitadelle gezeigt werden, erklärt Museumsleiterin Urte Evert gegenüber der DW. Dort können Werke aus Metall und Stein aufbewahrt werden, ohne Schaden zu nehmen. Stattdessen fand eines der Pferde Platz in der Dauerausstellung "Enthüllt" - im Raum mit nationalsozialistischer Kunst. Durch die räumliche Trennung wird nun der Eindruck verhindert, dass ein eigenes Museum für "Hitlers Hengste" geschaffen wurde. 

Neben dem Pferd sind noch weitere als problematisch geltenden Statuen und Büsten zu sehen. Jedes dieser Werke erzählt eine eigene Geschichte. 

Weitere toxische Kunstwerke in der Zitadelle

Thorak-Pferd vor Hitlerbüste im Schaudepot der Zitadelle SpandauBild: Stadtgeschichtliches Museum Spandau

So steht der zweite Hengst nun in nächster Nähe zu einer jüngst gefundenen Hitler-Büste. Sie wurde im Sommer bei Bauarbeiten in Berlin-Mitte unweit des Kanzleramts entdeckt und dem Künstler Josef Limburg (1874-1955) zugeschrieben. Er soll sie 1937 in seinem Atelier im Berliner Ortsteil Lichterfelde angefertigt haben. Wie das Stück an den Fundort kam, ist nicht bekannt. Die Nase könnte bereits Ende des Zweiten Weltkriegs abhanden gekommen sein, als viele Hitler-Bildnisse zerstört wurden.

Der 300 Kilogramm schweren Hitler-Büste von Josef Limburg fehlt die NaseBild: Stadtgeschichtliches Museum Spandau

Außerdem werden im Schaudepot auch zwei Marmorköpfe aus dem Atelier Arno Brekers gezeigt - außerdem eine Skulptur von Arminius Hasemann (1888-1979). Die Geschichte seiner "Hockende(n) N*", wie die Statue der stereotyp dargestellten Afrikanerin von 1925 ursprünglich hieß, könnte ein eigenes Buch füllen, besonders ihr Ende: Die Skulptur wurde 2020 beschmiert und geköpft - vermutlich im Zuge der weltweiten Proteste gegen die  tödliche Polizeigewalt am schwarzen US-Amerikaner George Floyd, so Museumsleiterin Evert. Dabei war es zu diesem Zeitpunkt bereits beschlossene Sache, sie aus dem Berliner Stadtbild zu entfernen.

Die Kunstwerke im Schaudepot der Zitadelle Spandau können nur während geführter Touren und spezieller Veranstaltungen besichtigt werden.

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