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Hitlers letztes U-Boot

6. August 2010

Kurz vor Ende des Zweiten Weltkriegs verlässt das U-Boot 234 deutsche Gewässer. Es hat Uranoxid geladen, die Grundsubstanz einer Atombombe. Ziel ist Tokio - doch die Mission nimmt eine ungeplante Wendung.

Kapitänleutnant Johann-Heinrich Fehler(Mitte, mit weißer Kappe), Kapitän der U234 (dahinter), auf der USS Sutton nachdem das Boot aufgebracht worden war. (Foto: Wikipedia)
U 234 unter Kontrolle der USS Sutton

Die Matrosen des deutschen U-Bootes 234 wundern sich, als sie Anfang 1945 den Befehl bekommen, ihr Boot zum Auslaufen klar zu machen. Anstelle der üblichen Bewaffnung verpacken sie überall an Bord Kisten mit der merkwürdigen Bezeichnung U 235, Einzelteile eines neuartigen Messerschmitt 262-Düsenjägers sowie Quecksilber. Keiner von ihnen weiß, dass U 235 die wissenschaftliche Abkürzung für Uranoxid, die Grundsubstanz der Atombombe ist.

U 235 für U 234

Das Logbuch hält für den Januar 1945 fest: "Unter den Waren für Japan befinden sich die neuesten Panzervernichtungswaffen, ein zerlegter Turbo-Jäger und Raketen. Danach werden Päckchen verpackt 25 mal 25 cm groß mit der Aufschrift U 235." Neben der ungewöhnlichen Fracht, die sich in Torpedoschächten, im Kiel und in anderen frei geräumten Plätzen des Bootes befindet, kommen Zivilpersonen und zwei Japaner an Bord. Genzo Shoji und Shinchiro Tomonaga werden als Spezialisten für Flugzeugbau, Raketentechnik und U-Boot-Konstruktion bezeichnet. Für die erfahrenen Matrosen des U-Bootes sind sie Gäste, die sonst nicht an Bord kommen.

Am 25. März 1945 verlässt U-234 die Tirpitzmole in Kiel und nimmt Kurs auf die norwegische Küste. Bei Schnorchelübungen wird das Boot gerammt und muss für einige Tage in Kristiansand in die Werft. Die Reparatur dauert zwei Wochen, am 15. April 1945 verlässt das Boot endgültig europäische Gewässer mit – wie das Logbuch vermerkt – "Alarmtauchen als letztem Gruß".

Auf nach Tokio

Ziel der Reise ist Tokio, aber die Kriegslage - das ist allen klar - macht es unwahrscheinlich, dass U 234 seinen Bestimmungsort auch erreichen wird. Es ist bereits der vierte Versuch, das seit 1936 im so genannten "Antikomintern-Pakt" mit Deutschland verbündete Japan mit kriegswichtigem Material zu versorgen. Die drei vorherigen Versuche sind gescheitert, nun soll U 234 sein Glück versuchen.

Deutscher Führerstaat und japanisches Kaiserreich gemeinsam gegen Stalins SowjetunionBild: AP

Die beiden Verbündeten streben nach der Atombombe, um mit einer großen Explosion das Kriegsglück doch noch zu ihren Gunsten zu wenden. In Deutschland stockt die Atomforschung, weil das Land unter einem Dauerbombardement der Alliierten liegt. In Japan gibt es zwar nicht so häufig Bombenalarm, dafür aber hat das Land nicht genügend Uranoxid. Der amerikanische Militärhistoriker Robert K. Wilcox ist davon überzeugt, dass die Deutschen ihren japanischen Verbündeten in der Absicht helfen wollten, dass die Bombe in einem japanischen Labor entwickelt und gebaut wird. Aber es kommt anders als gedacht.

Kapitulation

Am 8. Mai 1945 erreicht die Nachricht von der Kapitulation per Funkspruch das Boot. An Bord von U 234 entbrennt eine heftige Diskussion: Soll man weiterfahren oder sich in Kriegsgefangenschaft begeben und wenn ja, in welchem Land? Das Boot befindet sich südlich von Halifax in der Nähe sowohl des britischen als auch des amerikanischen Gewässer-Sektors. Die beiden Japaner wollen nach Tokio weiterfahren, schließlich hat Japan nicht kapituliert.

Als die Entscheidung fällt, sich den Amerikanern zu ergeben, begehen die beiden japanischen Offiziere Selbstmord. Amerikanische Kriegsgefangenschaft ist mit ihrer Offiziersehre nicht vereinbar, ihre Leichname werden am 11. Mai 1945 über Bord geworfen. Drei Tage später bringt der amerikanische Zerstörer "USS Sutton" U 234 auf, ein Enterkommando kommt an Bord, holt die Kriegsflagge ein, übernimmt das Boot und schleppt es in den Hafen von Portsmouth im US-Bundesstaat Virginia.

Robert Oppenheimer

Robert Oppenheimer, Leiter des Manhattan-Project in Los Alamos, New MexicoBild: AP

Damit ist die Geschichte von U 234 zu Ende – eigentlich. Wäre da nicht die seltsame Ladung, die bald darauf von amerikanischen Soldaten inspiziert wird. Unter der insgesamt 260 Tonnen schweren Fracht befinden sich 560 Kilogramm Uranoxid, jede Menge Quecksilber und die Einzelteile eines Düsenjägers. Dieser Fund lässt den deutschen Atomphysiker Robert Oppenheimer aufhorchen, der im fernen New Mexico das "Manhattan-Project" leitet. Das amerikanische Top Secret-Programm soll den japanischen und deutschen Versuchen, eine Atombombe zu bauen, zuvorkommen. Aber auch in den Versuchslabors von Los Alamos herrscht Mangel an spaltbarem Material.

Los Alamos National Laboratory in New Mexico - hier wurde "Fat boy" - die erste Atombombe - entwickeltBild: AP

Oppenheimer reist nach Portsmouth, inspiziert das Material und lässt es nach Los Alamos bringen. Dort verliert sich die Spur des Uranoxids. Aber es ist wahrscheinlich, dass es in die Herstellung jener beiden Bomben eingeflossen ist, die am 6. und 9. August 1945 über Hiroshima und Nagasaki abgeworfen wurden.

Totale Verwüstung

Verwüstung total: Hiroshima am 7. August 1945Bild: AP

Der Befehl dazu kommt aus Berlin, denn während der Potsdamer Konfernz logiert der amerikanische Präsident Harry Truman in einer Villa in Babelsberg. Als ihm die erfolgreiche Testreihe - die so genannten "Trinity Tests" - mitgeteilt werden, erteilt er am 25. Juli 1945 den Befehl zum Abwurf der Atombomben über Hiroshima und Nagasaki. Damit - so sein Kalkül - würde er den Krieg in Asien gewinnen und gleichzeitig seine strategische Position gegenüber dem sowjetischen Machthaber Stalin verbessern.

Damit dreht Truman die eigentliche Absicht in ihr genaues Gegenteil, denn ursprünglich sollte das Uranoxid japanische Wissenschaftler in die Lage versetzen, das eigene Atomprogramm fortzusetzen. Nun kommt es – vermutlich unter Verwendung des deutschen Materials - in Form zweier zerstörerischer Atompilze über das Land.

Autor: Matthias von Hellfeld

Redaktion: Dеnnis Stutе

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