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Politik

Hitzige Debatte über Seenotrettung entbrannt

8. Juli 2019

In der deutschen Politik wird aufgeregt über die Seenotrettung im Mittelmeer gestritten. Auch aus der Bundesregierung selbst kommen widersprüchliche Signale zu Sinn und Unsinn staatlicher Rettungsmissionen. 

Die Crew der "Alan Kurdi" evakuiert am Freitag ein Flüchtlingsboot
Die Crew der "Alan Kurdi" evakuiert am Freitag ein FlüchtlingsbootBild: picture-alliance/dpa/Sea-Eye/F. Heinz

Das deutsche Außenministerium hält eine neue staatliche Seenotrettungsmission im Mittelmeer nicht für sinnvoll, solange die Frage der Aufnahme und Verteilung der Migranten nicht geregelt ist. Ein Sprecher des SPD-geführten Auswärtigen Amtes räumte zwar ein: "Es gibt da eine Lücke in der Seenotrettung." Er betonte aber, die Lücke könne erst geschlossen werden, "wenn es danach einen Hafen gibt für die Schiffe, in den sie einfahren können". 

Dagegen forderte Bundesentwicklungsminister Gerd Müller (CSU) einen internationalen Rettungseinsatz. "Notwendig ist eine gemeinsame humanitäre Initiative von Europa und Vereinten Nationen zur Rettung der Flüchtlinge auf libyschem Boden", sagte der Minister der "Neuen Osnabrücker Zeitung". Notwendig sei zudem eine Übereinkunft zur Seenotrettung. 

Ein Schlauchboot des Rettungsschiffs "Alan Kurdi" am Freitag neben einem Flüchtlingsboot vor LibyenBild: picture-alliance/dpa/Sea-Eye/F. Heinz

Müller machte insbesondere auf die verzweifelte Lage der Flüchtlinge in den libyschen Lagern aufmerksam: "Die Menschen in den dortigen Elendslagern haben die Perspektive, in den Camps durch Gewalt oder Hunger zu sterben, auf dem Rückweg in der Wüste zu verdursten oder im Mittelmeer zu ertrinken." Die neue EU-Kommission müsse "sofort" handeln und eine "neue Initiative" starten, um die Mittelmeeranrainer zu unterstützen.

Grünen-Fraktionschef Anton Hofreiter appellierte an den Entwicklungsminister, sich "mit aller Kraft" in der Bundesregierung für seinen Vorschlag einzusetzen. Die Regierung müsse sich verstärkt um eine europäische Lösung kümmern, der derzeitige Zustand bei der europäischen Seenotrettung sei "beschämend".

Entwicklungsminister Gerd Müller (Archivbild)Bild: picture-alliance/dpa/H. Hanschke

Regierungssprecher Steffen Seibert sagte, die Not auf hoher See betreffe nicht nur die Mittelmeeranrainer und zwei oder drei Staaten im Zentrum Europas, sondern sei "eine Sache der europäischen Solidarität". 

Die EU hatte die Rettung von Migranten auf See im März vorerst eingestellt. Hintergrund ist der Streit mit Italien über die Aufnahme. Ziel der Operation "Sophia" war auch die Bekämpfung der Machenschaften der Schlepper, die für die illegale Überfahrt viel Geld nehmen. 

Die kommissarische SPD-Chefin Manuela Schwesig forderte eine gerechte Verteilung von Flüchtlingen in der EU. "Das Geschachere um einzelne Rettungsboote und somit auch Menschenleben ist für Europa unwürdig", sagte sie den Zeitungen der Funke Mediengruppe. Das "Drama im Mittelmeer" müsse umgehend beendet werden. Dafür werde eine gesamteuropäische Lösung für die Verteilung von Geflüchteten benötigt, "bei der alle EU-Staaten ihren Anteil beitragen".

Der parlamentarische Geschäftsführer der Linksfraktion im Bundestag, Jan Korte, forderte: "Die Seenotrettung muss wieder staatliche Aufgabe sein und nicht auf zivile Hilfsorganisationen abgewälzt werden." Rückführungen in Bürgerkriegsländer und "Folterstaaten" wie Libyen müssten sofort eingestellt werden. 

Bundesinnenminister Horst Seehofer Bild: picture-alliance/dpa/P. Kneffel

Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) hat die Hoffnung auf eine europäische Lösung noch nicht aufgegeben. "Wir drängen weiter intensiv darauf, dass es einen festen Verteilmechanismus gibt, damit die Schiffe jeweils sofort den nächsten sicheren Hafen ansteuern können", sagte ein Sprecher seines Ministeriums.

Das Bundesinnenministerium teilte mit, Deutschland habe seit Jahresbeginn 276 Migranten aufgenommen, die in Libyen vom UN-Flüchtlingshilfswerk ausgewählt worden waren. Diese sogenannten Kontingent-Flüchtlinge waren erst nach Niger gebracht und später nach Deutschland geflogen worden. In diesem Jahr sollen den Angaben zufolge noch weitere 312 Migranten auf diesem Weg nach Deutschland kommen. 

Migranten Ende Juni im Hafen von MalagaBild: picture-alliance/ZUMA Wire/Sopa Images/J. Merida

In den vergangenen Monaten hatte es immer wieder ein diplomatisches Tauziehen um gerettete Migranten gegeben. Italien und Malta hatten Rettungsschiffen privater Hilfsorganisationen wiederholt das Anlegen in ihren Häfen verweigert. Malta stimmte mehrfach erst zu, nachdem andere EU-Länder zugesichert hatten, die Menschen aufzunehmen. Es blieb aber bei Einzelfallabsprachen, einen dauerhaften Mechanismus gibt es bislang nicht. 

Erst am Sonntagabend waren 123 Menschen von zwei Flüchtlingsschiffen in Malta an Land gelassen worden. Unter ihnen waren 65 Flüchtlinge, die von dem deutschen Rettungsschiff "Alan Kurdi" gerettet worden waren. 94 Menschen sollen nun auf Bitten von Malta auf andere Staaten verteilt werden. Deutschland will bis zu 40 Menschen aufnehmen.

Italiens Innenminister Matteo Salvini während einer Fernsehsendung vor einer Einblendung der deutschen Kapitänin Carola RacketeBild: picture-alliance/ZUMA Press/LaPresse/C. Cozzoli

Die Kapitänin der deutschen Hilfsorganisation Sea-Watch, Carola Rackete, fuhr mit Dutzenden Migranten an Bord ohne Erlaubnis der Regierung in Rom in italienische Gewässer und in den Hafen von Lampedusa und wurde festgenommen. Ihr werden Beihilfe zur illegalen Einwanderung, Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte und gegen ein Kriegsschiff vorgeworfen. 

Nach den sogenannten Dublin-Regeln ist derjenige EU-Staat für Flüchtlinge zuständig, den sie zuerst erreichen. Ausnahmen gibt es, wenn ein Asylbewerber Verwandte oder andere Bezugspunkte in einem anderen EU-Land hat. Seit Jahren kann sich die EU nicht auf eine verbindliche Quote zur Verteilung von Flüchtlingen auf alle EU-Mitgliedsländer einigen - mehrere östliche EU-Staaten sind strikt dagegen. Österreichs Ex-Kanzler Sebastian Kurz fordert, aus Seenot gerettete Migranten sollten in ihre Herkunftsländer oder in ein Transitland zurückgebracht werden. 

stu/sti (dpa, afp)
 

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