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Hitzige Debatte um Scalia-Nachfolge

14. Februar 2016

Mitten im Wahlkampf stirbt der dienstälteste US-Verfassungsrichter. Da bleibt kaum Zeit zum Trauern, schließlich muss sein Platz neu besetzt werden. Und der Nachfolger kann die USA auf Jahrzehnte prägen.

Ein Bild von Antonin Scalia aus dem Jahr 2008 (Foto: dpa)
Bild: picture alliance/ZUMA Press

Antonin Scalia war 1986 vom damaligen Präsident Ronald Reagan als erster italienischstämmmiger Richter in den Supreme Court berufen worden. So konnte der erzkonservative Katholik rund dreißig Jahre lang die US-Rechtsauslegung prägen. Bei gesellschaftlichen Streitfragen wie den Rechten von Homosexuellen, den Waffengesetzen, der Todesstrafe oder der Abtreibung hatte er sich scharf gegen liberale Ansichten positioniert. Im Alter von 79 Jahren starb Scalia nachts im Schlaf während eines Jagdausflugs.

Der verstorbene Richter habe "unser Rechtsverständnis tiefgreifend geprägt", stellte denn auch Präsident Barack Obama fest, der Scalias Familie "sein aufrichtiges Beileid" übermittelte. Zugleich machte Demokrat Obama deutlich, dass er - wie es von der Verfassung vorgesehen ist - einen Nachfolger bestimmen werde. Die auf Lebenszeit ernannten Obersten Richter müssen allerdings vom Senat bestätigt werden, und dort verfügen die Republikaner über die Mehrheit.

"Verzögern, verzögern, verzögern"

Das höchste Gericht in den USA hat generell ein größeres Gewicht als in den meisten anderen Ländern. Weil Parteienstreit im Kongress oft einen breiten Konsens verhindert, wird der Supreme Court immer wieder von der einen oder anderen Seite eingeschaltet, um bei Gesetzen ein Machtwort zu sprechen. Das macht ihn zu einer Art Ersatzparlament. Mit Scalia hatten die konservativen Richter eine Mehrheit von fünf zu vier Stimmen, viele Urteile fielen entlang dieser Linien.

Prompt entbrannte sofort ein scharfer Streit um die Frage, wer wann den Nachfolger des Verstorbenen ernennen dürfe. Die sechs führenden republikanischen Präsidentschaftsbewerber sind strikt gegen eine Ernennung durch Obama. In ihrer neunten Fernsehdebatte lieferten sie sich zwar den bislang härtesten Schlagabtausch, sind sich jedoch in dieser Frage absolut einig. Senator Marco Rubio warnte, Obama versuche, "uns eine liberale Justiz einzutrichtern". Milliardär Donald Trump sagte, es sei die Aufgabe der Republikaner, im Senat zu "verzögern, verzögern, verzögern".

Vor dem Supreme Court weht die US-Flagge auf HalbmastBild: picture-alliance/dpa/M. Reynolds

Die Meinung, dass erst der nächste Präsident einen Nachfolger Scalias auswählen solle, vertreten auch andere führende Republikaner. "Die amerikanische Bevölkerung sollte ein Mitspracherecht bei der Ernennung ihres nächsten Obersten Richters haben", sagte der republikanische Mehrheitsführer im Senat, Mitch McConnell. "Daher sollte der offene Posten nicht besetzt werden, bis wir einen neuen Präsidenten haben."

Der Republikaner Chuck Grassley, Vorsitzender des Senatsjustizausschusses, erklärte: "Seit den vergangenen 80 Jahren ist es gängige Praxis, während eines Präsidentschaftswahljahrs keine Nominierten für das Oberste Gericht zu bestätigen." Das neue Staatsoberhaupt wird im November gewählt und zieht im Januar 2017 ins Weiße Haus ein.

Warnung vor einem "beschämenden Verzicht"

Unterstützung erhält Obama aus seinem demokratischen Lager. Die ehemalige Außenministerin und Präsidentschaftsbewerberin Hillary Clinton wirft den Republikanern vor, mit ihren Forderungen nach einer Verschiebung der Neubesetzung ins kommende Jahr die Verfassung zu missachten. "Der Senat hat hier eine verfassungsrechtliche Pflicht, die er nicht aus parteipolitischen Gründen aufgeben kann."

Der einflussreiche demokratische Senator Harry Reid sagte, den vakanten Posten nicht zu besetzen, wäre ein "beschämender Verzicht" des Senats auf "eine seiner wesentlichsten verfassungsrechtlichen Zuständigkeiten".

Die Mitglieder des Obersten Gerichtshofes während des Besuchs von Papst Franziskus im September 2014Bild: Getty Images/AFP/P. J. Richards

Von der Neubesetzung hängt es ab, ob künftig liberale oder konservative Richter im Supreme Court auf längere Sicht das Sagen haben. In diesem Jahr stehen noch einige wichtige Entscheidungen an, so über die von den Republikanern angefochtene Anordnungen Obamas zum Klimaschutz und zur Lockerung von Einwanderungsregeln. Bei einem Patt von vier zu vier Stimmen hätte die vorausgegangene Entscheidung der bisher höchsten gerichtlichen Instanz Bestand. Für Obamas Einwanderungsreform, die das Oberste Gericht bis zum Sommer überprüfen will, würde dies etwa bedeuten, dass weiter die Entscheidung eines Bundesberufungsgerichts aus Louisiana gilt, das die Reform gestoppt hatte.

rb/wl (afp, ap, dpa, rtr)

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