Steigende Temperaturen, ein immer schwächerer Jetstream: Wegen des Klimawandels kommen wohl noch mehr Extremwetterereignisse wie das Hochwasser in Deutschland auf uns zu. Selbst der Mond macht Probleme.
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Mehr als 100 Menschen sind in den Fluten gestorben, die diese Woche ganze Straßenzüge im Westen Deutschlands weggerissen haben. Weitaus mehr werden noch vermisst. Der Schock sitzt bei vielen Menschen, die Angehörige oder ihr gesamtes Hab und Gut verloren haben, immer noch tief, auch weil Hochwasser diesen Ausmaßes in Deutschland bisher nur alle paar Jahrzehnte einmal vorkamen. Aber mit dem Klimawandel, so warnen Meteorologen, können Extremwetterereignisse in Zukunft öfter auftreten.
"Extreme Regen werden in der wärmeren Welt häufiger" werden, sagt Klimaforscher Andreas Fink vom Institut für Meteorologie und Klimaforschung am Karlsruher Institut für Technologie im DW-Interview.
Tote und Vermisste: Unwetter-Katastrophe in Europa
Schwere Unwetter haben in Deutschland und mehreren Nachbarstaaten für Chaos gesorgt und viele Menschenleben gefordert. Die Lage bleibt extrem angespannt, in vielen Regionen herrscht Katastrophenalarm.
Bild: Polizei/picture alliance/dpa
Reißende Flüsse
Die Kyll ist in normalen Zeiten ein kleiner Nebenfluss der Mosel. Sie fließt aus der belgischen Region Wallonien in die deutschen Bundesländer Nordrhein-Westfalen und Rheinland-Pfalz. Im besonders vom Unwetter betroffenen Eifelkreis Bitburg-Prüm ist die Kyll bei Erdorf über die Ufer getreten und hat Teile des Dorfes geflutet.
Bild: Harald Tittel/dpa/picture alliance
Auch Millionenstadt betroffen
Auch Köln, mit rund einer Million Einwohnern Deutschlands viertgrößte Stadt, ist von der Hochwasserkatastrophe betroffen - so wie in dieser Bahnunterführung, bei der nur noch das Dach eines Autos aus dem Wasser ragt.
Bild: Marius Becker/picture alliance/dpa
Ganzes Dorf verwüstet
Im kleinen Ort Schuld in der Eifel, rund 50 Kilometer südlich von Köln, sind ganze Häuser von den Wassermassen weggerissen worden. Straßen sind unterspült. Die Drohnenaufnahme zeigt das Ausmaß der Zerstörung.
Bild: Christoph Reichwein/TNN/dpa/picture alliance
Historisches Hochwasser der Ahr
Im Ahrtal haben die Regenfälle ein Jahrhundert-Hochwasser ausgelöst. Bei Ausfall des Pegelmelders am Mittwochabend war die Ahr bereits zwei Meter über dem alten Rekord.
Die Straßen von Esch (Kreis Ahrweiler) haben sich in reißende Ströme verwandelt. Zahlreiche Dörfer und Städte in der Region sind vollständig geflutet.
Bild: Thomas Frey/dpa/picture alliance
Mindestens 43 Tote und rund Dutzende Vermisste in Deutschland
Das erste Todesopfer des Unwetters wurde aus dem Sauerland gemeldet. Ein Feuerwehrmann fiel in Altena nach einem Hilfseinsatz beim Wiedereinstieg ins Einsatzfahrzeug ins Wasser und wurde abgetrieben. "Er konnte kurze Zeit später nur noch tot geborgen werden“, teilte die Polizei später mit. Die Kleinstadt ist weitgehend überflutet - auch Erdrutsche hat es gegeben.
Bild: Markus Klümper/dpa/picture alliance
Bundeswehr hilft
In vielen Regionen im Westen Deutschlands wurde Katastrophenalarm ausgelöst. Das erleichtert die Koordination zwischen den Behörden - und die Kooperaiton mit der Bundeswehr. Mit einem Bergepanzer und schwerem Räumgerät rücken die Soldaten an, um die Schäden, die die Überflutung der Nahma in der Großstadt Hagen verursacht hat, zu beseitigen.
Bild: Roberto Pfeil/dpa/picture alliance
Evakuierung von Stadtteilen
In Leichlingen halfen sich Anwohner durch die Fluten der Wupper. Durch den starken Regenfall war der Pegel des Flusses so stark angestiegen, dass Teile der Stadt evakuiert werden mussten. Besonders betroffen war der Bereich unterhalb der Diepentalsperre. Dort drohte ein Damm zu brechen.
Bild: Roberto Pfeil/dpa/picture alliance
Schäden in Millionenhöhe
Ein Auto ist vom Schutt bedeckt, den die Überflutung der Nahma in Hagen am Vorabend mit sich gebracht hat. Durch die heftigen Regenfälle war das Flüsschen am Rande des Ruhrgebiets zu einem reißenden Fluss geworden.
Bild: Roberto Pfeil/dpa/picture alliance
Auf verlorenem Posten
Am Mittwoch haben Feuerwehrleute im Katastrophengebiet versucht, das Schlimmste zu verhindern. Eine Sperrwand aus Holz sollte Mayschoss im Ahrtal vor den Wassermassen sichern. Am Ende waren viele Bemühungen vergeblich - die Naturgewalten haben sich ihren Weg gebahnt.
Bild: Thomas Frey/dpa/picture alliance
Verkehrsverbindungen unterbrochen
Ein Zug steht in der Nacht am Bahnhof in Kordel im Landkreis Trier-Saarburg in Rheinland-Pfalz. Ein Teil des Ortes wurde von den Wassermassen der Kyll überflutet. In weiten Teil Westdeutschlands ist der Nah- und Fernverkehr unterbrochen - auch die Stromversorgung ist in mehreren besonders betroffenen Gebieten unterbrochen.
Bild: Harald Tittel/dpa/picture alliance
Starkregen sorgt auch in Belgien für Tote
In Belgien sind Medienberichten zufolge zwei Menschen im Zusammenhang mit Starkregen in der Provinz Lüttich ums Leben gekommen. Viele Orte in den Ardennen hat es besonders getroffen. Die Stadt Spa liegt gut 35 Kilometer von der deutschen Grenze entfernt. Das Zentrum wurde durch den andauernden Starkregen zum Teil überflutet.
Bild: Bruno Fahy/dpa/BELGA/picture alliance
Schäden an der Infrastruktur
Die Aufräumarbeiten werden auch in Belgien noch lange Zeit in Anspruch nehmen. Der Starkregen hat die Infrastruktur in den betroffenen Gebieten massiv beschädigt. Hier wurde ein Auto von den Wassermassen auf einer überfluteten Straße durch einen Zaun mitgerissen.
Bild: Valentin Bianchi/AP/dpa/picture-alliance
Angst vor Jahrhunderthochwasser in Schweiz
Auch in der Schweiz ist die Gefahr eines Jahrhunderthochwassers noch nicht gebannt. Die Schifffahrt wurde vielerorts eingestellt. Überschwemmungen, Erdrutsche und Murgänge werden aus mehreren Regionen gemeldet. Diese Luftaufnahme zeigt den Fluss Allaine, der nach starken Regenfällen in den letzten Tagen über die Ufer getreten ist.
Ein Grund dafür: Mit der Erderwärmung verändert sich auch die Atmosphäre. "Pro ein Grad Celsius Temperaturerhöhung kann die Atmosphäre etwa sieben Prozent mehr Feuchtigkeit aufnehmen", sagt Dr. Sebastian Sippel vom Institut für Klima und Atmosphäre an der Eidgenössischen Technischen Hochschule Zürich in einem Pressestatement. "Diese durch Erwärmung zusätzliche Feuchte führt daher in der langfristigen Tendenz zu höheren Niederschlagsmengen, insbesondere bei Starkregen."
Und daran, dass der menschengemachte Klimawandel unsere Atmosphäre aufheizt, haben die Experten keinen Zweifel. "Im Jahre 2021 stellt sich nicht mehr die Frage, ob der Klimawandel dazu beigetragen hat", sagt Dr. Carl-Friedrich Schleussner, Forschungsgruppenleiter am Geographischen Institut der Humboldt-Universität in Berlin über die aktuelle Hochwasserlage in Deutschland in einem Statement. "Die Frage ist nur noch, wieviel."
Schwächerer Jetstream
Über die thermodynamische Veränderung, also die immer wärmere Atmosphäre und ihre erhöhte Kapazität für Feuchtigkeit, herrscht Konsens in der Wissenschaft. Ein weiterer Aspekt, der vermutlich bei Extremwettereignissen wie den Hochwassern in Deutschland und den Nachbarländern, sowie bei der Hitzewelle an der Westküste der USA und Kanadas eine Rolle spielt, ist noch nicht abschließend geklärt, gilt bei Experten aber als höchstwahrscheinlich.
Es handelt sich um die Luftströmungen, die eigentlich dafür sorgen, dass Hoch- und Tiefdruckgebiete in unseren gemäßigten Breiten immer schnell weiterziehen. Klimaforscher wie Andreas Fink gehen davon aus, dass der Jetstream, ein in Höhe von etwa neun Kilometern um den Nordpol wehender Westwind, in den letzten Jahren an Schwung verloren hat und es so zu Wellen in dem ehemals stetigen Luftstrom kommt.
"Diese Wellen bleiben dann an Ort und Stelle stehen und können, je nachdem, wo sie sind, extreme Hitzewellen, wie wir sie in Nordamerika gesehen haben, oder Überflutungen verursachen", erklärt Fink.
Hochs und Tiefs werden also nicht mehr so kräftig vorangetrieben. "Bei Tiefdruckgebiet Bernd [das mit starken Regenfällen die aktuellen Hochwasser auslöste, die Red.] hatten wir jetzt genau diese Situation, dass es über einem Ort verharrte."
Experten gehen davon aus, dass der Jetstream ins Stocken kommt, weil er durch den Temperaturunterschied zwischen der Arktis und den Tropen angefacht wird. In der Arktis steigen jedoch die Temperaturen, der Temperaturunterschied wird kleiner ― und damit die Luftströmung schwächer.
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Schlimmere Hochwasser wegen des Monds?
Ein letzter Punkt, der mit Blick auf Hochwasser beunruhigend ist: In der kommenden Dekade werden die Wasserstände Ebbe und Flut extremer ausfallen als normal. Grund dafür ist eine Unregelmäßigkeit in der Mondumlaufbahn. Die taucht zwar gut alle 18 Jahre einmal auf. Aber wenn es das nächste Mal so weit sein wird, in den 2030ern, wird der Meeresspiegel aufgrund der Klimaerwärmung genug angestiegen sein, dass es Grund zur Besorgnis gibt.
"In der Hälfte des 18,6-Jahre langen Mondzyklus werden Ebbe und Flut auf der Erde unterdrückt: Die Flut fällt niedriger als sonst aus, die Ebbe höher", erklärt die US-Raumfahrtagentur NASA auf ihrer Website. "In der anderen Hälfte des Zyklus werden die Wasserstände extremer: Die Flut wird höher, bei Ebbe wird der Wasserstand noch niedriger."
Forschende gehen von lang andauernden Überflutungen aus, die katastrophale Folgen haben können. In Kombination mit der wachsenden Anzahl an Extremwetterereignissen, die der Klimawandel mit sich bringt, sind das besonders beunruhigende Neuigkeiten.
Klimakrise bedroht berühmte Kulturgüter
Der Klimawandel verändert die Bedingungen für Kulturgüter: Gebäude, Stadtmauern und Parkanlagen müssen auf Trockenheit und Extremwetter vorbereitet werden.
Bild: Rainer Hackenberg/picture alliance
Dresden
2002 setzte die sogenannte Jahrhundertflut weite Teile Dresdens unter Wasser - und gefährdete zahlreiche Kulturgüter. Auch der Zwinger, der barocke Gebäudekomplex, war überschwemmt. Die Stadt gründete eine Taskforce, um künftig für Extremwetter gewappnet zu sein. Heute gibt es weltweit Bemühungen, Kulturgüter dank Klimamodellierungen besser auf meteorologische Herausforderungen vorzubereiten.
Bild: Matthias Hiekel dpa/lsn/picture alliance
Venedig
Die auf Inseln erbaute Stadt hat ohnehin schon mit den Einflüssen des Wassers zu kämpfen, das Klima begünstigt aber Phänomene wie das Hochwasser 2019. Der Bühnensaal der Oper (Bild) stand ebenso unter Wasser wie Palazzi und Kirchen. Für die Forschung sind jedoch nicht nur solche extremen Wetterereignisse relevant, sondern auch die langfristigen Veränderungen durch den Klimawandel.
Bild: Annette Reuther/dpa/picture alliance
Schloss Moritzburg
Früher setzte besonders die hohe Luftfeuchtigkeit den Kulturgütern zu. Inzwischen ist es die zunehmend trockene Luft. So auch im Barockschloss Moritzburg in Sachsen, wo sich ein großer Bestand barocker Ledertapeten befindet. Deren Bemalungen wurden bereits aufwändig saniert, weil sie Schäden wie Schrumpfungsrisse aufgewiesen hatten. Derartige Risse sind auf extreme Hitzeperioden zurückzuführen.
Die Stadt Gubbio in Umbrien umgibt eine historische Stadtmauer. Die ist, ebenso wie der Palazzo und dessen archäologische Ausgrabungen, von Bodenverschiebungen und Feuchtigkeit bedroht. Ein Teil der Stadtmauer brach bereits zusammen, nachdem Regen den Mörtel löste und Steine herausfallen ließ. Ein europäisches Forschungsprojekt will die antiken Denkmäler mit elektromagnetischen Scans schützen.
Bild: NielsDK/ imageBROKER/picture alliance
Koules-Festung
An der Einfahrt des Hafens von Kretas Hauptstadt liegt seit dem frühen 16. Jahrhundert die Festung Koules. Obwohl sie schon einiges überstanden hat, setzen ihr heute veränderte Wellenmuster zu. Deren Ursache sind sich verschiebende Windrichtungen in Folge des Klimawandels. Das Wasser durchdringt die Mauern, lässt sie erodieren, im Inneren setzt sich Natriumchlorid ab, das dem Denkmal zusetzt.
Bild: Rainer Hackenberg/picture alliance
Stonehenge
Das Welterbe existiert seit mehr als 4000 Jahren - noch. Maulwürfe zerwühlen den Boden derart, dass langfristig der Einsturz droht. Dahinter steckt ein klimabedingter Kreislauf: Milde Winter erhöhen die Population. Durch wärmere und feuchtere Bodenbedingungen vermehren sich zudem Regenwürmer, eine bevorzugte Nahrung der Maulwürfe. Starke Regenfälle setzen dem Boden weiter zu.
Bild: Andrew Matthews/PA/picture alliance
Bedrohte Altstädte
Die Altstadt von Wismar mit ihren historischen Giebelhäusern und der Wasserkunst (Foto) ist ebenso Kulturerbe wie die Altstädte von Lübeck und Stralsund - und langfristig gleichermaßen vom Anstieg des Meeresspiegels bedroht. Setzt sich die Erderwärmung fort, müssten künftige Archäologen unser Erbe unter Wasser suchen. Auch die Stadtzentren von Neapel, Brügge oder Istanbul sind gefährdet.
Bild: Jens Büttner/ZB/picture alliance
Historische Parks und Gärten
Der Klimawandel beeinflusst nicht nur Gebäude und darin untergebrachte Exponate. Auch historische Park- und Gartenanlagen wie die des Hohenzollernschlosses Sanssouci in Potsdam müssen auf die neue Wetterlage vorbereitet werden. Einige Projekte erproben Modelle, um die Widerstandsfähigkeit der Pflanzen zu stärken. Außerdem wird untersucht, wie die Bepflanzung dem Klima angepasst werden kann.