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Hochwasser: "Das wird wieder passieren"

Elliot Douglas phi
21. Juli 2021

Nach den verheerenden Überschwemmungen wird auch in Süddeutschland weiter aufgeräumt. Manch Betroffener rechnet damit, dass in Zukunft noch schlimmere Katastrophen bevorstehen.

Eine Frau mit kurzen Haaren und Brille steht am Hang vor einer Fläche voller Sand, Geröll und Baumstämmen
Landwirtin Barbara Angerer erkennt ihre Felder nach dem Unwetter kaum mehr wieder Bild: Elliot Douglas/DW

"Hier sieht es aus wie auf dem Mond", sagt Barbara Angerer. Die Landwirtin blickt um sich, schaut auf das, was früher ein saftig grünes Feld war. Hier weidete bislang ihr Vieh: "Jetzt ist es eine völlig neue Landschaft. Nicht wiederzuerkennen." Die Weide beim Dorf Bischofswiesen im äußersten Südosten Deutschlands ist übersät mit Steinen, entwurzelten Bäumen und Schutt, der den Berghang herabgespült wurde. Talabwärts stand der Schlamm hüfthoch, Scheunen und Feldwege waren nicht mehr zugänglich.

Jetzt, drei Tage nach der Sturzflut, sind sie frei geräumt. Angerer zeigt auf den Ort, von dem die Wassermassen kamen - ein idyllischer und harmlos aussehender Wasserfall ein paar hundert Meter den Hang hinauf. "Am Samstag fing es an zu regnen", sagt sie. Der Wasserfall schwoll an. "Er ergießt sich in einen Bach, der früher oben auf diesem Feld entlanglief", erklärt sie.

"Dann gab es in der Nacht einen Knall und ein riesiger Felsen kam heruntergerollt." Ihre Familie hatte gerade versucht, im sintflutartigen Regen zu sichern, was sie konnte. Als ihr Sohn die Größe des Felsblocks sah, schlug er Alarm und schrie: "Rennt um euer Leben!" Danach hätten sie nichts mehr tun können, als den Notruf zu wählen und im Haus zu bleiben, sagt Angerer.

Zahlreiche Helfer im Einsatz

Zuvor hatten die Behörden vor starkem Regen und Überschwemmungen gewarnt. Die Familie Angerer hatte entschieden, ihren Hof nicht zu verlassen, da er erhöht liegt. Ihr Wohnhaus blieb von Schäden verschont, aber drei Teiche voller Fische und einige ihrer Hühner wurden von der Flut weggeschwemmt. Die Rinder, die die Gefahr wohl witterten, waren bereits den Berg hinunter zu einer geschützteren Weide gelaufen.

Im Landkreis Berchtesgadener Land wurde nach dem Hochwasser der Katastrophenfall ausgerufenBild: Kilian Pfeiffer/picture alliance/dpa

Angerer erinnert sich, dass sie am Sonntagmorgen mit Schrecken den Schaden bei Tageslicht sah. Seitdem herrschte auf ihrem Hof ein ununterbrochenes Kommen und Gehen von Helfern - Familienmitglieder, Nachbarn und viele Bundeswehrsoldaten. Vor lauter Aufräumarbeit sei sie dabei noch gar nicht in der Lage gewesen, die Situation voll zu erfassen, sagt sie.

Nicht außer Gefahr

Erst jetzt, einige Tage später, kann sie mit mehr Ruhe über Ursachen und Folgen der Flut nachdenken, die ihr Leben für immer verändert haben. "Die Gebäude sind versichert gegen Hochwasser", erklärt Barbara Angerer. "Aber die ganzen 20 Hektar Land, die kann man nicht versichern. Das kann sich niemand leisten."

In höher gelegenen Gebieten, wie rund um Angerers Hof, haben viele Leute keine Versicherung speziell gegen Überschwemmungen abgeschlossen. Das bedeutet, dass sie auf finanzielle Hilfen vom Staat angewiesen sind. Die bayerische Landesregierung und der Bund haben dies bereits zugesagt, der bayerische Ministerpräsident Markus Söder von der konservativen CSU verspricht Betroffenen zunächst 5000 Euro Soforthilfe.

Die Behörden rechnen mit Schäden in MilliardenhöheBild: Elliot Douglas/DW

Doch diese Versprechungen können Angerers Sorgen um die Zukunft kaum lindern. "Die Überschwemmungen haben sicherlich mit dem Klimawandel zu tun. Wir sind nicht außer Gefahr", sagt sie: "Der Wasserfall ist immer noch da. Das wird wieder passieren. Nicht in nächster Zeit, aber es wird passieren."

Das Wetter wird extremer

Im Nachbarort Schönau arbeitet der 21-jährige Florian Sllamniko derweil hart daran, den Schlamm aus dem Keller seines Elternhauses zu schaufeln. Fahrräder und Gartengeräte liegen verstreut, alles verkrustet im Schlamm, der unter der Morgensonne schnell hart wird.

Ältere Nachbarn erzählen von ebenso verheerenden Überschwemmungen, die hier vor 70 Jahren Verwüstungen angerichtet haben. Doch was am Wochenende geschah, kam für Sllamniko unerwartet, als Schock. "So viel hat es hier noch nie geregnet", sagt er. Er und seine Eltern sowie die meisten Nachbarn in diesem Teil des Ortes wurden evakuiert.

Florian Sllamniku bei den AufräumarbeitenBild: Elliot Douglas/DW

Erst am Sonntagmorgen sei ihm das Ausmaß des Schadens bewusst geworden, sagt er. Das gesamte Erdgeschoss ihres Hauses war bis zur Decke mit Schlamm gefüllt. Rund um die vier besonders stark betroffenen Häuser im Ort ist der Einsatz in vollem Gange. Soldaten und Helfer des Technischen Hilfswerks (THW) sind seit Sonntag vor Ort, viele arbeiten rund um die Uhr. Ein Ehepaar aus einem der Häuser bringt Tee und Bier für diejenigen, die den Schlamm aus den Gärten schaufeln.

Suche nach Ursachen und Schutz

Josef Wanker, ebenfalls aus Schönau, ist einer der Helfer, die seit einigen Tagen im Einsatz sind. Für ihn sind die verheerenden Überschwemmungen eindeutig eine Folge des Klimawandels. "Man merkt, dass das Wetter immer extremer wird. Es wird viel wärmer oder viel kälter", sagt er vom Sitz eines kleinen Baggers aus.

Ministerpräsident Markus Söder versprach bei einem Besuch der betroffenen Regionen am Wochenende schnell mehr Maßnahmen gegen den Klimawandel. Bayern will bis 2040 klimaneutral werden - fünf Jahre früher als ganz Deutschland - und plant große Investitionen in grüne Infrastruktur. Für die Grünen, die größte Oppositionspartei in Bayern, ist dies jedoch unzureichend.

Der Schlamm stand hier in Schönau hüfthochBild: Elliot Douglas/DW

Florian Sllamniko ist skeptisch, dass der Klimawandel Ursache der jüngsten Überschwemmungen ist. "Es ist sicherlich klar, dass das Wetter jedes Jahr schlechter wird", räumt er ein. Aber darüber hinaus könne man schwer etwas sagen.

Hier im Berchtesgadener Land werden nun Geologen, Meteorologen und andere Wissenschaftler versuchen herauszufinden, wie genau es zum Hochwasser kam und was man in Zukunft dagegen tun kann. Inzwischen ist der Ausnahmezustand aufgehoben und für viele Menschen kehrt langsam wieder der Alltag ein.