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Mehr Starkregenfälle durch den Klimawandel

Ajit Niranjan
24. August 2021

Eine Studie zeigt: Die tödlichen Überschwemmungen, die im Juli in Westeuropa große Zerstörungen verursacht haben, wären ohne den Klimawandel deutlich unwahrscheinlicher gewesen.

Unwetterkatastrophe in Deutschland
Bild: Bram Janssen/AP/picture alliance

Der Klimawandel hat die Starkregenfälle, die im Juli zu massiven Überschwemmungen in Westeuropa geführt haben, zwischen 3 Prozent und 19 Prozent heftiger ausfallen lassen. Außerdem hat sich die Wahrscheinlichkeit, dass solche extremen Wetterereignisse eintreten, um das 1,2-Fache bis 9-Fache erhöht. Zu diesem Ergebnis kommt eine Studie, die am Dienstag von der internationalen Forschergruppe des World Weather Attribution (WWA) vorgestellt wurde. Für Deutschland als Land mit der höchsten Zahl der Todesopfer durch die Flutkatastrophe ein kritisches Resultat.

"Durch die Überschwemmungen wurde deutlich, dass selbst Industrieländer nicht vor den schweren Auswirkungen solcher Extremwetterereignisse geschützt sind", sagt Friederike Otto, Klimaforscherin am Environmental Change Institute der Universität Oxford und Co-Autorin der Studie in einer Presseerklärung.

Selbst kleine Flüsse wie die Erft haben Häuser zerstörtBild: Michael Probst/AP Photo/picture alliance

Die Überschwemmungen, die mehr als 220 Menschen das Leben gekostete haben, die Gebäude und Existenzen mit sich rissen, waren eine Folge des Starkregens vom 12. bis zum 15. Juli. Dieser folgte auf drei Wochen warmes und nasses Wetter, das die Böden in den betroffenen Regionen in Nordrhein-Westfalen und der Rheinland-Pfalz ohnehin schon vollgesogen hinterlassen hatte.

Der Boden war nicht mehr fähig, große Mengen Wasser in kurzer Zeit aufzunehmen. Als ein einem einzigen Tag in der Region um die Flüsse Ahr und Erft in Deutschland 93 Liter Regen pro Quadratmeter und in der Region um den Fluss Maas in Belgien 106 Liter Regen pro Quadratmeter fielen, traten in der Folge Bäche und Flüsse über die Ufer und wurden zu reißenden Fluten. Viele Menschen, die erst spät von den Behörden gewarnt wurden, hatten kaum ausreichend Zeit, sich in Sicherheit zu bringen.

Welche Rolle hat der Klimawandel gespielt?

Wenn solche Extremwetterereignisse eintreffen, analysiert das WWA Wetteraufzeichnungen und Computersimulationen und vergleicht sie mit historischen Daten. Daraus wird berechnet, welche Rolle der Klimawandel bei einer Katastrophe spielt.

Die Wissenschaftler und Wissenschaftlerinnen, die Daten aus Westeuropa in ihre Analyse integriert haben, stellten fest, dass der Klimawandel Regen intensiver und wahrscheinlicher werden lässt. Die Ergebnisse schwanken je nach Berechnungsart. So werden Regenfälle entweder um 20 Prozent wahrscheinlicher und um drei Prozent intensiver. Oder aber um maximal neun Mal wahrscheinlicher und un 19 Prozent stärker.

Die Überschwemmungen haben Städte und Dörfer in Deutschland mit dreckigem Wasser bedecktBild: Oliver Berg/dpa/picture alliance

Die Regenmenge war so außergewöhnlich und fiel auf eine so kleine Fläche, dass es "sehr schwer" sei, sie auf den Klimawandel zurückzuführen, erklärt Matthias Mengel, Wissenschaftler am Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung (PIK), der nicht zu den Autoren der Studie gehört. "Auf dem allgemeinsten Level ist die Studie schlüssig: Der Klimawandel erhöht die Wahrscheinlichkeit und die Intensität solcher Ereignisse," führte Mengel fort.

Hinter den komplexen Klimaverschiebungen, die die Niederschlagszuordnungen erschweren, liegt ein einfaches physikalisches Prinzip: Wärmere Luft enthält mehr Feuchtigkeit. Die Erde hat sich seit dem späten 19. Jahrhundert schon um mindestens 1,1 Grad Celsius erwärmt - in Deutschland fast um 2 Grad Celsius und Wissenschaftler gehen davon aus, dass Starkregenfälle immer intensiver werden wird, je mehr die Erde sich erwärmt.

"Wir dachten, dass wir die Situation kennen"

Einer der Landkreise, der besonders stark von den Überflutungen betroffen war, ist der Oberbergische Kreis in der Nähe von Köln. Hier kamen bis zu 150 Liter Niederschlag pro Quadratmeter in 72 Stunden herunter.

"Wir dachten, dass wir die Situation kennen, weil wir hin und wieder mal mit leichten Überschwemmungen zu tun haben", sagt Christian Kettler, Geschäftsführer der SN Maschinenbau in Wipperfürth, die von den Überschwemmungen getroffen wurde, als die Wupper über ihre Ufer trat. "Was diesmal besonders war, war die Schnelligkeit und die Plötzlichkeit und natürlich die Menge [Regen], die dann kam."

Wissenschaftler der staatlich geförderten Forschungsgruppe des Climate Centers Germany (GERICS) sagen voraus, dass - wenn die Emissionen so weit steigen, dass sie die Erde um 4-5 Grad Celsius erhitzen - im Oberbergischen Kreis die Tage mit mehr als 20 Liter Regen pro Quadratmeter von 11 auf 14 Tage pro Jahr steigen werden. Das ist ein stärkerer Anstieg als in fast jedem anderen Kreis in Deutschland.

Sinzig war eine der am stärksten betroffenen StädteBild: Natalia Smolentceva/DW

Mehr extreme Extreme

In den letzten Jahren haben WWA-Studien bestätigt, dass es Verbindungen zwischen dem Klimawandel und einigen Extremwetterereignissen weltweit gab. Erst kürzlich stellten sie fest, dass die tödliche Hitzewelle in Kanada und den USA durch den Klimawandel um 150 Mal wahrscheinlicher und ungefähr zwei Grad Celsius heißer war, als sie es ohne die globale Erwärmung gewesen wäre.

Auch andere Unwetter-Katastrophen wurden demzufolge durch den Klimawandel verschärft: die Waldbrände in Australien 2019 und 2020, die Hitzewellen in Europa 2018 und 2019 sowie der Tropensturm Imelda, der 2019 die USA traf. 

Ein wegweisender Bericht des IPCC stellte im August dieses Jahres fest, dass Starkregenereignisse, die sonst einmal in zehn Jahren auftreten, fast drei Mal so oft und um 30 Prozent intensiver zu erwarten sind, wenn sich die Welt um 4 Grad Celsius im Vergleich zur vorindustriellen Zeit erwärmt

Wissenschaftler haben herausgefunden, dass die tödliche Hitzewelle in Kanada und den USA 150 Mal wahrscheinlicher war, als in einer Welt ohne fossile BrennstoffeBild: JASON REDMOND/REUTERS

"Im Jahr 2021 hat sich wieder einmal gezeigt, dass die Schäden und negativen Auswirkungen der aktuellen, durch den Klimawandel verstärkten Extremwetterereignisse, die Auswirkungen früherer Unwetter bei Weitem übersteigen können. Sie können überall auftreten, enorme Schäden und menschliche Verluste verursachen", sagt Frank Kreienkamp, vom Deutschen Wetterdienst und Co-Autor der Studie.

Die Staats- und Regierungschefs der Welt haben sich 2015 verpflichtet, die globale Erwärmung bis zum Ende des Jahrhunderts auf idealerweise 1,5 Grad Celsius zu begrenzen, um die Auswirkungen des Klimawandels zu begrenzen. Aber derzeit verfolgen sie eine Politik, die zu einer Erwärmung von drei Grad Celsius führt.

Während die globale Zahl der Todesopfer durch Wetterextreme seit Jahren sinkt - weil immer genauere Computersimulationen den Wissenschaftlern ermöglicht haben, Unwetter vorherzusagen, bevor sie eintreten - hat sich die Zahl derjenigen Menschen erhöht, die durch Extremwetter vertrieben werden. Große Veränderungen gab es Ländern wie Bangladesch und China, die Hochwasserschutzanlagen errichtet, Frühwarnsysteme eingerichtet und Evakuierungspläne entwickelt haben, um Menschen schnell aus Gefahrenzonen herauszubringen.

Staatsoberhäupte halten ihr Versprechen Klimawandel einzudämmen nicht einBild: Ina Fassbender/AFP/Getty Images

Aber viele Evakuierte haben nach den Unwettern keine Häuser oder Existenzen mehr, zu denen sie zurückkehren können. Das trifft auch auf Deutschland zu.

"Ereignisse, wie wir sie diesen Sommer an der Ahr, Erft und Maas gesehen haben, werden in Zukunft stärker und häufiger werden", sagt Mengel vom Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung. "Wir müssen das globale Klima stabilisieren, um noch schlimmere und häufigere Extreme zu verhindern."

Dieser Artikel wurde aus dem Englischen adaptiert.

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