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Hoffen auf feste Zusage

Alexander Andreev11. Dezember 2002

Bulgarien macht deutliche Fortschritte bei den EU-Verhandlungen. Dennoch ist die Regierung innenpolitisch angeschlagen. Sie hofft, mit mehr Geld aus Brüssel ihr Stimmungstief wieder wett zu machen.

Kathedrale in der bulgarischen Hauptstadt, Sofia.Bild: AP

Der bulgarische Außenminister, Solomon Passy, und sein rumänischer Kollege, Mircea Geoana, haben neulich bei der dänischen EU-Präsidentschaft einen formellen Antrag gestellt. Beide Länder erwarten sich vom Gipfeltreffen in Kopenhagen ein festes Beitrittsdatum. Hochrangige EU-Vertreter haben bereits mehrmals den 1. Januar 2007 in Aussicht gestellt, auch die so genannte "Road-Map" für beide Länder ist beschlossene Sache; nun möchten Sofia und Bukarest in Kopenhagen schon eine feste Zusage bekommen.

Finanziell soll die Wartezeit bis 2007 für Bulgarien durch die Aufstockung der Beitrittsgelder schmackhafter gemacht werden. Beim Gipfeltreffen in Kopenhagen könnten die EU-Beiträge deutlich erhöht werden, versprach neulich Dimitrios Kourkoulas, EU-Vertreter in Sofia. Der Diplomat erwartet
für Bulgarien eine jährliche Summe von bis zu 500 Millionen Euro. Für die Regierung in Sofia sind solche Nachrichten aus Brüssel und Kopenhagen überlebenswichtig, denn gerade die finanzielle Seite des EU-Beitritts sorgt in einem Punkt für große innenpolitische Spannungen.

Streitpunkt Atomkraftwerk

Dabei geht es um die mit der EU vereinbarte Schließung der Reaktoren Eins bis Vier im bulgarischen Atomkraftwerk "Koslodui". Die ersten zwei Blöcke werden zwar fristgerecht bis zum 20. Dezember stillgelegt, hieß es kürzlich in Sofia, die Proteste gegen die Stilllegung der Reaktoren Drei und Vier gehen aber auf Volltouren weiter. So braucht die Regierung handfeste Zusagen aus Kopenhagen, um die Atomlobby und die aufgewühlte Öffentlichkeit überzeugen zu können.

Laut Meinungsumfragen hat das Kabinett des ehemaligen Königs Simeon Saxkoburggotski zurzeit schlechte Karten im Lande. 59 Prozent der Bulgaren empfinden die innenpolitische Lage als sehr angespannt, zwei Drittel der Befragten sind mit der Arbeit des Kabinetts eher unzufrieden. Die Demoskopen sehen die regierende Partei, die Nationale Bewegung Simeon II., auf Platz zwei mit einer Unterstützung von nur zwölf Prozent, weit hinter der ex-kommunistischen Bulgarischen Sozialistischen Partei, die von der Armut und den Kürzungen im Sozialetat kräftig profitiert. Die kleinere Regierungspartei, die Bewegung für Rechte und Freiheit, die die 750.000 ethnischen Türken in Bulgarien repräsentiert, bekommt eine Unterstützung von rund sechs Prozent.

Privatisierungen auf Eis

Die türkische Minderheit, die vom Tabakanbau wirtschaftlich stark abhängig ist, leidet zurzeit unter dem ungeklärten Status des staatlichen Tabakkonzerns "Bulgartabac". Die Privatisierung dieses Konzerns – an dem die Deutsche Bank beteiligt war - wurde nämlich vom Obersten Gericht in Bulgarien rückgängig gemacht. Die bulgarische Justiz blockierte neulich auch das zweite große Privatisierungsvorhaben der Regierung - die Entstaatlichung der Telekommunikationsunternehmen.

In- und ausländische Beobachter schätzen das Vorgehen der Justiz als unzulässige Einmischung in die Kompetenzen der Exekutive ein. Dadurch werde das Investitionsklima in Bulgarien beschädigt. Nach der Einladung zum Nato-Beitritt, die Sofia beim Gipfeltreffen in Prag mit sechs weiteren osteuropäischen Staaten bekommen hat, erhofft man sich in Bulgarien mehr Stabilität und vor allem mehr Sicherheit für die Auslandsinvestoren. Sollte aber diese Rechnung des Kabinetts nicht bald aufgehen, wird ein Dauerthema der bulgarischen Politik wieder an Bedeutung gewinnen: die vorgezogene Parlamentswahl.

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