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Hoffmann: "Klitschko ist kein erfahrener Politiker"

Christian Ignatzi26. Januar 2014

Wenn der ukrainischen Opposition an einer schnellen Konfliktlösung gelegen ist, hätte sie dem Kompromiss Janukowitschs zustimmen sollen, sagt die Leipziger Honorarkonsulin der Ukraine, Jelena Hoffmann, im DW-Interview.

Jelena Hoffmann (Foto: privat)
Bild: Hoffmann

DW: Frau Hoffmann, wann waren Sie zuletzt in der Ukraine?

Jelena Hoffmann: Das ist schon ein Weilchen her, ein halbes Jahr auf jeden Fall. Aber natürlich stehe ich aufgrund meiner Tätigkeit als Honorarkonsulin der Ukraine in ständigem Kontakt mit ukrainischen Bürgern.

Auch mit der Regierung?

Nein, nur über die Botschaft.

Können Sie sich trotzdem vorstellen, warum Janukowitsch der Opposition das Angebot gemacht hat, sie in die Regierung aufzunehmen?

Natürlich ist es das Ziel jeder Regierung, Krisensituationen zu entschärfen. Das ist mit auch ein Grund dafür, warum Janukowitsch das gemacht hat. Ich denke, man könnte ihm - wenn man nicht ganz schlecht von ihm denkt - auch unterstellen, dass er es macht, weil er glaubt, dass die Beteiligung der Opposition helfen kann, das Land aus dieser Krise zu führen. Eines ist aber klar: Er wird seinen Posten nicht freiwillig aufgeben.

Hätte die Opposition das Angebot annehmen sollen?

Meiner Meinung nach war das Angebot nicht zu unterschätzen. Die Opposition will die Macht übernehmen und Janukowitsch hat den Vorschlag gemacht, sie daran zu beteiligen. Wenn es nur darum geht, Janukowitsch abzusetzen und Neuwahlen zu machen, wird die Opposition auch darauf bestehen. Aber wenn es darum geht, das Land aus der Krise zu führen, wäre es schon nicht schlecht gewesen, wenn die oppositionellen Politiker dieses Angebot angenommen hätten.

Fehlt Vitali Klitschko die politische Erfahrung für solch eine Situation?

Selbstverständlich! Er ist kein erfahrener Politiker in dem Sinne. Er hat sich in der Politik noch nicht bewährt, noch keine Ämter im Großen und Ganzen belegt. Was mir persönlich ein bisschen fehlt in dieser ganzen Situation sind die Inhalte.

Inwiefern?

Ein Inhalt ist die Absetzung von Janukowitsch und Neuwahlen. Aber was kommt danach? Wozu will er das machen? Welche Inhalte vertritt Herr Klitschko? Das steht momentan noch infrage.

Sie glauben also, dass es der Opposition gar nicht um das Wohl des Landes geht, sondern nur darum, Janukowitsch abzusetzen?

Das ist Spekulation. Ich glaube schon, nach dem was bisher zu hören war, dass Klitschko neuer Präsident werden möchte und dass er den alten Präsidenten demzufolge absetzen und Neuwahlen machen möchte. Ich kann mich nicht in den Kopf von Herrn Klitschko hineinversetzen. Ich kann nur sagen, dass in der jetzigen Situation, wo eine schnelle und gravierende Entscheidung für das Land gebraucht wird, Neuwahlen keine schnelle Lösung bringen. Die Demonstranten wollen auch, dass Janukowitsch abgesetzt wird. Im Wesentlichen sind es Westukrainer. Sie trauen Janukowitsch nicht zu, dass er das Land auf die Annäherung an die Europäischen Union ausrichten will.

Kritische Stimmen sehen Janukowitschs Angebot als Hinhaltetaktik. Glauben Sie das?

Ich weiß nicht, ob das so ist. Ich kann nur eines sagen: Wenn Janukowitsch der Opposition eine Regierungsbeteiligung anbietet, heißt das, dass die Opposition am Geschehen im Land beteiligt wird und Verantwortung übernimmt. Ich glaube, das ist ein Angebot, das momentan in dieser Situation der Ukraine mehr helfen würde als Neuwahlen.

Mittlerweile gibt es auch im Osten der Ukraine Proteste, was ist davon zu halten?

Wenn man das Geschehen in der Ukraine und die Entwicklung des Landes in der letzten Zeit verfolgt, kann man schon sehen, dass sich das Land wirtschaftlich und gesellschaftlich in keinem guten Zustand befindet. Selbstverständlich leben auch in der Ostukraine viele Menschen, die mit der jetzigen Situation nicht zufrieden sind. Das Verhältnis zu Europa ist dort aber ein ganz anderes, als in der Westukraine.

Nämlich?

Es ist nicht so, dass die Ostukrainer keine Annäherung an die EU wollen. Das ganze Land will auf den gemeinsamen Werten mit der EU die Entwicklung vorantreiben. Ich glaube aber, dass sich die EU etwas verschätzt hat in der Einschätzung der Ostukraine zu Russland. Die Ostukraine und Russland sind wirtschaftlich und gesellschaftlich aufeinander angewiesen. Deshalb stellen sich die Ostukrainer die Frage, was aus diesem Verhältnis wird.

Zunehmend mischen sich Rechtsradikale unter die Demonstranten. Kann das zu einem Problem werden?

Leider Gottes ist es immer so, dass bei solchen Konflikten Nationalisten versuchen, ihre Karten auszuspielen. Es kann zwar zu einem Problem werden, diese Gefahr besteht aber nur in der Westukraine. Man darf sie nicht aus den Augen lassen und muss alles dafür tun, dass die extremen Tendenzen keine Plattform kriegen.

Jelena Hoffmann (66) wurde in Moskau geboren und zog nach ihrer Hochzeit 1975 in die DDR. Heute lebt sie in Leipzig und gilt als Spezialistin für deutsch-ukrainische Geschäfts-und Politikbeziehungen. Seit 2008 ist sie Honorarkonsulin der Ukraine in Deutschland und für das Bundesland Sachsen zuständig.

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