1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen
Politik

Lösung für den Mazedonien-Streit?

Thomas Roser
14. Dezember 2017

Skopje und Athen bemühen sich um eine Annäherung im Streit um den Landesnamen des kleinen Balkanstaates Mazedonien. Zugeständnisse müsste vor allem eine Seite machen, berichtet Thomas Roser.

Flaggen von Griechenland und Mazedonien
Bild: Colourbox

Der betagte US-Diplomat Matthew Nimetz ringt seit 23 Jahren mit zwei starrköpfigen Balkannachbarn um ein Wort. Doch nun könnte sich die scheinbar unendliche Mission des 78-Jährigen doch noch dem Ende zuneigen. Der Streit zwischen Skopje und Athen um den Landesnamen Mazedoniens "kann und muss nächstes Jahr gelöst werden", hofft der geduldige UN-Vermittler auf eine baldige Einigung seiner Stammkunden: Das Klima für eine Lösung des Konflikts habe sich sowohl in Mazedonien als auch in Griechenland merklich "gebessert".       

Seit der 1991 erklärten Unabhängigkeit Mazedoniens liegen die beiden streitbaren Nachbarn im verbissenen Namensclinch: Wegen der Furcht vor etwaigen Gebietsansprüchen Skopjes will Athen die Nachbarn mit dem Verweis auf die griechische Region Makedonien zu einer Namensänderung zwingen.

Athen blockierte 2008 den NATO-Beitritt Mazedoniens

Auf Druck Athens und Brüssels nahm Mazedonien bereits 1992 den Verzicht auf jegliche Gebietsansprüche in die Verfassung auf und ersetzte 1995 den von Griechenland beanspruchten Stern von Vergina durch eine stilisierte Sonne auf der Landesflagge. Doch obwohl das Land wegen Athen seit 1993 in internationalen Organisationen unter dem sperrigen Namensprovisorium der "Ehemaligen jugoslawischen Republik Mazedonien" (FYROM) firmiert, lastet der unselige Namensstreit wie ein Fluch auf der sensiblen Nachbarschaftsehe: Athen sitzt dabei als EU- und NATO-Mitglied am längeren Hebel.

Nachdem Athen 2008 den erwarteten NATO-Beitritt Mazedoniens als FYROM überraschend blockiert hatte, verschlechterten sich die Beziehungen rasch. In der Ägide des rechtspopulistischen Premiers Nikola Gruevski setzte Mazedonien fortan bewusst auf eine Politik der nationalistischen Provokation. Nicht nur Flughäfen und Autobahnen wurden zum Ärger Athens nach Alexander dem Großen benannt, sondern auch Skopje mit unzähligen Denkmälern antiker Helden verstellt. Die Nachbarn pflegten fortan vor allem per Protestnoten zu kommunizieren: Seit 2014 lagen die Verhandlungen über den Namensstreit praktisch still.

Athen ärgerte sich auch über Denkmäler: Alexander der Große auf einem zehn Meter hohen Sockel im Zentrum der mazedonischen Hauptstadt Bild: Robert Atanasovski/AFP/Getty Images

Mehr Interesse aus Brüssel und Washington

Doch der Machtwechsel in Skopje und der seit Juni amtierende sozialdemokratische Premier Zoran Zaev haben für neue Bewegung auf der Dauerbaustelle und ein Tauwetter in den Beziehungen mit allen Nachbarn Mazedoniens gesorgt. Gleichzeitig scheint auch in Brüssel und Washington das lange völlig entschlummerte Interesse am labilen Vielvölkerstaat wegen der Furcht vor einem Verstärken des Moskauer Einflusses auf dem Balkan neu erwacht.  

Zugeständnisse müsste vor allem Mazedonien machen. Doch der Zeitpunkt für einen Kompromiss scheint auch innenpolitisch gut. Nach dem Debakel bei den Kommunalwahlen im Oktober ist die oppositionelle VMRO-DPMNE angeschlagen - und mit dem Kampf um die Nachfolge ihres ausrangierten Vormanns Gruevski voll beschäftigt. Neu-Premier Zaev sitzt trotz knapper Parlamentsmehrheit hingegen gestärkt im Sattel: Geschickt hat er sich mit einem kooperativen Kurs der Verständigung mit allen Nachbarn auch außenpolitisch freien Rücken für das bevorstehende Finale im leidigen Namenszwist mit Griechenland verschafft.

Zaevs kooperativer Kurs der Verständigung mit den Nachbarn

Die unter Gruevski völlig erkalteten Beziehungen zu Bulgarien hat Zaev mit einem  Nachbarschaftsabkommen im August neu belebt - und strittige historische Fragen in die Obhut einer noch zu schaffenden Kommission verlagert. Mit seinem Amtskollegen aus dem Kosovo, Ramush Haradinaj, hat sich Zaev diese Woche auf die Einsetzung einer internationalen Untersuchungskommission zur Aufklärung der Hintergründe der mysteriösen Kämpfe von Kumanovo 2015 geliefert: Im November hatten hohe Haftstrafen gegen beteiligte Kosovo-Albaner im Nachbarland heftige Demonstrationen ausgelöst. Selbst mit Serbien, das im Frühjahr noch mit aller Macht seine Amtsübernahme zu verhindern trachtete, hat Zaev mittlerweile alle Wogen geglättet: Der neue Nachbarschaftsfriede soll im Februar mit einer gemeinsamen Kabinettssitzung der beiden Regierungen besiegelt werden. 

Nicht nur in Brüssel, sondern auch in Washington und Athen stößt die neue Sachlichkeit von Zaev auf ein positives Echo. Nach der Wiederaufnahme der drei Jahre lang unterbrochenen Verhandlungen in dieser Woche wird in der griechischen und mazedonischen Presse bereits der Ausdruck "Neues Mazedonien" als vermeintliche Kompromissformel im Namenszwist kolportiert.  Doch ob Ober-, Nord- oder Neumazedonien - Vermittlerroutinier Nimetz bleibt Realist und kündigt für Januar, Februar und März intensivierte Verhandlungen in New York an: "Nach so vielen Jahren gibt es keinen neuen magischen Namen. Ein schwieriges Problem lässt sich nicht mit dem Zauberstab, sondern nur mit harter Arbeit, guter Diplomatie und politischem Willen lösen." 

Den nächsten Abschnitt Mehr zum Thema überspringen