Hoffnung für Geiseln: Israel und Hamas sprechen wieder
5. Oktober 2025
Nahezu zwei Jahre nach Beginn des Israel-Hamas-Kriegs im Gazastreifen konkretisiert sich die Hoffnung auf eine Waffenruhe und die Freilassung der verbliebenen Geiseln. In Ägypten werden Israel und die radikal-islamische Hamas indirekte Gespräche aufnehmen, wie das ägyptische Außenministerium bestätigte. Die Verhandlungen, die vermutlich über Vermittler geführt werden, seien "Teil der Bemühungen, auf dem regionalen und internationalen Momentum aufzubauen", das nach der Vorstellung von US-Präsident Donald Trumps Friedensplan entstanden sei. Ziel sei es, die Details eines Geisel- und Gefangenenaustauschs festzulegen.
Ein konkreter Ort des Treffens wurde nicht genannt - im Gespräch sind Kairo und der Touristenort Scharm El-Scheich auf der Sinai-Halbinsel. Noch unklar ist, ob die Gespräche an diesem Sonntag oder erst am Montag beginnen. Zuvor hatte die Hamas Trumps 20-Punkte-Plan für ein Ende des Kriegs teilweise angenommen und eine Freilassung der israelischen Geiseln zugesagt.
US-Präsident Trump wird seinen Schwiegersohn Jared Kushner und den Nahost-Sondergesandten Steve Witkoff nach Ägypten entsenden. Auch Israels Regierungschef Benjamin Netanjahu erklärte in einer Video-Ansprache, er habe das israelische Verhandlungsteam angewiesen, nach Ägypten zu reisen. "Die Gespräche werden sich auf die letzten Details der Geiselübergabe konzentrieren", so Netanjahu. Israel und die USA seien entschlossen, die indirekten Verhandlungen mit der Hamas "auf wenige Tage zu beschränken".
Trump: "Werde keine Verzögerung tolerieren"
Trump hatte Israel nach dem Einlenken der Hamas aufgefordert, die Angriffe auf den Gazastreifen "sofort" einzustellen. Eine Waffenruhe sei möglich, sobald die Hamas einer bestimmten Rückzugslinie für die israelische Armee zustimme, schrieb er auf seiner Plattform Truth Social. "Sobald die Hamas zustimmt, tritt die Waffenruhe SOFORT in Kraft." Dann solle der Austausch der Geiseln und Gefangenen folgen, bevor die nächste Phase des israelischen Rückzugs beginne.
Am Samstag warnte Trump die Hamas davor, auf Zeit zu spielen: "Die Hamas muss sich schnell bewegen, sonst ist alles möglich", schrieb er. "Ich werde keine Verzögerung tolerieren." Netanjahu betonte kurz zuvor, die israelische Armee werde sich zwar neu positionieren, aber weiterhin strategisch wichtige Gebiete "tief im Gazastreifen" kontrollieren.
Gazastreifen ohne Hamas-Herrschaft?
Nach Angaben eines Hamas-Vertreters will Ägypten zusätzlich eine Konferenz für einen "innerpalästinensischen Dialog über die palästinensische Einheit und die Zukunft des Gazastreifens einschließlich seiner Verwaltung" ausrichten. Laut US-Plan soll die Hamas künftig keine Rolle in der Verwaltung des Küstenstreifens spielen. Ihrer vorgesehenen Entwaffnung hat die Organisation bislang nicht ausdrücklich zugestimmt. Trump erklärte dennoch, die Hamas scheine "zu einem dauerhaften Frieden bereit".
Israel hatte Trumps Plan unmittelbar befürwortet und sich "auf die sofortige Umsetzung der ersten Phase zur Freilassung aller Geiseln" vorbereitet. Dennoch setzte die israelische Armee ihre Offensive gegen Hamas-Stellungen in der Stadt Gaza fort. Armeesprecher Avichay Adraee warnte die Bevölkerung: "In die Stadt zurückzukehren ist extrem gefährlich."
Tony Blair soll Übergangsregierung beaufsichtigen
Trumps 20-Punkte-Plan, vorgestellt am vergangenen Montag, sieht neben der Freilassung der israelischen Geiseln einen schrittweisen Abzug der israelischen Armee aus dem Gazastreifen vor. Im Gegenzug sollen 250 palästinensische Häftlinge mit lebenslangen Haftstrafen und 1700 weitere Inhaftierte freikommen. Die Hamas soll entmachtet und entwaffnet werden.
Darüber hinaus sieht der Plan den Aufbau einer "internationalen Stabilisierungstruppe" unter US-Führung vor. Eine Übergangsregierung aus "unpolitischen" Palästinensern und internationalen Experten soll die Verwaltung übernehmen. Ein "Friedensrat" unter Trumps Leitung, an dem auch der frühere britische Premier Tony Blair beteiligt wäre, soll die Umsetzung überwachen.
Bundesaußenminister Johann Wadephul zeigte sich zuversichtlich, dass der Krieg im Gazastreifen bald zu einem Ende kommt. "Der Friedensplan von US-Präsident Trump bietet dazu eine einzigartige Chance, auch weil er von arabischen und muslimischen Staaten mitgestaltet wurde", sagt er vor einer Auslandreise nach Katar.
Nach zwei Jahren der Gewalt und Zerstörung müsse diese Chance nun genutzt werden, so Wadephul. "Die Signale der letzten Tage geben mir Zuversicht, dass Israels Regierung und die Hamas bereit sind, die dazu notwendigen Schritte zu gehen." Es sei jedoch weiter die Mithilfe aller nötig, die Einfluss geltend machen könnten. Zupackende internationale Zusammenarbeit, um den US-Plan schnell umzusetzen, sei auch Thema bei seinen anstehenden Gesprächen in Katar.
Demonstrationen in ganz Europa
In einer Reihe von europäischen Städten gingen derweil erneut zahlreiche Menschen auf die Straßen, um ein Ende des Kriegs im Gazastreifen zu fordern. In der italienischen Hauptstadt Rom nahmen nach Angaben der Polizei am Samstagnachmittag 250.000 Menschen an den Protesten teil. Die Organisatoren sprachen von einer Million Demonstranten. Zehntausende Menschen demonstrierten in den spanischen Großstädten Madrid und Barcelona. Proteste gab es unter anderem auch in Dublin und Paris.
In Berlin kam es nach Angaben der Polizei in den Stadtteilen Neukölln und Kreuzberg bei "spontanen Versammlungslagen und Demonstrationslagen zum Nahostkonflikt" zu Ausschreitungen. In der britischen Hauptstadt London gingen rund tausend Menschen auf die Straße, obwohl die Regierung nach dem Anschlag vor einer Synagoge in Manchester dazu aufgerufen hatte, aus Solidarität mit der jüdischen Gemeinschaft nicht zu demonstrieren.
Widerstand innerhalb Israels
Innerhalb Israels stößt Netanjahus Zustimmung auf Widerstand. Seine rechtsextremen Koalitionspartner, die eine Annexion und Wiederbesiedlung des Gazastreifens fordern, kritisierten ihn scharf.
Finanzminister Bezalel Smotrich sprach von einem "schwerwiegenden Fehler", der Israels Position schwäche. Polizeiminister Itamar Ben-Gvir drohte mit dem Austritt seiner Partei aus der Regierung, sollte die Hamas nach der Freilassung der Geiseln weiterhin existieren: "Wir werden uns nicht an einer nationalen Niederlage beteiligen, die zu einer tickenden Zeitbombe für das nächste Massaker werden wird."
Der Krieg im Gazastreifen war durch den Überfall der Hamas und ihrer Verbündeten auf Israel am 7. Oktober 2023 ausgelöst worden. Dabei wurden nach israelischen Angaben mehr als 1200 Menschen getötet, 251 als Geiseln verschleppt. Zwei Jahre später befinden sich noch 48 Geiseln in der Gewalt der Hamas, mindestens 25 sollen tot sein.
Als Reaktion auf den Angriff führt Israel seither eine massive Militäroffensive im Gazastreifen durch. Nach Angaben des von der Hamas kontrollierten Gesundheitsministeriums, die sich nicht unabhängig überprüfen lassen, kamen dabei mehr als 67.000 Menschen ums Leben.
pgr/wa/al (dpa, afp, rtr)