Die Situation rund um das Flüchtlingslager von Calais sorgt seit Monaten für Zündstoff in Frankreich. Nun ist Präsident François Hollande erstmals in seiner Amtszeit in die Stadt am Ärmelkanal gereist, wo Tausende Migranten in Behelfsunterkünften campieren. Die meisten von ihnen wollen von dort aus nach Großbritannien gelangen.

Die französischen Behörden bereiten derzeit die Räumung des als "Dschungel von Calais" bekannten Lagers vor: Die Menschen sollen im ganzen Land verteilt werden. Das Lager werde dieses Mal "vollständig abgerissen", sagte Hollande während seines Besuchs in der Hafenstadt. Er rief die britische Regierung auf, "ihren Teil" zur Lösung der humanitären Krise beizutragen.

In "Ankunfts- und Orientierungszentren" würden etwa 9000 Plätze geschaffen, hatte Hollande am Samstag gesagt. Die Flüchtlinge würden in Gruppen von bis zu 50 Personen für eine Dauer von bis zu vier Monaten in die Zentren verlegt. Wer die Asylbedingungen erfülle, dürfe in Frankreich bleiben, alle anderen würden abgeschoben. "Es sollte in Frankreich keine Lager geben", sagte Hollande. Er reagierte damit auf Warnungen der konservativen Opposition vor dem Entstehen vieler "Mini-Calais" im ganzen Land.

Das Lager selbst betrat Hollande bei seinem Besuch in Calais nicht, um stattdessen Vertreter von Polizei, örtlicher Wirtschaft und Hilfsorganisationen zu treffen. Die Regierung hatte im Februar und März etwa die Hälfte des Lagers abreißen lassen und angekündigt, auch den Rest zu räumen. Einen Zeitrahmen dafür hat sie aber nicht genannt.

Eine Stadt aus Hütten

Seit dem Frühjahr 2015 ist auf einem Brachland ein Lager aus Zelten, Hütten und inzwischen auch staatlich finanzierten Containern entstanden. Nach Angaben der Behörden leben dort 6500 bis 7500 Menschen, Hilfsorganisationen sprechen sogar von mehr als 10.000 Migranten. In dem Lager inmitten von Dünen herrschen chaotische Zustände. Die Bewohner warten auf eine Gelegenheit, auf einen der Züge durch den Eurotunnel unter dem Ärmelkanal oder eine Fähre nach Großbritannien zu gelangen.

Dabei kommt es immer wieder zu Todesfällen. Nach Zählung der französischen Nachrichtenagentur AFP starben in diesem Jahr 13 Migranten in Calais und Umgebung. Noch am Samstagabend wurde ein Sudanese von einem Zug erfasst und tödlich verletzt. Das berichtete die Regionalzeitung "La Voix du Nord" unter Berufung auf die örtlichen Behörden. Nach Angaben eines Zeugen soll der Mann an einem geschlossenen Bahnübergang auf die Gleise gelangt sein. 

Der Hafen und der Ärmelkanaltunnel werden inzwischen streng abgeschirmt. Entlang dem Hafenzubringer wird derzeit zudem eine Mauer gebaut. Der von Großbritannien finanzierte Wall solle vier Meter hoch und einen Kilometer lang werden, berichtete die britische Agentur PA. Die Regierung in London hatte sich kürzlich für den Bau entschieden.

In der Region gibt es großen Unmut über die Situation, die auch mit Blick auf die Präsidentschaftswahl im kommenden Frühjahr brisant ist. Das Lager ist in Frankreich zum Symbol für die Flüchtlingskrise geworden.

stu/rb (afp, dpa, rtr)