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Politik

Hollande wirft das Handtuch

Barbara Wesel
1. Dezember 2016

Seit Wochen war orakelt worden, ob Frankreichs Präsident bei der nächsten Wahl noch einmal antritt. Jetzt hat er aus seiner spektakulären Unbeliebtheit die Konsequenz gezogen.

Frankreichs Präsident François Hollande
Bild: picture-alliance/AP Photo/F. Mori

Hollande will nicht mehr

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Dieses Mal hat die Pariser Gerüchteküche versagt: Seit Wochen wurde gemunkelt, François Hollande werde trotz seiner desaströsen Umfragewerte im nächsten April noch einmal zur Wahl antreten. Man dürfe ihn nie unterschätzen, kommentierten einige seiner verbliebenen Getreuen. Und viele attestierten ihm auch einen so ausgeprägten Realitätsverlust, dass sie geradezu erwarteten, der unbeliebteste Präsident aller Zeiten werde sich einem brutalen Wahlkampf und einer unausweichlichen Niederlage aussetzen.

Er will mit Würde gehen

Etwas zehn Minuten lang listete der Präsident den Franzosen noch einmal auf, was er in seiner Amtszeit geleistet habe. Die Wirtschaftsdaten hätten sich positiv entwickelt, die Sozialausgaben seien ausgeglichen, das Land habe der Bedrohung durch furchtbare Terroranschläge widerstanden. Zudem habe er die bürgerlichen Freiheiten gestärkt, und etwa die Ehe für Homosexuelle eingeführt. Das aber ist gerade eine der Errungenschaften, für die sein Gegenspieler von den Republikanern die Sozialisten am härtesten attackiert. Viele der strukturkonservativen Franzosen hatten heftigen Widerstand gegen diese Modernisierung der Gesellschaft geleistet.

Hollande tritt nicht noch einmal an

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Und schließlich hält François Hollande sich auch zugute, dass seit Anfang des Jahres die Arbeitslosigkeit langsam sinkt. Allerdings ist die Verbesserung nicht so durchgreifend, dass die Menschen sie schon spüren könnten. Und darüber hinaus sitzt die Unzufriedenheit mit der Regierung Hollande so tief, dass selbst ein Wunder die Franzosen derzeit nicht mehr von der Qualität dieses Präsidenten überzeugen könnte. Als er unlängst nur noch eine Zustimmungsquote von vier Prozent erzielte, schien sein Ende besiegelt.

Zickzackkurs

Ein Teil von Hollandes dramatischer Unbeliebtheit beruht auf seinem Image: "Flanby" wurde er in der Bevölkerung genannt, was so viel wie Wackelpudding heißt. Er hat die ganze erste Hälfte seiner Amtszeit mit Zögerlichkeit verschwendet. Seine privaten Affären machten ihn lächerlich, statt wie bei manchen seiner Vorgänger als Beweis der "Männlichkeit" zu dienen. Seit er auf dem Weg zu seiner Freundin mit Helm auf dem Motorroller fotografiert worden war, hatte François Hollande eigentlich keine Chance mehr. Die Mehrheit der Franzosen fand ihn nicht präsidentiell genug.

Von den notwendigen und versprochenen Reformen hat er nur einen Bruchteil durchsetzen können. Seine Bildungsreformen waren Gemurkse, seine Änderung der verkrusteten Arbeitsgesetze endete im Fiasko. Wochenlange Demonstrationen linker Gewerkschafter waren die Folge. Holland knickte ein und zog seinem Gesetzentwurf die Zähne, so dass sich am Ende die Durchsetzung kaum noch lohnte. Und seine Regierung musste noch zu einer Notverordnung greifen, um das Reförmchen durchzuboxen.

Nach den Terroranschlägen konnte Hollande die Franzosen vorübergehend einenBild: Picture-Alliance/dpa/E. Gaillard

Ihm gelang so wenig, nicht nur weil die Gewerkschaften, wie in Frankreich üblich, gegen jeden Einschnitt in soziale Rechte mobilisierten, sondern auch, weil ihm seine eigene Partei nicht folgte. Der sozialdemokratische Flügel, der Hollandes Reformvorhaben unterstützte, wurde ständig von links attackiert. Bei den Sozialisten ist immer noch die Gruppe derer stark, die eine wirtschaftsfreundliche Politik für Teufelswerk halten und für die "Unternehmer" ein Schimpfwort ist. François Hollande ist daran gescheitert, dass er keine Mehrheiten organisieren und die Partei nicht wirklich hinter sich und seinen Reformkurs bringen konnte.

Die Reaktion auf den Terror hat Hollande gemeistert

Seine erfolgreichsten Momente hatte der Präsident, als er auf die Reihe von Terrorattacken von Paris bis Nizza reagieren und eine politische Antwort finden musste. Da löste er sich von den Schablonen der Linken und sorgte mit einer harten Sicherheits- und Anti-Terror-Politik dafür, dass zumindest seit dem Sommer die Anschlagserie aufhörte. Die Franzosen belohnten ihn dafür mit einem kurzen Anstieg seiner Popularitätswerte. Sie haben auch die dauernde Verlängerung des Ausnahmezustandes mitgetragen, der die Bürgerrechte einschränkt. Hier schien François Hollande über sich hinaus zu wachsen, und konnte das Land vorübergehend zusammen bringen.

Wie weiter bei den französischen Sozialisten?

Er wolle den Platz freimachen für einen anderen, um die sozialistische Partei zu einen, sagte Hollande zur Begründung für seinen Abschied. Wenn das denn so einfach wäre: Ein Blick in die Umfragen zeigt, dass ausgerechnet Emmanuel Macron mit rund 16% am besten abschneidet, der Minister, der schon vor Monaten frustriert die Regierung Hollande verlassen hatte, und inzwischen als unabhängiger wirtschaftsliberaler Kandidat der Mitte antritt. 

Hat kaum höhere Chancen als Hollande: der sozialistische Premierminister Manuel VallsBild: Getty Images/AFP/F. Guillot

Premierminister Manuel Valls aber ist kaum beliebter als sein Präsident und bringt es auf weniger als 10% der Stimmen. Und Linksaußen Jean-Luc Mélenchon, der kompromissbereite Sozialdemokraten durchweg für Arbeiterverräter hält, liegt in den Umfragen sogar noch vor dem Pragmatiker Valls. Die französische Linke ist zersplittert und noch fehlt die Figur, die die tiefen ideologischen Gräben überbrücken könnte. Die Sozialisten haben noch einen Monat Zeit, um nach überzeugenden Kandidaten Ausschau zu halten.

Denn rechnet man die Zahlen für alle Links/Mitte Bewerber zusammen, reichte das Ergebnis locker, um Marine Le Pen und ihren Front National schon in der ersten Runde der Präsidentschaftswahl Ende April vom Platz zu fegen. Die Sozialisten müssen jetzt schaffen, was den Konservativen mit François Fillon gelungen ist: Sie müssen einen glaubwürdigen Kandidaten mit Siegeschancen finden.