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Neues Holocaust-Denkmal entsteht in London

Christine Lehnen
10. August 2021

Im Herzen der britischen Hauptstadt soll bis 2025 ein Holocaust-Mahnmal errichtet werden. Doch die Entscheidung bleibt umstritten.

In einem Park stehen mehrere Stehlen, dahinter ist Big Ben zu sehen-
Im Hintergrund das britische Parlament: eine künstlerische Darstellung des zukünftigen Holocaust-Mahnmals in LondonBild: Adjaye Associates Ron Arad Architects and Gustafson Porter+Bowman

Seit mehreren Jahren befindet es sich in Planung, nun wurde offiziell grünes Licht gegeben: Im Herzen Londons entsteht ein neues Holocaust-Mahnmal sowie ein Bildungszentrum.

Ziel des Mahnmals ist es laut britischer Regierung, einen nationalen Ort zu errichten, um die sechs Millionen jüdischen Opfer der Shoah zu ehren. Außerdem soll auch allen anderen Opfern des Nationalsozialismus gedacht werden, darunter Roma, Homosexuelle und Menschen mit Behinderung, so äußert sich das zuständige Ministerium in London in einer Pressemitteilung. Das angeschlossene Bildungszentrum werde ebenso spätere Genozide thematisieren, unter ihnen die in Kambodscha, Ruanda, Bosnien und Herzegowina und Darfur. Die Regierung hat angekündigt, dass der Eintritt kostenlos sein und bleiben wird.

Die Errichtung des Mahnmals war schon in der Planungsphase umstritten. Angestoßen vom konservativen Premierminister David Cameron im Jahr 2014 wurde das 2018 begonnene Vorhaben zunächst von den lokalen Behörden abgelehnt: Der Standort in Victoria Tower Gardens liege zu nah an anderen Denkmälern, außerdem sei nicht genügend Platz.

Umstrittenes Denkmal

Die konservative Nationalregierung unter Premierminister Boris Johnson überstimmte die lokalen Behörden, aber auch von anderer Seite geriet der Standort in die Kritik. Bei Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern an britischen Universitäten sorgte die große Nähe zu Regierungs- und Parlamentsgebäuden in Westminster für Anstoß: Sie befürchteten, dies könne die Rolle übertreiben, die die damalige britische Regierung bei der Rettung jüdischer und anderer Opfer des Nationalsozialismus gespielt hat.

42 Forscherinnen und Forscher unterschrieben im Jahr 2018 einen offenen Brief, darunter die renommierte Professorin Shirli Gilbert, die am University College London zu Jüdischer Geschichte forscht. Im Brief hieß es, die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler befürchteten, Großbritannien könne sich als siegreiche, heroische Retternation inszenieren, ein Ergebnis, das der historischen Forschung nicht entsprechen würde.

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Diese Sorge seiner Kolleginnen und Kollegen teilt Jean-Marc Dreyfus im Telefoninterview mit der DW nicht: "Der Entwurf des Mahnmals ist viel zu vage, um die britische Nation als heroischen Retter zu inszenieren." Der Historiker und Professor für Holocauststudien an der nordenglischen Universität Manchester betrachtet gerade das jedoch als problematisch: "Das Mahnmal enthält kein Symbol der Shoah, es ist äußerlich extrem neutral. Es könnte genauso gut an etwas völlig anderes erinnern." Auch, wem hier gedacht werden solle, sei unklar: den jüdischen Bürgerinnen und Bürgern Großbritanniens, die ins Vereinigte Königreich flohen? Allen jüdischen Opfern der Shoah? Jedem einzelnen von den Nationalsozialisten verfolgten?

Dreyfus glaubt, man müsse das neue Mahnmal im Bezug auf den Brexit verstehen. Diese Entscheidungen fielen im selben Kontext, so Dreyfus, im selben Zeitraum, sie wurden getragen von konservativen Regierungen. "Das Mahnmal fungiert für die Regierung sozusagen als Rechtfertigung für den Brexit: Schaut, was damals in Europa geschehen ist - und wovon wir kein Teil mehr sind."

Globales Gedenken an die Shoah

Andrea Löw, Professorin am Zentrum für Holocauststudien in München, betont im Telefongespräch mit der DW wie international das Gedenken an die Shoah sei: Es gebe Museen, Bildungseinrichtungen und Mahnmale in Kapstadt und Sydney, in Südamerika und Budapest, in Israel und Washington. Man könne von einem globalen Gedenken an den Holocaust sprechen, findet sie. Aktuell, so die Historikerin, beschäftige man sich gerade vor allen Dingen damit, wie wichtig es sei, von einem ritualisierten zu einem individuellen Gedenken überzugehen: "Sobald ich ganz konkret von Menschen im Holocaust erzähle und dem Leben, das sie vorher hatten, von ihren Träumen und Wünschen für die Zukunft, davon, wie sie auf die Verfolgung reagiert haben, wie sie sich verhalten haben, findet das niemand mehr langweilig."

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Deshalb arbeiteten Historikerinnen und Historiker seit zwanzig Jahren auch in Deutschland vermehrt mit Tagebüchern und Zeitzeugenberichten. "Wir sehen es als Historiker als unsere Aufgabe an, die Botschaft der Zeitzeugen, die nun von uns gehen, weiterzutragen. Deshalb haben die Zeitzeugen ja auch geredet, deshalb haben schon so viele Menschen in deutschen Ghettos Tagebuch geführt; der Wille und der Wunsch waren immer, dass die Shoah nicht in Vergessen gerät."

"Man wird sich erinnern"

In diesem Zusammenhang betont auch Jean-Marc Dreyfus von der Universität Manchester die Bedeutung des Bildungszentrums, das im Londoner Hyde Park entstehen wird: "Das ist eine gute Nachricht für das Gedenken an die Shoah, das weitergeführt werden muss." Er erhoffe sich von dem Zentrum eine verstärkt historische, faktenbasierte Auseinandersetzung mit der Shoah in der britischen Öffentlichkeit. Dies sei noch nicht der Fall, das britische Erinnern an den Holocaust habe überhaupt erst in den 1990er und 2000er-Jahren begonnen und sei bisher stets im Vagen geblieben, so Dreyfus. Das könne sich nun ändern. Auch Andrea Löw betont die große Bedeutung der Bildungszentren, die vielerorts an Holocaustmahnmale angeschlossen sind.

Das Bildungszentrum soll sich unterhalb des hier künstlerisch dargestellten Mahnmals im Hyde Park befindenBild: UK Holocaust Memorial/dpa/picture alliance

Das britische Mahnmal und das dazugehörige Bildungszentrum entstehen in London nach einem Entwurf der Architekturbüros Adjaye Associates, Ron Arad Architects and Gustafson Porter+Bowman. Der Bau soll noch dieses Jahr beginnen, 2025 soll das Mahnmal fertiggestellt und der Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden.

Der britische Holocaustüberlebende Sir Ben Helfgott äußert sich ebenfalls in der Pressemitteilung der britischen Regierung zur Errichtung des Mahnmals: "Ich bin stolz, dass es im Herzen unseres Landes errichtet wird", so Helfgott. "So weiß ich, und so wissen alle Überlebenden, dass man sich auch nach unserem Tod in Großbritannien an den schwarzen Fleck der modernen Geschichte Europas erinnern wird."

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