Starfotograf Jim Rakete zeigt in der Berliner Ausstellung "Wir sind viele" eindrückliche Porträts von Menschen mit Behinderung. Die Opfer der "Euthanasie" sind Schwerpunktthema des diesjährigen Holocaust-Gedenktages.
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Warum Starfotograf Jim Rakete Menschen mit Behinderung porträtiert
"Wir sind viele" - unter dem Titel fotografierte Starfotograf Jim Rakete Menschen mit Behinderung. Die Berliner Schau flankiert die Gedenkveranstaltung im Deutschen Bundestag für die Opfer der Nationalsozialisten.
Bild: Jim Rakete
Die Würde des Menschen ist unantastbar
Die UN-Behindertenrechtskonvention konkretisiert die Menschenrechte im Hinblick auf die Belange von Menschen mit Behinderung. In Deutschland wacht eine eigene staatliche Anlaufstelle über die Umsetzung. Besonders betont wird in der Konvention das Recht auf Teilhabe: Inklusion. Also einen Platz in der Mitte der Gesellschaft zu haben. Im Bild: Monika Fitze und Karin Kersche
Bild: Jim Rakete
Engagement für Gleichstellung
Die Schau in Berlin ist Auftakt für das Festjahr der v. Bodelschwinghschen Stiftungen Bethel, die dieses Jahr 150-jähriges Jubiläum feiern. 1867 begann in Bielefeld die Arbeit mit der Fürsorge für epilepsiekranke Jugendliche. Heute gehören die Stiftungen zu den größten diakonischen Unternehmen Europas. Im Bild: Jakob Buddenberg
Bild: Jim Rakete
Bethel: Schutz vor Deportation und Tod
Bei der vom NS-Regime befohlenen Vernichtungsaktion machten die Bethelschen Anstalten nicht mit: Eingegangene Meldebögen ließ der damalige Leiter Friedrich von Bodelschwingh unausgefüllt zurückgehen. Obwohl es auch bei Bethel damals Sympathien für Eugenik und Sterilisation gab, lehnten die verantwortlichen Ärzte die "Euthanasie" kompromisslos ab. Im Bild: Friedhelm Fleischmann.
Bild: Jim Rakete
"Sie haben uns alle tief berührt"
Für Starfotograf Jim Rakete war die Begegnung mit den Menschen - u.a. in Bielefeld, Berlin, Hannover und Dortmund - eine ganz besondere Erfahrung: "Diese großartigen Leute, die wir fotografieren durften, haben uns alle tief berührt." Im Bild: Aananthabairavy Pooventhiranathan mit Jim Rakete
Bild: v. Bodelschwinghschen Stiftungen Bethel
Unwertes Leben? Von wegen!
Die Fotografien von Jim Rakete zeigen Menschen mit körperlichen Behinderungen, mit Epilepsie, mit psychischen Leiden, mit Suchterfahrungen. Die Porträts sind berührend ehrlich: Sie entstanden bei den Menschen zuhause, in der Schule, in der Werkstatt - meist spontan, ohne Druck, ohne Maske. Im Bild: Amine Öngün
Bild: v. Bodelschwinghschen Stiftungen
Ziel: Inklusion
Insgesamt 7,6 Millionen Menschen in Deutschland sind schwerbehindert, bei 84 Prozent wurde die Krankheit erst im Laufe des Lebens ausgelöst. Jim Rakete gebe den Menschen eine Stimme, "denen, die bis heute im gesellschaftlichen Miteinander um Wahrnehmung kämpfen müssen", so Bundestagsvizepräsidentin Ulla Schmidt bei der Eröffnung. Im Bild: Katharina und Jakob Buddenberg
Bild: v. Bodelschwinghschen Stiftungen Bethel
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In diesem Jahr wird am deutschen Holocaust-Gedenktag besonders an die Opfer der "Aktion T4" der Nationalsozialisten erinnert. Das "Euthanasie-Programm" führte zur systematischen Vernichtung von mehr als 70.000 Menschen mit Behinderungen, die von den Nationalsozialisten zum "unwerten Leben" herabgewürdigt wurden.
Erste systematische Vernichtung
Der Begriff Euthanasie stammt aus dem Griechischen und heißt übersetzt "angenehmer Tod". In der Antike stand er für ein "gutes", schnelles und schmerzloses Ableben ohne Fremdeinwirken. Da unter dem Deckmantel der Euthanasie Massemorde in der Zeit des Nationalsozialismus verübt wurden, ist der Begriff besonders in Deutschland historisch schwer belastet. Die sozialdarwinistischen Ideen der Auslese und die der Eugenik wurden bereits vor dem Zweiten Weltkrieg auf die menschliche Gesellschaft angewandt und in den Dienst einer so genannten "Rassenhygiene" gestellt. Sozialdarwinismus war in den Augen der Nationalsozialisten im Dritten Reich eine Rechtfertigung für die Tötung von "Schwächeren" und von als minderwertig abqualifizierten Menschen.
Mit seinem "Euthanasiebefehl" vom Oktober 1939 ermächtigte Adolf Hitler die Tötung sogenannten "lebensunwerten Lebens". Damit begann die erste systematische Vernichtung von Menschen im Dritten Reich. Verschleiert wurde die Aktion durch den von Hitler in seinem Ermächtigungsschreiben verwendeten Begriff "Gnadentod". Als "lebensunwert" galten nach seiner Definition vor allem missgebildete Kinder und an Geistes- und Erbkrankheiten oder Syphilis leidende Erwachsene, insbesondere wenn sie entsprechend der nationalsozialistischen Rassenkunde einer "minderwertigen Rasse" angehörten.
"Aktion T4" und ihre Opfer
Mit der Durchführung der Tötungsmaßnahmen war die "Kanzlei des Führers der NSDAP" beauftragt. Um die Opfer zu erfassen und auszuwählen, wurde die Tarnorganisation "Reichsarbeitsgemeinschaft Heil- und Pflegeanstalten" gegründet.
Es gab sechs Vernichtungsanstalten über ganz Deutschland verteilt. Betitelt wurde das Unternehmen als "Aktion T 4", benannt nach der Ende 1939 für den Massenmord eingerichteten Organisationszentrale (Zentrale der Reichskanzlei) in der Berliner Tiergartenstraße 4. Bis 1941 fielen der Tötungsmaßnahme mindestens 120.000 Menschen durch Vergasung, Erschießung oder tödliche Injektionen zum Opfer. Den Hinterbliebenen teilten eigens für diesen Zweck in den Tötungsanstalten eingerichtete Standesämter den angeblich unerwarteten Tod ihrer Angehörigen mit.