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Berliner Holocaust-Konferenz

Hardy Graupner12. Dezember 2006

Zeitgleich mit der umstrittenen Holocaust-Konferenz in Teheran fand in Berlin eine der Bundeszentrale für politische Bildung statt. Im Gegensatz zur iranischen Konferenz stand in Berlin die Wissenschaft im Mittelpunkt.

Hand hält Stapel von Nachkriegszeit-Dokumenten ehemaliger Zwangsarbeiter und Verfolgter des NS-Regimes (Quelle: dpa)
Aufschluss für die Holocaust-Forschung bringt die Öffnung osteuropäischer ArchiveBild: picture alliance/dpa

Die Berliner Konferenz wurde innerhalb weniger Wochen von der Bundeszentrale für Politische Bildung organisiert und lockte am Montag (11.12.2006) renommierte Holocaust-Forscher aus der ganzen Welt an. Der prominenteste unter ihnen war Raul Hilberg von der amerikanischen Universität in Burlington, Vermont. 1939 emigrierte der in Wien geborene Jude in die Vereinigten Staaten und kam 1945 als US-Soldat nach Deutschland. Dort entdeckte er Hitlers Privatbibliothek, in Kisten verpackt.

Leugnung des Holocaust als Reaktion auf Forschungswelle

Mittlerweile kann Hilberg auf mehr als ein halbes Jahrhundert Holocaust-Forschung zurückblicken. Er hat einen Großteil der Informationen ans Tageslicht befördert, die Wissenschaftler brauchen, um das wahre Ausmaß der Shoah zu beschreiben und einzuordnen. Hilberg sagte in Berlin, dass es trotz der gegebenen Beweisfülle immer wieder Versuche gebe, den Holocaust zu leugnen.

Hilberg verfolge mit Befremden, dass in weiten Teilen der muslimischen Welt, Iran inklusive, der Holocaust als reiner Mythos propagiert werde: "Die Holocaust-Forschung hat in den letzten Jahren an Auftrieb gewonnen, nachdem sie Jahrzehnte lang in beunruhigender Weise vernachlässigt wurde", sagte Hilberg. "Als Reaktion auf die Forschungswelle sehen wir verstärkte Bemühungen, die Shoah komplett zu leugnen." Er habe sich an solche Versuche schon gewöhnt. "Interessant ist allerdings, aus welcher Ecke sie diesmal kommen. Von Iran hätte ich mir das so nicht vorgestellt. Aber die Führung in Teheran hat offensichtlich politische Gründe, in dieser Weise mit dem Holocaust umzugehen."

Berliner Konferenz keine Reaktion auf Teheran

Auf der so genannten Holocaust-Konferenz in Teheran betrachten Teilnehmer ein Modell des Konzentrationslagers TreblinkaBild: AP

Peter Longerich vom Holocaust-Forschungszentrum an der Londoner Universität will keine Verbindung zwischen der Berliner und Teheraner Konferenz hergestellt wissen. Solch ein Zusammenhang werde lediglich von den Medien konstruiert. "Als jemand, der aktiv an der Holocaust-Forschung mitwirkt, würde ich sagen, dass die Berliner Konferenz in keiner Weise als Reaktion auf die Iraner Tagung anzusehen ist", sagte Longerich. Sie sei nicht ins Leben gerufen worden durch irgendwelche systematischen Versuche anderer, den Holocaust zu leugnen. "Solche Leugnungen sind ein absurdes Projekt, und die hier versammelten Wissenschaftler verschwenden keinen Gedanken daran."

Longerich informierte die Konferenzteilnehmer über die jüngsten Ergebnisse der modernen Holocaust-Forschung. Er sprach von einem besseren Verständnis von den Tätern und davon, dass es nicht ein einzelner Beschluss war, der zur systematischen Vernichtung der Juden führte. Vielmehr gab es seiner Ansicht nach eine Reihe von Anordnungen, die den Ausführenden in Verwaltung, Polizei und Militär viele Interpretations-Spielräume ließen. Longerich wies auf den enormen Wissensgewinn hin, den die Öffnung osteuropäischer Archive in den 1990er-Jahren brachte. Nach der Öffnung dieser Archive sei viel Forschungsarbeit geleistet worden.

Zu wenig deutsche Forschungskonferenzen

"Wir haben jetzt ein wesentlich umfangreicheres Bild vom Holocaust in jenen Ländern, wo die Massenmorde begangen wurden, so zum Beispiel in der ehemaligen Sowjetunion und dem damals von Deutschland besetzten Polen", sagte Longerich. Es gebe jetzt neue Erkenntnisse über den Zusammenhang von Holocaust und Zwangsarbeit und der systematischen Enteignung jüdischen Eigentums.

Longerich kritisierte, dass es in Deutschland viel zu wenige Forschungskonferenzen zum Holocaust gebe. Der rapide Anstieg an Forschungsergebnissen bedürfe einer systematischeren Analyse, die sowohl Wissenschaftlern als auch der breiten Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden müsse.

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