Holz schafft Jobs
27. November 2005Bislang galten die Automobil- und Chemieindustrie sowie der Maschinenbau als die für die Konjunktur maßgeblichen Industriezweige. Die Forst- und Holzwirtschaft hingegen rangierte, auch mit Blick auf die Beschäftigten, nur unter "ferner liefen". Doch diese Gewichte gilt es offensichtlich neu zu verteilen: Nach einer Studie, die von der Universität Münster zusammen mit dem Hauptverband der Deutschen Holz und Kunststoffe verarbeitenden Industrie erarbeitet wurde, stellt die bundesdeutsche Forst- und Holzwirtschaft mit über 1,3 Millionen Mitarbeitern andere Industriezweige in den Schatten.
Einbauküchen für Europa
Mit dem Werkstoff Holz wird beispielsweise mehr Umsatz erzielt als in der Elektroindustrie oder in der IT-Branche. Inzwischen stammt, so ein Teilergebnis der Untersuchung, immerhin jede dritte Einbauküche in Europa aus Deutschland. Dass diese Branche lange erheblich unterschätzt wurde, das führt der Münsteraner Forstwirt Martin Angermann auch darauf zurück, dass die einzelnen Bereiche nur isoliert, nie aber gesamtwirtschaftlich bewertet wurden: "Viele haben ganz offensichtlich den Wald vor lauter Bäumen nicht gesehen." Beim Werkstoff Holz denke kaum jemand an einen Industriezweig.
Die Forst- und Holzwirtschaft in der Bundesrepublik weist nicht weniger als rund zwei Millionen private Waldbesitzer aus. Außerdem verzeichnet die Untersuchung rund 185.000 Betriebe, die mit mehr als 1,3 Millionen Beschäftigten einen Umsatz von etwa 181 Milliarden Euro erzielen. Selbst ohne Zulieferunternehmen und ohne das Verlags- und Druckereigewerbe verdienen fast 950.000 Mitarbeiter in der Holz- und Forstwirtschaft ihre Brötchen und erwirtschaften über 114 Milliarden Euro Umsatz. Allein das Holzhandwerk bringt es mit seinen 115.000 Betrieben auf einen Umsatz von 34 Milliarden Euro.
Kleinbetriebe übersehen
Die Zahlen, mögen auf den ersten Blick verblüffen, denn in den amtlichen Statistiken fiel die Zahl der Betriebe bislang um fast die Hälfte geringer aus. "Da sind in den vergangenen Jahren statistisch ein paar gravierende Fehler gemacht worden", erklärt der Forstwirt Angermann. Denn bisher seien nur Betriebe mit mehr als 20 Mitarbeitern gezählt worden - der Rest sei unter den Tisch gefallen.
Nunmehr finden auch die kleineren Sägewerke Berücksichtigung. Angesichts der daraus resultierenden Bedeutung für den Arbeitsmarkt, betonen die Autoren der Studie, kommen die amtlichen Statistiken einem Sündenfall gleich. Die Biotechnologie etwa, die Politiker gern als Zukunftsbranche bezeichnen, bringe es im Vergleich nur auf maximal 11.000 Arbeitsplätze und werde mit Steuermitteln gefördert.
Nachwachsender Rohstoff
Holz firmiert durchaus als Werkstoff der Zukunft. In der Formel 1 des Automobilrennsports beispielsweise entwickeln Ingenieure bereits Bremssysteme auf Holzbasis. Und in Zeiten, in denen Öl und Gas im Preis sprunghaft ansteigen, habe man in Deutschland die Bedeutung von Holz als Heizmaterial verkannt. Technische Neuerungen wie Holzpellets - eine Art Brikett aus Holz - stammen aus Österreich. Aber noch lässt ein Forstwirt wie Martin Angermann die Hoffnung auf wirtschaftlich bessere Holz-Zeiten nicht fahren. "Holz ist ein nachwachsender Rohstoff - und hat damit natürlich auch Zukunft. Und was die gewachsenen Bestände betrifft, da steht Deutschland ziemlich gut da. Deutschland verfügt nämlich über die größten Holzvorkommen in Europa", sagt Angermann. "Aber das Potenzial wird nicht ausgeschöpft. Nach der aktuellen Bestandsaufnahme sieht es so aus, dass nur die Hälfte des Zuwachses genutzt wird."