Holzhäuser für Flüchtlinge
19. Februar 2016Der Wohnraum wird vor allem in Großstädten knapp. "Wir brauchen jetzt mindestens 350.000 neue Wohnungen pro Jahr - nicht nur für Flüchtlinge", sagt die deutsche Umwelt- und Bauministerin Barbara Hendricks. Nach ihrer Einschätzung ist dafür ein Zuschuss aus Bundesmittel von zusätzlich 1,3 Milliarden Euro pro Jahr nötig. Nach Angaben des Deutschen Mieterbund müssten es sogar drei bis vier Milliarden Euro pro Jahr sein.
Das Geld wird sehr dringend in den Kommunen gebraucht. Sie sind um schnelle Lösungen bemüht, um die vielen Flüchtlinge besser unterzubringen. Viele leben in provisorischen Notunterkünften, in Turn- und Industriehallen, alten Militärkasernen und auch Zelten.
Holzhäuser als Alternative?
Wohncontainer sind inzwischen vergriffen und kaum noch zu bekommen. Die Preise dafür sind in den letzten Monaten um mehrere hundert Prozent gestiegen. Zur Beseitigung der akuten Wohnungsnot setzen auch deshalb immer mehr Gemeinden auf Häuser aus Holz. Ein großer Teil der Hauselemente wird hierbei von Holzunternehmen vorgefertigt und dann vor Ort schnell zusammengebaut.
Kleinere Objekte werden inklusive Planung und Genehmigung derzeit innerhalb von zwei bis drei Monaten errichtet, größere bis zu dreistöckige Bauten innerhalb von fünf bis sechs Monaten. "Der Bau von Flüchtlingsunterkünften aus Holz bietet eine schnelle, effiziente und auch für die Folgenutzung flexibel Alternative, es gibt die Möglichkeit des kompletten Rückbaus und des Aufstellens an anderer Stelle", sagt Johannes Remmel, Umweltminister von Nordrhein-Westfalen (NRW) beim Besuch einer neuen Flüchtlingsunterkunft aus Holz in Münster.
Holz erlebt Renaissance
Das Bauen mit Holz wird beliebter und so haben in den letzten zwei Jahrzehnten viele Unternehmen entsprechendes Know-how aufgebaut. 2014 wurde in Deutschland schon jedes siebte Haus in massiver Holzbauweise erstellt, in Süddeutschland schon fast jedes vierte. "Wir erleben eine Renaissance", sagt Martin Schwarz von der Informationsplattform 'Holzbauten für Flüchtlinge', jüngst eingerichtet vom Land NRW.
Die Plattform soll den Kommunen und Planern helfen. Holz habe viele Vorteile, so Schwarz: "Durch die weit entwickelte Vorfertigung können die Häuser schnell und günstig gebaut werden. Daneben ist Holz nachhaltig und dämmt gut. Die erforderlichen Standards der aktuellen Energieeinsparverordnung lassen sich damit gut erreichen."
Lösung für Studenten
Am neu errichteten Studentenwohnheim "To Go" in Wien wird das Potenzial von modernem Holzbau deutlich: Innerhalb von nur einer Woche wurden die vorgefertigten Wohneinheiten vor Ort aufgebaut. Wird das Wohnheim an einem anderen Ort gebraucht, so lässt es sich einfach abbauen und wieder neu aufstellen.
Darüber hinaus verbraucht das Gebäude nur etwa halb so viel Energie wie Neubauten und erreicht damit den sogenannten Passivhaus-Standard für besonders energieeffiziente Gebäude. Und mit Baukosten von 1140 Euro pro Quadratmeter liegen hier die Kosten auch unter dem örtlichen Durchschnitt. "Das neue Studentenwohnheim ist ein weiteres Beispiel dafür, dass Energieeffizienz und bezahlbares Wohnen kein Widerspruch sind", betont Professor Wolfgang Feist, Leiter des Passivhaus Instituts. "Im Gegenteil: Durch die geringen Betriebskosten bleibt am Ende ein deutliches Plus."
Modell mit Nachahmern
Eine weitere Möglichkeit Energie und Kosten zu sparen, zeigt ein Beispiel aus Ravensburg. Auf dem Dach der neuen Holzunterkunft installierten Flüchtlinge zum Jahreswechsel eine Solaranlage. Der erzeugte Strom wird in der Asylunterkunft zu etwa 90 Prozent verbraucht und senkt so die Stromkosten.
Der Bau der Solaranlage hat zugleich aber noch weitere Nebeneffekte: Im zehntägigen Praxisworkshop lernten 15 Asylbewerber die Technik kennen und zeigten sich begeistert. "Wenn sie mal in ihre Heimat zurückkehren können, dann wollen Sie auch dort Solaranlagen bauen", erzählt Seminarleiter Claus Scheuber. Zudem bekamen die Flüchtlinge so einen Einblick in das deutsche Handwerk und neue Kontakte und Ausbildungsmöglichkeiten.
Interesse an dem Modellprojekt zeigen inzwischen auch Bürgermeister aus den Nachbarorten von Ravensburg. "Ich bekomme Anfragen für neue Solaranlagen auf anderen Unterkünften in Zusammenarbeit mit Flüchtlingen", so Scheuber.